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Falsche Mischung? Medizinforschung kostet - dafür hat die Charité viel Geld eingeworben; 40 Millionen Euro davon wurden aber falsch verbucht. Nun wollen andere Finanziers aussteigen.
© dpa/picture alliance
Exklusiv

40 Millionen unkorrekt verbucht: Helmholtz-Gemeinschaft könnte Bundesmittel für Charité-Tochter stoppen

Die Charité verbuchte 40 Millionen Euro Drittmittel nicht korrekt – nun drohen ernste Konsequenzen: Die Helmholtz-Gemeinschaft hat die Finanzierung eines wichtigen Forschungsprojekts vorerst gestoppt.

Es ist eine der wichtigsten Forschungseinrichtungen in der Stadt: Als das Berliner Institut für Gesundheitsforschung (BIG) im vergangenen Jahr eröffnet wurde, sollte es international renommierte Wissenschaftler anlocken. Schon wenige Monate später droht einer der großen Geldgeber, die Helmholtz-Gemeinschaft, die geplante Anschubfinanzierung zu stoppen – Anlass sind die 40 Millionen Euro, die kürzlich bei der Durchsicht der Charité-Finanzen gefunden wurden. Im Kern geht es darum, dass die Charité wohl nicht so klamm sei, wie gedacht.

Senat braucht das Geld der Helmholtz-Gemeinschaft

Das BIG wird unter anderem von der Helmholtz-Gemeinschaft und der landeseigenen Charité finanziert: Der Senat allein hätte nicht genug Geld gehabt, die Helmholtz-Gemeinschaft wollte in der Startphase bis zu 45 Millionen Euro dazugeben. In einem am Montag aufgesetzten Brief, der dem Tagesspiegel vorliegt, schreibt der Präsident der Gemeinschaft, Jürgen Mlynek, an Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres (SPD): „Ich bitte auch um Verständnis, dass ich bis zur Aufklärung des Sachverhalts den Zuwendungsgeber BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung, die Red.) bitten werde, die für das BIG vorgesehenen Helmholtz-Mittel zu sperren.“

Helmholtz-Gemeinschaft: "entfällt ... die Geschäftsgrundlage"

Für Scheeres, die Charité-Aufsichtsratsvorsitzende, ist das eine harte Ansage: Die Helmholtz-Gemeinschaft will also ihren Geldgeber, das Forschungsministerium, darum bitten, die für das BIG vorgesehenen Mittel einzufrieren. Sollte nämlich zutreffen, dass in der Charité angesparte „Mittel in zweistelliger Millionenhöhe“ liegen, „entfällt aus meiner Sicht die Geschäftsgrundlage“, schreibt Mlynek. Ein Sprecher der Helmholtz-Gemeinschaft bestätigte die Existenz des Schreibens. Die Gemeinschaft bekommt hauptsächlich Bundesmittel.

Im Senat gibt man sich souverän – und tatsächlich gehen in der Verwaltung viele davon aus, dass man in Gesprächen mit Mlynek zu alter Kooperation zurückfinden wird. Im Haus von Scheeres wird darauf hingewiesen, dass die in der Charité-Fakultät gestückelt verbuchten 40 Millionen Euro aus Drittmitteln für Einzelprojekte stammen, die nichts mit der BIG-Forschung zu tun haben.

Es „müssen sachlich die offenen Fragen geklärt und Transparenz hergestellt werden“, sagt Thorsten Metter, Sprecher der Senatorin, auf Nachfrage. „Die vereinbarte Finanzierung des BIG hat überhaupt nichts mit dem Thema zu tun. Das Ziel des BIG war es ja nicht, Forschungsgelder aus dem Fakultätsbereich der Charité abzuziehen und diese in die Zusammenarbeit mit einer außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu geben.“ Vielmehr hätten Bund und Land eine zusätzliche Finanzierung für einen innovativen Forschungsansatz verschiedener Akteure vereinbart. „Wir gehen davon aus, dass wir hier eine Klärung herbeiführen können“, sagte Metter.

Ein Problem ist der Föderalismus in der Wissenschaft

Bundesweit gilt das BIG als mögliches Modell dafür, wie sich der Bund dauerhaft für eine Hochschule engagieren kann, ohne die Wissenschaftshoheit der Bundesländer zu torpedieren. Die Charité, als medizinische Fakultät der Berliner Universitäten FU und HU, ist nur als einer von mehreren Partnern am BIG beteiligt, weshalb der Bund legal Geld in das BIG stecken durfte. Am BIG wird die Forschung der Charité mit der des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin der Helmholtz-Gemeinschaft zusammengeführt.

Die unkorrekt verbuchten Millionen an der Charité stammen aus kleinen Projekten der vergangenen sieben, acht, womöglich neun Jahre: Auf wohl 6000 Konten einzelner Abteilungen soll Geld liegen, das Wirtschaftsprüfer als unsauber verbucht eingestuft haben. Seit Jahren gibt es Streit um die Mittel für Universitätskliniken. Neben Medizinern fordert auch Scheeres einen Systemzuschlag. Damit ist eine Extraförderung für Hochschulkrankenhäuser gemeint, schon weil sie oft besonders komplizierte Fälle behandeln und dazu Forschen müssen. Einige plädieren auch für eine Grundgesetzänderung, damit der Bund direkt in Universitäten investieren kann.

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