Brandschutzaffäre um die Rigaer 94: Grüne und Linke stützen Baustadtrat Florian Schmidt
Die Mehrheit der Bezirksverordneten in Friedrichshain-Kreuzberg lehnt eine FDP-Rücktrittsforderung ab. Die CDU will im Innenausschuss über die Vorgänge beraten.
Der Hotspot der linksextremen Szene in Friedrichshain gilt als brandgefährlich. Das teilbesetzte Haus der Rigaer Straße 94 wurde von Bewohnern regelrecht verbarrikadiert, offenbar mit Duldung des zuständigen Baustadtrats Florian Schmidt (Grüne), der jahrelang per Weisung verhindert haben soll, dass Beamte der bezirklichen Bauaufsicht wegen der Verstöße gegen den Brandschutz einschreiten konnten.
Schmidt selbst rechtfertigte sein Vorgehen mit einer „Ermessensentscheidung“, unterstützt von Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne). Doch trotz der schweren Vorwürfe, die sich auf Unterlagen des Bezirksamts stützen und durch Recherchen des RBB bekannt wurden, hat die Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg (BVV) dem umstrittenen Grünen-Politiker am Donnerstagabend zunächst Rückendeckung gegeben.
Einer Resolution, mit der die zweiköpfige Gruppe der FDP den Rücktritt Schmidts als Baustadtrat forderte, erteilte die Mehrheit der BVV eine Absage. „Mit der Verhinderung der Durchsetzung von bauordnungsrechtlichen Maßnahmen und des Brandschutzes hat Florian Schmidt eine weitere Grenze überschritten“, hieß es in der von der FDP-Gruppe eingebrachten Resolution.
Doch eine Überweisung des Antrags in den Stadtplanungsausschuss scheiterte an den Gegenstimmen der Bezirksverordneten von Linken und Grünen, SPD, CDU und die Partei enthielten sich. Obwohl das Bezirksamt seit 2016 dazu aufgefordert wurde, die Brandschutzmängel zu beheben, habe man „die schützende Hand über die Rigaer 94 gehalten“, kritisierte Antragsteller Michael Heihsel. Der Baustadtrat habe weder Respekt vor dem Gesetz noch vor der BVV, deswegen forderte der FDP-Verordnete dessen „würdevollen Rücktritt“.
Liberale sprechen Schmidt den Respekt vor dem Gesetz ab
„Wir wollen uns erst selbst ein Bild machen“, entgegnete der SPD-Fraktionsvorsitzende Sebastian Forck. So habe die SPD für den Stadtplanungsausschuss Einsicht in die Akten zur Brandschutzaffäre beantragt. „Die Fakten liegen noch nicht auf dem Tisch“, begründete Forck die Enthaltung seiner Partei und verwies auch auf die Ergebnisse des Landesrechnungshofes zur Aktenuntreue der „Diese eG“, die am 5. Oktober vorliegen sollen. Darauf werde man die Entscheidung eines erneuten Misstrauens basieren.
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Die Baugenossenschaft spielt eine zentrale Rolle beim kommunalen Häuserkauf, den der Baustadtrat mit Elan vorantreibt. Wegen des Verdachts der Steuergeldverschwendung im Zusammenhang mit den Immobiliengeschäften ermittelt die Staatsanwaltschaft Berlin seit Monaten gegen Schmidt. Die BVV hatte Florian Schmidt bereits im Mai 2019 in Verbindung mit der Gestaltung der Begegnungszone Bergmannstraße ihr Misstrauen ausgesprochen.
Sollten sich die Vorwürfe gegen den Baustadtrat aufgrund der Akteneinsicht im Ausschuss bestätigen, „habe ich Bedenken, ob er für das Amt sachlich geeignet ist“, erklärte der CDU-Bezirksverordnete Götz Müller. Allerdings ist auch die CDU der Meinung, dass die Beweise noch nicht vorliegen. Die „Rigaer 94“ habe überdies nichts mit dem Vorkaufsrecht zu tun, sagte Götz in Bezug auf die Resolution, in der auch andere Vorfälle wie die Vorkaufsprojekte in der Karl-Marx-Allee aufgeführt wurden.
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Die Vorgänge um den Brandschutz im autonomen Hausprojekt Rigaer 94 waren am Donnerstag auch Thema im Abgeordnetenhaus. Innensenator Andreas Geisel (SPD) und Vertreter der rot-rot-grünen Fraktionen wiesen im Parlament darauf hin, dass die Innenverwaltung als Bezirksaufsicht ein Prüfverfahren eingeleitet habe. Dabei gehe es um die Frage, ob das Bezirksamt rechtmäßig gehandelt habe. Die Ergebnisse dieses Verfahrens gelte es abzuwarten. Hauptproblem bei der Durchsetzung von Brandschutzregeln sei, dass der Eigentümer des Gebäudes unbekannt sei beziehungsweise keinen anerkannten Vertreter in Berlin habe.
Die CDU beantragt Sondersitzung des Innenausschusses
Deutlicher wurde die Opposition. Es sei ein Skandal, dass das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg womöglich über Jahre rechtswidrig vorgegangen sei, ohne dass der Senat dem einen Riegel vorschiebe, erklärten Vertreter von CDU, AfD und FDP in einer Parlamentsdebatte.
„Es ist eine Chronologie des jahrelangen vorsätzlichen Rechtsbruchs, begangen durch Bezirksstadtrat Florian Schmidt unter Zuhilfenahme der dortigen Bezirksbürgermeisterin“, sagte CDU-Fraktionschef Burkard Dregger. Auf Antrag seiner Fraktion wird am kommenden Montag der Innenausschuss des Abgeordnetenhauses in einer Sondersitzung über die Vorgänge beraten. (mit dpa)