Banken und das Begrüßungsgeld: Haste mal 'ne Mark?
100 DM für alle DDR-Bürger und eine Sparkasse für ganz Berlin: Ein Ex-Bankvorstand erinnert sich.
Es gab Schlangen, da standen rund 10.000 Menschen an: Den DDR-Bürgern, egal ob Baby oder Greis, standen 100 DM Begrüßungsgeld zu und das wollten sich viele nach dem Mauerfall in West-Berliner Behörden abholen – doch der damalige Regierende Walter Momper ordnete schnell an, dass die Banken und Sparkassen das Geld auszahlen sollen. Die Mitarbeiter trifft das sehr plötzlich.
Hubertus Moser, seinerzeit Vorstandsvorsitzender der West-Berliner Sparkasse erinnert sich an den Ausnahmezustand: „Ich habe selbst Geld ausgezahlt“, sagt der heute 83-Jährige und beschreibt, wie er mit 1000er-Bündeln D-Mark in den Anzugtaschen unterwegs war, die Wartenden aus der Reihe nahm und am Rand das Geld ausstellte.
Die West-Sparkasse wird am Ende bis zu 80 Prozent des Berliner Begrüßungsgeldes auszahlen: 120 Millionen DM an 1,2 Millionen DDR-Bürger. In diesen Tagen kurz nach dem Mauerfall fangen die Beschäftigten in den Filialen früh an und hören spät auf, man versucht der Sache Herr zu werden, erzählt Hubertus Moser. Zu Beginn sind die Filialen auch nachts geöffnet, alle Kollegen müssen anpacken.
In einen Devisenfonds zahlten DDR und Bundesrepublik ein
Für die Auszahlung müssen DDR-Bürger ihren Personalausweis oder Reisepass vorzeigen, der dann einen Stempel bekommt. Zusätzlich dürfen 15 Ostmark umgetauscht werden. In kurzer Zeit werden Massen an Bargeld bewegt, allein mit den üblichen Transportern ist das nicht zu bewerkstelligen. Daher fahren einzelne Mitarbeiter der Sparkasse mit ihrem eigenen Auto von Filiale zu Filiale, um Plastiktüten mit Geldscheinen abzuliefern.
Am 29. Dezember 1989 wird die Zahlung des Begrüßungsgeldes eingestellt. Seit 1970 hatte es die Unterstützung gegeben, da bei Besuchen im Westen nur eine begrenzte Menge DDR-Währung mitgenommen werden durfte. Danach wurde ein Devisenfonds eingerichtet, in den DDR und Bundesrepublik einzahlten. Mit ihm konnten DDR-Bürger 100 Ost-Mark im Verhältnis 1:1 und weitere 100 DDR-Mark im Verhältnis 1:5 umtauschen.
Für die West-Berliner Sparkasse kehrt damit jedoch keine Ruhe ein. „Die Grundstimmung war: Wir müssen zusammenwachsen“, sagt Hubertus Moser. Für ihn ist klar, dass das auch die Berliner Sparkassen betrifft. Zur Sparkasse in Ost-Berlin hatte man kaum Kontakt: „Wir haben das manchmal versucht, das wurde abgewehrt.“ Ende 1989 traf Moser den Leiter der Ost-Berliner Sparkasse Siegfried Zausch. Es war das einzige Treffen.
Siegfried Zausch, überzeugter Sozialist, der öffentlich den Mauerbau gelobt hatte, soll getobt haben. „Ich habe vorgeschlagen, dass wir rechtzeitig mit der Zusammenführung beginnen. Meine Idee: Schulungen von Kollegen für Kollegen“, erzählt Moser. Jede Ost-Filiale sollte eine West-Filiale zum Partner haben und so mit den Arbeitsabläufen vertraut gemacht werden.
Sparkassen-Stammkunden aus dem Osten
So wurde es später auch gehandhabt. Siegfried Zausch jedoch ist nicht mehr mit dabei, er starb bald. Sein Stellvertreter Theodor Drees wird Mosers Ansprechpartner. „Es war eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe“, sagt Moser. Vom Osten übernimmt die West-Berliner Sparkasse aber nichts. DDR-Mitarbeiter werden durch Schulungen für die Marktwirtschaft fit gemacht. „Es wurden gewaltige Investitionen getätigt.“
Dass sich der Vorstand so für die Fortbildungen einsetzt, ist nicht verwunderlich: Moser fing 1961 in Berlin in Sachen Personalplanung und -ausbildung an, die eigene Personalhoheit hatte die Sparkasse erst durch das neue Sparkassengesetz vom 1. August 1960. Das Durchschnittsalter der Angestellten war damals satte 59 Jahre. Mosers Auftrag zu dieser Zeit war, mehr junge Menschen für eine Ausbildung bei der Sparkasse zu gewinnen.
Zwei Tage vor der Wiedervereinigung wird am 1. Oktober 1990 die Landesbank Berlin-Girozentrale (LBB) als Anstalt des öffentlichen Rechts gegründet. So kommen die beiden Sparkassen nach über 40-jähriger Trennung wieder zusammen. Die rechtliche Vereinigung wird im Dezember 1990 rückwirkend zum 1. Juli 1990 vollzogen. Die meisten Beschäftigten arbeiten weiter für die Sparkasse. Vielleicht bleiben auch deshalb 80 Prozent des Ost-Kundenstamms bei der wiedervereinten Sparkasse.
Pauline Faust