Vorkaufspolitik mit Folgen: Deshalb ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Kreuzbergs Baustadtrat Schmidt
Ärger in Friedrichshain-Kreuzberg: Nach der „Diese-eG“-Affäre wird gegen Baustadtrat Schmidt ermittelt. Es geht um den Vorwurf der Steuergeldverschwendung.
Friedrichshain-Kreuzbergs grüner Baustadtrat Florian Schmidt hat Ärger mit der Justiz und dem Landesrechnungshof. Hintergrund sind die Umstände des Vorkaufs von mehreren Miethäusern des Bezirks zugunsten der Genossenschaft „Diese eG“. Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt laut eigenen Angaben seit mehreren Monaten gegen Schmidt.
Er würden „Ermittlungen wegen des Verdachts der Haushaltsuntreue im Zusammenhang mit der Diese eG geführt“, sagte eine Sprecherin auf Anfrage und bestätigte damit einen Bericht der „B.Z.“.
Zunächst sei nicht ermittelt und das Verfahren „aufgrund unzureichender tatsächlicher Anknüpfungspunkte für ein strafrechtlich relevantes Verhalten“ eingestellt worden, sagte die Sprecherin. Dann, im Mai 2020, sei das Verfahren „aufgrund neuer Erkenntnisse wieder aufgenommen“ worden. Wegen „zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte“ seien dann Ermittlungen zu den Folgen der Immobiliendeals eingeleitet worden. Untersucht wird demnach nun, ob Schmidt Steuergeld verschwendet hat.
Und auch der Landesrechnungshof hat sich mit den Vorgängen rund um die „Diese eG“ befasst. In einer im Juli vorgelegten Prüfmitteilung an das Bezirksamt soll der Rechnungshof schwere Fehler und Mängel festgestellt haben. Der Rechnungshof will sich auf Anfrage nicht zum Ergebnis der Prüfung äußern. Ein Sprecher verwies auf den Jahresbericht des Rechnungshofes, der Anfang Oktober an das Abgeordnetenhaus übergeben und veröffentlicht werden soll.
Der Fall der Diese eG und das Eingreifen des Baustadtrates Schmidt soll nach aktuellem Stand ebenfalls im Bericht erwähnt werden. Das heißt: Die Prüfer sind offenbar bei der Untersuchung der Vorgänge „auf Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit“ der Haushalts- und Wirtschaftsführung offenbar fündig geworden.
Prominenter Rechtsanwalt schreibt dem Landesrechnungshof
Verwunderung herrscht beim Landesrechnungshof über Schmidts Gebaren. Denn nicht nur das von Monika Herrmann (ebenfalls Grüne) geführte Bezirksamt gab – wie es für betroffene Behörden des Landes Berlin üblich ist – eine Stellungnahme zur Prüfmitteilung des Rechnungshofes ab. Beim Rechnungshof kam ein zweites Schreiben zur Prüfmitteilung an. Eine Sprecherin des Bezirksamtes bestätigte, dass „ergänzend“ eine Stellungnahme des prominenten Rechtsanwalts Johannes Eisenberg verschickt wurde.
Als die „B.Z.“ zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft angefragt hatte, reagierte nicht das Bezirksamt – sondern ebenfalls Eisenberg. Es gebe keinen Anlass, über die Ermittlungen gegen Schmidt zu berichten, hat der Anwalt dem Blatt geschrieben haben. Er gehe davon aus, dass es „keine strafbaren Handlungen seinerseits gibt“.
Auf Tagesspiegel-Anfrage erklärte das Bezirksamt nun, dass Eisenberg gar nicht für das Bezirksamt aktiv geworden sei. „Über Mandatsverhältnisse dieses Rechtsanwaltes liegen dem Bezirksamt keine Erkenntnisse vor, da dieser nicht vom Bezirksamt beauftragt ist“, erklärte eine Sprecherin. Zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wollte sie nicht Stellung nehmen. Auch zur Prüfmitteilung und zum Entwurf des Rechnungshofes für den Jahresbericht äußert sich das Bezirksamt nicht. Es „möchte dem Jahresbericht 2020 des Landesrechnungshofs (...) inhaltlich nicht vorgreifen“, sagte die Sprecherin.
Bezirksaufsicht prüft: Greift der Senat ein?
Auch die Bezirksaufsicht ist mit dem Fall befasst. Der Rechnungshof habe seine Prüfung abgeschlossen, dessen Mitteilung werde nun ausgewertet, sagte ein Sprecher der Innenverwaltung. Die Stellungnahme des Bezirks liege aber noch nicht vor. Daher könne der Vorgang noch nicht abschließend ausgewertet werden.
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Ob der Senat eingreift, eigene Maßnahmen oder Anweisungen an den Bezirk erteilt, wird entschieden, wenn das Ergebnis des Verfahrens vorliegt. Nach dem Berliner Landesrecht überwacht die Bezirksaufsicht, ob die Bezirke die Rechts- und Verwaltungsvorschriften einhalten. Untersucht wird demnach, ob die Genossenschaft nicht ausreichend leistungsfähig war für den Vorkauf der Immobilien und ob daher Haftungsrisiken für die Steuerzahler bestehen.
Hauskauf ohne Geld: 190.000 Euro Verlust für Bezirk
Die im Frühsommer 2019 gegründete „Diese eG“ hatte sich durch den Kauf mehrerer Häuser, sechs in Friedrichshain-Kreuzberg und eines in Tempelhof, finanziell übernommen und stand vor der Insolvenz. Obwohl die Genossenschaft noch keine tragfähige Finanzierung vorlegen konnte, etwa Landesgelder ohne verbindliche Zusage eingeplant hatte, bekam sie den Zuschlag. Dabei hatten selbst landeseigene Wohnungsgesellschaften den Kauf der Immobilien wegen fehlender Wirtschaftlichkeit abgelehnt.
Am Ende fehlte der „Diese eG“ das Geld, um für ein Haus in der Rigaer Straße die fälligen Summen zu überweisen, eine andere Genossenschaft sprang ein. Das Bezirksamt blieb auf Verlusten in Höhe von 190.000 Euro sitzen. Schließlich setzte der Senat eine Förderrichtlinie für Genossenschaften auf, damit diese beim Vorkaufsrecht finanziell unterstützt werden können – ausdrücklich mit Bezug zur „Diese eG“.
Opposition sieht auch Senatsmitglieder in der Verantwortung
Für Zuschüsse des Landes und Darlehen der Förderbank IBB wurden die Richtlinien aufgeweicht. Es geht um mehr als 20 Millionen Euro, um die bezirklichen Vorkaufsfälle abzusichern. Die Opposition sieht deshalb auch Senatsmitglieder in der Verantwortung. Es dränge sich der Verdacht auf, „dass der grüne Skandal-Stadtrat Schmidt sich der Untreue zu Lasten des Steuerzahlers strafbar gemacht hat“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Stefan Evers.
Er hat die Unterlagen verschiedener beteiligter Behörden zu dem Fall gelesen. „Die Akten des Senats zum Fall Schmidt lesen sich streckenweise wie ein Wirtschaftskrimi, und sie werfen Fragen auf, die nicht nur die Grünen betreffen“, sagte Evers. „Florian Schmidt hatte eine Reihe von Mittätern im Senat.“ Der CDU-Abgeordnete spricht von „rot-rot-grünem Machtmissbrauch“. „Nach monatelangen Recherchen bin ich sicher, dass es sich bei dem heute öffentlich gewordenen Untreue-Vorwurf nur um die Spitze eines Eisbergs handelt, der weit in die Tiefen des Senats reicht.“
Am Zuschnitt der Förderung auf die Genossenschaft waren drei Senatoren beteiligt: Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD), Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) und der heutige Bausenator Sebastian Scheel (Linke).