Flucht aus der JVA Moabit: Hatten die Ausbrecher einen Helfer?
Die Schrauben waren locker - aber nicht nur das: Lose Drähte, verpasste Videoaufzeichnungen und ein Häftlingshandy machten es den Ausbrechern aus der JVA Moabit leicht. Justizsenator Heilmann räumt Pannen ein - und fahndet nun nach einem Fluchthelfer.
Sichtlich besorgt hat sich Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) erneut zur spektakulären Flucht in Moabit geäußert. Hatte er am Montag von einem „Zusammentreffen mehrerer Zufälle“ und der „sportlichen Leistung“ zweier Häftlinge der Justizvollzugsanstalt (JVA) gesprochen, sagte er am Dienstag: „An der einen oder anderen Stelle könnte dem Zufall nachgeholfen worden sein.“
So waren Schrauben zur Befestigung eines Stacheldrahtes schon vor der Flucht locker gewesen, weshalb der Draht von den Häftlingen verschoben werden konnte. Seit Monaten wird in Moabit gebaut, die Anstalt gilt als sanierungsbedürftig. „Dass die Schrauben locker waren, könnte von Arbeitern vergessen worden sein“, sagte Heilmann. „Wir prüfen das.“ Eine Kontrolle jedes einzelnen Bauabschnittes habe es nicht gegeben. Die Abnahme der Bauarbeiten sollte am Ende der Komplettsanierung erfolgen. Die oft marode Struktur der Berliner Haftanstalten erleichtert seit Jahren auch den Schmuggel. Kürzlich war in Moabit ein Ring von Dealern aufgeflogen.
Beim Zersägen der Gitter wohl Öl benutzt
Wenn die Schrauben – für deren Handhabung wohl Profi-Werkzeug nötig war – von den Arbeitern nicht vergessen worden sein sollten, stellt sich die Frage nach Fluchthelfern. Nach Tagesspiegel-Informationen ist bei einem der beiden Häftlinge kürzlich ein Handy gefunden worden. Die Männer hatten zum Zersägen der Gitterstäbe ihrer Zellen außerdem Öl benutzt, um Geräusche zu mindern. „Wir haben Anzeige wegen Fluchthilfe gegen unbekannt gestellt“, sagte Heilmann.
Gegen Mitarbeiter der Alarmzentrale ist zudem ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden: Auf einem Überwachungsfilm hätte man die Flucht am Montagmorgen erkennen können. Der Alarm sei aber weggedrückt worden – wie bei einem durch Tiere ausgelösten Fehlalarm. Ab Ende der Woche soll eine Untersuchungskommission den Fall aufarbeiten; wer in dem Gremium sitzt, gebe man bald bekannt. Rücktritt schloss Heilmann aus.
Personalmangel: Vier Beamte für 400 Häftlinge?
Immer wieder hatte es Vorwürfe von betroffenen Berufsverbänden und der Opposition im Abgeordnetenhaus gegeben: Die Landesregierung spare am Personal und an den Instandhaltungskosen der maroden Gefängnisbauten. In dem Trakt, aus dem die zwei Männer flüchteten, sollen nach Tagesspiegel-Informationen rund 400 Häftlinge einsitzen – während in der Nachtschicht nur vier Beamte da gewesen seien. Insgesamt waren in der Nacht zum Montag wohl 18 Angestellte im Dienst, in der Anstalt sitzen mehr als 950 Männer ein. Man äußere sich grundsätzlich nicht zu Details der Sicherheitsmaßnahmen, sagte Senator Heilmann, es habe aber „im Rahmen der Vorschriften“ genug Beamte gegeben. Der Bund der Strafvollzugsbediensteten erklärte, nachts und am Wochenende sei die Personalstärke zu gering.
Ausbruch ist keine Straftat
Durch die zwei Flüchtenden bestehe keine unmittelbare Gefahr für die Bevölkerung, sagte Heilmann. Offenbar werden die Verdächtigen nur als bedingt gefährlich eingestuft. Zur Identität der beiden äußerte sich der Senator nicht – „um die Fahndung nicht zu gefährden“. Einer der Geflohenen ist wohl der mutmaßliche Mörder eines Clubbetreibers.
Aus der Haft zu fliehen, ist keine Straftat – als zu elementar gilt der Freiheitswille. Wohl aber das Zersägen der Gitter, das als Sachbeschädigung verfolgt wird.