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Zehn Jahren Youtube: Haare, Hanf und Schund: Die besten Videos aus Berlin

Im April 2005 wurde das erste Video auf Youtube hochgeladen. 10 Jahre später geht nichts mehr ohne die Internetplattform. Diese Videos haben die Stadt besonders bewegt.

Eines der berühmtesten Youtube-Videos zeigt einen jungen Mann, der vor einem Elefantengehege steht. Er erzählt etwas über die langen Rüssel, 18 verwackelte Sekunden lang. Nicht besonders spannend eigentlich, doch trotzdem legendär. Denn es ist das erste Video, das auf der Internetplattform Youtube hochgeladen wurde. Der Elefantenbeobachter ist Jawed Karim, der mit zwei Kollegen die Video-Plattform gründete. Ende April 2005 war das. Ein Jahr später zahlte Google 1,65 Milliarden Dollar für Youtube. Seitdem wurde das Video mit den Elefanten 21 Millionen Mal angeklickt. „Me at the Zoo“ heißt es. Damals war die Welt noch in Ordnung.

Heute zeigt das meistgeklickte Video auf Youtube einen nicht ganz vollschlanken Koreaner, der tanzt, als würde er ein Pferd reiten. Jeder kennt ihn inzwischen, Psys „Gangnam Style“ ist ein Welthit geworden – und alles begann auf Youtube. Ähnlich erging es dem Berliner Rapper MC Fitti, der mit einem Gaga-Video begann und inzwischen gutbezahlte Werbefigur mit Plattenvertrag ist.

Seit Youtube kann jeder über Nacht berühmt werden, innerhalb weniger Sekunden sein Video in die ganze Welt verbreiten. Es gibt nichts mehr, wozu es kein Video gibt: Anleitungen zum Gitarrestimmen und Waschmaschine-Reparieren, Haartutorials, Stand-up-Comedy. Oder es läuft einfach zwei Stunden lang ein Föhn, der das Baby beruhigt.

Auch Berlin hat sich in zehn Jahren mit Youtube verändert. Nichts bleibt mehr ungesehen. Am Rande einer Demo gerieten beispielsweise Polizisten am Görlitzer Park mit einem Mann mit Clownsnase aneinander, das Video wurde zum Politikum, wochenlang diskutierte die Stadt über Polizeigewalt und Kreuzberger Verhältnisse. Mittlerweile ist es für Minderjährige gesperrt, weil es „möglicherweise für manche Nutzer unangemessen“ sei.

Unangemessen fanden manche auch das Video von Polizisten in Wedding. Sie stellten Ende 2013 einen Rap-Song über ihren Abschnitt 36 auf Youtube. Schwarzweiß, Überblendungen wie in einer Powerpointpräsentation in der siebten Klasse. Drogen, Waffen wie im Gangster-Clip. Dürfen die das, fragten einige. Antwort: Ja, es verbessere das Image der Polizei. Auch der Innensenator fand’s gut.

Polizisten, die rappen, Lehrer, die rappen, Berliner, die auf dem Tempelhofer Feld tanzen, New Yorker, die am Alex tanzen. Und Politiker, die vor Hanf posieren.

Es war die Zeit, zu der sich tausende Menschen Eiswasser über den Kopf gekippt haben – zunächst, um auf die Nervenkrankheit ALS aufmerksam zu machen. Doch die Sache verselbstständigte sich, ein gutes Beispiel für die virale Macht von Youtube. Auch Cem Özdemir, Bundesvorsitzender der Grünen, kippte sich Wasser über den Kopf – nur dass auf seinem Balkon eine riesige Hanfpflanze wuchs. Später nannte er das Ganze ein „sanftes politisches Statement“, die Ermittlungen gegen ihn wurden eingestellt.

Zum Glück ist nicht alles nur Trash, manchmal setzt sich bei Youtube auch Kunst durch. Wunderschön ist zum Beispiel „Little Big Berlin“ von „Pilpop“: Neun Minuten lang Menschen und Fahrzeuge im Berliner Alltag, aufgenommen aus luftigen Höhen, beschleunigt im Zeitraffer, verschwommen die Ränder – wie in einer Modeleisenbahnlandschaft, unterlegt mit Franz Liszts „Ungarische Rhapsodie No.2“. Der Lohn: mehr als 200 000 Aufrufe.

Etwas poppiger ging es im Sommer 2013 zu, als sich hunderte Berliner am Alexanderplatz trafen, um den „Harlem Shake“ zu tanzen. Ein paar Monate zuvor hatte der US-Komiker Filky Frank ein 36-sekündiges Video mit 93 Beats pro Minute hochgeladen, millionenfach angeklickt, tausendfach kopiert. Auf einmal zappelten überall bizarr verkleidete Menschen herum.

Einen ähnlichen Effekt hatte Pharell Williams 24-Stunden-Video des Mega-Hits „Happy“: Alle wollten happy tanzen. Auch auf dem Tempelhofer Feld entstand ein Clip, der wie ein Werbefilm für Berliner Freiheit wirkt: Jongleure, Hoola-Hoop-Reifen, Seifenblasen, Kinder. Natürlich bei Sonnenschein.

Ziemlich entspannt ließ es auch Dirk-Christian Stötzer angehen. Der Lehrer imitierte als Abschied aus dem Schuldienst am Friedrich-Ebert-Gymnasium in Wilmersdorf Musiker Friedrich Liechtenstein und dessen Supermarkt-Werbefilm „Supergeil“. Statt über supergeilen Dorsch reimt der Lehrer: „Super Latte, super Mathe“. Stilecht mit grauem Rauschebart und Sonnenbrille.

Der Mann sollte mal über eine Fortsetzung nachdenken. Die Berliner Rayk Anders, Elisa Kopp und Borja Schwember haben damit ziemlich gute Erfahrungen gemacht. Alle verdienen inzwischen Geld mit Werbung auf ihren Kanälen, die Nutzer abonnieren können, um regelmäßige Videos zu bekommen. Der 26-jährige Anders kommentiert auf seinem Kanal „Armes Deutschland“ äußerst ironisch aktuelle Themen – zum Beispiel, warum Eltern ihre Kinder nicht impfen lassen sollten, ausländerfeindliche Parolen oder Merkels Wahlvideo. Er sitzt dabei meist auf der Couch oder am Tisch, im Hintergrund ein volles Bücherregal.

Ähnlich präsentiert sich der 38-jährige Schwember, besser bekannt als Dr. Allwissend – meistgeklickt: Wie mache ich Bubble Tea selbst. Die Modemacherin Elisa Kropp hat seit Juni 2010 ihren eigenen Kanal, auf dem sie Tutorials rund um Styling gibt und zeigt, wie man selbst Schmuck und Dinge für den Alltag produzieren kann. Alles, was sie in ihren Videos zeigt, sei es das „Hase häkeln für Anfänger“ oder die „perfekte Schleife in 30 Sekunden mit Gabel“, lässt sich einfach nachmachen – und mehr als eine Million Menschen schauen sich das an.

Überhaupt ist Youtube die Plattform für Partikularinteressen. Zum Beispiel für Pufferküsser. Wie gut, dass Lokführer gern ihre Kamera hinter die Windschutzscheibe klemmen. Monoton-langsame (und für Nicht-Bahn-Fans oft irritierend langweilige) Videos aus einer Perspektive, die normale Fahrgäste nicht kennen – Lokführer haben alles im Blick. Und manchmal noch viel mehr: Denn mit der S-Bahn-Führerstandsmitfahrt geht es sogar in den unterirdischen, eigentlich geschlossenen Flughafenbahnhof am BER.

Populär wurde Youtube in Deutschland übrigens mit dem verwackelten Video „Kleiner Hai“: 20 Millionen Aufrufe und Platz 25 in den Charts. Der Song von Alexandra Müller war derart populär, dass sie einen Plattenvertrag bekam. Später stellte sich heraus, dass „Alemuel“, wie sie selbst vorgab, keine 17-jährige Schülerin war, sondern eine 25-jährige Studentin. Willkommen auf Youtube.

HIER DIE LISTE DER VIDEOS ZUM ANSCHAUEN:

Ice Bucket Challenge mit Cem Özdemir

Führerstandsmitfahrt S-Bahn Berlin Flughafen Schönefeld - Flughafen Berlin-Brandenburg

Alltags Frisuren - 4 Frisuren für Arbeit Uni Schule - schnell und einfach

Brutaler Polizeiübergriff, 5. Juli 2014, Berlin Kreuzberg (Görlitzer Park)

Angela Merkel: Wahlspot-Analyse [ARMES DEUTSCHLAND]

Wild Wedding - Cop Thirty-Six - Abschnitt 36

Superlehrer Superjob Supergeil - inoffizielle Hommage an Dirk S.

Little Big Berlin - by pilpop

Bubble-Tea selber machen — Doktor Allwissend

Kleiner Hai

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