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Margarete Tabert arbeitete nach dem Mauerfall bei der West-Sparkasse.
© Matthias Leupold

Erinnerungen an das Begrüßungsgeld: Die Frau vom Schalter am Alexanderplatz

Margarete Tabert zahlte Ost-Berlinern nach dem Mauerfall die 100 DM aus. Sie erzählt von schmutzigen Trabis und der Euphorie der Wendezeit. Ein Protokoll.

"1989 war eine absolut euphorische Zeit, auch für uns West-Berliner. Ich arbeitete damals bei der Sparkasse der Stadt Berlin West und meldete mich sofort freiwillig auf den Aufruf, am ersten Auszahlungswochenende mitzuhelfen. Man wollte unbedingt dabei sein. Das Begrüßungsgeld hatte es ja schon vorher für ausreisende DDR-Bürger gegeben, aber nicht in diesem Ausmaß.

Wir bezogen eine alte Filiale am Alex, die laut Grundbuch sogar immer noch der West-Sparkasse gehörte, und versuchten so viele Arbeitsplätze wie möglich zu improvisieren. Jeder Stuhl, jeder Hocker wurde genutzt und insgesamt waren bestimmt 30 Bankangestellte beschäftigt, um die Wartezeit zu verkürzen. Der Papierkram war marginal, weshalb es natürlich auch Missbrauch gab. Das war uns nicht egal, aber in der unglaublichen Euphorie war das einfach kein Thema.

Die ersten Monate waren von einer solchen Freude getragen, dass vieles niemanden gestört hat. Die DDR-Bürger durften umsonst mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren und sogar die Busfahrer waren nett. Auch die Trabis waren kein Problem – obwohl wir drei Wochen vorher wegen der Abgase noch autofreie Sonntage auf dem Ku'damm hatten.

Uns wurde in der Wendezeit auch erst so richtig der unglaubliche Wohlstand klar, in dem wir lebten und auch heute noch leben. Die DDR-Bürger waren so erstaunt über Dinge, über die wir nicht mehr nachdachten. Sie waren sprachlos und überwältigt von dem Überangebot an Waren, dem sie in den Geschäften und Kaufhäusern ausgesetzt waren."

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Caro Wedekind

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