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Dreharbeiten für die TV-Serie "Babylon Berlin“ auf dem Alexanderplatz im Juni 2016.
© Thilo Rückeis

"Babylon Berlin" startet in der ARD: Hauptrolle für die Hauptstadt

Endlich wird „Babylon Berlin“ auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gezeigt. Gedreht wurde auf dem Alex, in Bars, Gefängnissen, Rathäusern.

Babylon ist Geschichte, und das ist gut so. Wäre die Stadt am Euphrat noch immer eine Metropole von der Macht und Bedeutung, die sie einst besaß, so hätte sie gegenüber Berlin längst Markenrechte geltend gemacht, einen juristischen Streit vom Zaun gebrochen, wenn nicht Schlimmeres. Es hätte dem urbanen Epigonen wohl nicht mal geholfen, dass in seinen Museen Relikte des Originals wie das Ischtar-Tor aufbewahrt werden. Du Städtchen an der Spree willst das neue Babylon gewesen sein?

Aber vergangen ist vergangen, kein Babylonier wird sich also beschweren, wenn jetzt in Berlin dessen babylonische Zeit, die ebenso ruhmreichen wie verruchten zwanziger Jahre, gefeiert wird. Das geht schon eine ganze Weile so, startete mit den Gereon-Rath-Romanen von Volker Kutscher, legte bei den Dreharbeiten zu dem darauf gründenden TV-Projekt „Babylon Berlin“ diverse Ecken der Stadt lahm, gab Anlass zu Premierenfeiern und Ähnlichem. Die Serie zog erst das Publikum des Senders Sky in seinen Bann und nun ab Sonntag auch das der ARD, die dafür sogar den angestammten „Tatort“-Sendeplatz preisgibt. Und Schluss ist damit noch lange nicht, wird doch schon an der nächsten Staffel gebastelt.

Aus dem "Delphi" wird das "Moka Efti"

Die eigentliche Premiere wurde vor einem Jahr zur Sky-Ausstrahlung im Berliner Ensemble, einem der Drehorte, gefeiert, doch auch der aktuelle Sendestart erfordert selbstverständlich eine Party. Sie fand kürzlich in der Bar Tausend am Schiffbauerdamm statt, auch sie ein Drehort, doch offenbar genügte das nicht. Und so nahm man am Dienstag die TV-Dokumentation „1929 – Das Jahr Babylon“, die im Anschluss an die ersten drei Folgen in der ARD ausgestrahlt wird, zum Anlass einer erneuten Feier, diesmal im ehemaligen Stummfilmkino „Delphi“ in der Weißenseer Gustav-Adolf-Straße. Auch diesen Ort kann man, auf die zwanziger Jahre getrimmt, in der Serie bewundern, er stellt dort die Bar „Moka Efti“ dar, Schauplatz turbulenter Vergnügungen.

Der Schauspieler Volker Bruch als Kommissar Gereon Rath in "Babylon Berlin".
Der Schauspieler Volker Bruch als Kommissar Gereon Rath in "Babylon Berlin".
© Frederic Batier/ARD-Degeto/X-Filme/Beta Film/Sky/dpa

Es wäre überhaupt kein Problem gewesen, attraktive und auf die Serie bezogene Orte für weitere Partys oder was auch immer zu finden, alte wie eben das Stummfilmkino oder neue wie die Bar Tausend. Die ist überhaupt nicht plüschig, vielmehr sehr modern ausgestattet, teilweise sogar verspiegelt, und doch musste man dort, wie Szenenbildner Uli Hanisch später berichtete, „quasi nur die Beschriftungen“ ändern: „Es funktionierte.“

Auf dem Alex wird die Zeit zurückgedreht

Und es funktionierte sogar an einem Ort wie dem Alexanderplatz, auf dem doch nur noch das Alexanderhaus und das Berolinahaus die in „Babylon Berlin“ geschilderte Zeit repräsentieren – zumindest halbwegs, genau genommen entstanden sie etwas später. Am 16. Juni 2016 hatte dort Tom Tykwer – einer der Regisseure neben Achim von Borries und Hendrik Handloegten – das trapezförmige östliche Drittel, eingefasst vom Alexanderhaus, dem Saturn-Elektronikmarkt und einer mannshohen Absperrung, zum Berlin der späten zwanziger Jahre umgeformt.

Alte Autoungetüme in düsteren Lackierungen, alle mit dem historischen Berliner IA-Kennzeichen, kurvten herum, ein Bierkutscher dirigierte seine Fässerladung zweispännig über den Platz, auf dem ein Querschnitt der damaligen Berliner Gesellschaft mal müßig herumstand, mal flanierte oder eilig dahinhetzte – feine Pinkel mit Melone, Damen mit Bubiköpfen und Glockenhut, orthodoxe Juden aus dem Scheunenviertel, ein Schupo mit Tschako, abgerissene Proletarier – und mittenmang Hauptdarstellerin Liv Lisa Fries mit ihrem Wuschelkopf. Sogar eine Straßenbahn, Linie 48 E (Hackescher Markt – Pankow/Kirche) rollte hin und her. Eine Blue Screen war aufgebaut, um später fehlende historische Bebauung am Computer in die Bilder einzufügen.

Liv Lisa Fries (re.) als Charlotte Ritter und Irene Böhm als ihre Schwester Toni.
Liv Lisa Fries (re.) als Charlotte Ritter und Irene Böhm als ihre Schwester Toni.
© Frederic Batier/ARD-Degeto/X-Filme/Beta Film/Sky/dpa

Der Liste der Hauptdarsteller, neben Liv Lisa Fries als Lotte, Volker Bruch als Gereon Rath und vielen anderen, wäre also Berlin auf jeden Fall beizufügen. 50 Hauptmotive und 240 Nebenschauplätze musste Uli Hanisch mit seinem Art Department überzeugend historisieren. Nicht alle lagen in Berlin, auch in Brandenburg und Nordrhein-Westfalen wurde gedreht, aber Berlin blieb doch der Mittelpunkt. So ist in dem Presseheft, das von der ARD zum Sendestart herausgegeben wurde, auch ein alter Pharus-Stadtplan von Berlin abgebildet, ergänzt um 20 Drehorte, nebst Angaben, was sie in „Babylon Berlin“ denn darstellen.

Der Alex ist logischerweise der Alex geblieben, der U-Bahnhof Hermannplatz der U-Bahnhof Hermannplatz und der S-Bahnhof Friedrichstraße der S-Bahnhof Friedrichstraße. Aber die „Rote Burg“, das berühmt-berüchtigte Polizeipräsidium am Alexanderplatz, gibt es nun mal nicht mehr, das Rote Rathaus allerdings schon, das nun eben für die Außenaufnahmen zur Arbeitsstätte von Kommissar Gereon Rath wurde.

Die Innenaufnahmen entstanden dagegen im Foyer des Rathauses Schöneberg mit seinen Paternostern und im ehemaligen DDR-Innenministerium in der Mauerstraße in Mitte. Das Rathaus Schöneberg spielt noch eine zweite Rolle: Sein Ratskeller wurde zur Filiale des Berliner Gastronomiegroßbetriebs Aschinger, einst legendär wegen seiner Stehbierhallen, in denen es zu preiswerten Mahlzeiten so viele Schrippen gab, wie man nur wollte.

Diese Szene mit Bananentänzerinnen à la Josephine Baker wurde im ehemaligen Stummfilmkino "Delphi" in Weißensee gedreht.
Diese Szene mit Bananentänzerinnen à la Josephine Baker wurde im ehemaligen Stummfilmkino "Delphi" in Weißensee gedreht.
© ARD Degeto/X-Filme/Beta Film/Sky/Frédéric Batier

Der Handlungsort Polizeipräsidium kommt kaum ohne ein Gericht und eine Haftanstalt aus. In der Serie wurde das Rathaus Charlottenburg zum Amtsgericht, während die Zellen in den ehemaligen Frauengefängnissen in der Lehrter Straße und in der Lichterfelder Söhtstraße noch einmal reaktiviert wurden.

Spree oder Landwehrkanal - das ist hier die Frage

Orte des heutigen Nachtlebens wie die „Kleine Nachtrevue“ in der Kurfürstenstraße in Tiergarten, die „Bellmann Bar“ in der Reichenberger Straße in Kreuzberg oder das „Chalet“ in der Schlesischen Straße in Kreuzberg wurden so zu teilweise verruchten Vergnügungsstätten der wilden Zwanziger, hießen nun „Cabaret Paris“ oder „Pepita Bar“. Das ist zumindest naheliegender, als eine Szene auf der Monbijoubrücke zu drehen und die Spree zum Landwehrkanal zu erklären.

Auch der historische Friedrich-Kopsch-Hörsaal der Charité, die Galopprennbahn Hoppegarten, die zum Krankenhaus umfunktionierte Immanuelkirche in Prenzlauer Berg und der zum Sanatorium mutierte Behrensbau in der Ostendstraße in Oberschöneweide bekommen ihren Auftritt, nicht zu vergessen die neue „Berliner Straße“ im Studio Babelsberg, die in „Babylon Berlin“ ihr Debüt als Drehort gab.

Schade eigentlich angesichts dieser Fülle von Berliner Drehorten, dass das Ischtar-Tor und die dazugehörige Prozessionsstraße im Pergamonmuseum erst kurz nach dem Jahr, in dem die Serie spielt, fürs Publikum zugänglich waren und damit für die Story ausfielen. Das wahre Babylon als Drehort von „Babylon Berlin“ – wenigstens eine kleine Nebenrolle hätte man der alten Königsstadt am Euphrat gegönnt. König Nebukadnezar hätte sich gefreut.

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