Raumfahrt: Ground Control to Berlin
Astronaut Alexander Gerst wurde mit der Urania-Medaille geehrt. Irgendwie logisch, schließlich hat die Stadt ein reiches Raumfahrterbe.
Wie rasiert man sich eigentlich im Weltraum die Glatze? Alexander Gerst hat es via Twitter fast 850 000 Followern und unzähligen Kindern in der „Sendung mit der Maus“ gezeigt. Millionen von Zuschauern hat er mitgenommen zu Sportchecks, in seine Schlafkabine auf der Weltraumstation ISS und zu einem Ausflug nach draußen. Aus den Tiefen des Alls sendete er Fotos, erklärte Planeten, drehte Filme über den Alltag des Teams. Alexander Gerst ist damit der Astronaut, der die Raumfahrt hierzulande wieder populär gemacht hat.
Dafür bekam er am Dienstagabend die Urania-Medaille 2017. Seit 1988 ehrt der Verein damit Personen, die hervorragend in ihrem Fach sind und gleichzeitig versuchen, der Öffentlichkeit davon etwas mitzugeben. Verdient hat er sich die nach der griechischen Muse der Sternkunde benannte Ehrung bei der ESA-Mission „Blue Dot“, die ihn 2014 für sechs Monate auf die ISS geführt hatte. Mit seiner Teilnahme an dieser Mission, aber besonders mit seiner Präsenz im Internet hat er es geschafft, neue Aufmerksamkeit für das Thema Raumfahrt zu erregen und dabei auch andere wichtige Themen anzusprechen. Oder, wie es in der Begründung der Urania heißt: „Er hat uns mit traurig werden lassen über die Umweltschäden oder die Erkenntnis, dass die Vorgänge, die er im Nahen Osten beobachten konnte, Kriegshandlungen waren. Er hat uns aber auch die Begeisterung spüren lassen, die die Weite des Kosmos und die Schönheit unserer Erde ausstrahlen.“
Für Laudator Jan Wörner, Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation ESA, ist das der entscheidende Punkt. Normale Bilder aus dem All seien gut, „doch wenn die gefühlten Momente mit dem Bild versandt werden, ist das noch viel mehr wert.“ Neugier schaffen und Verständnis, genau das wollte Gerst, wie er in seiner Dankesrede sagte. „Es ist wichtig, Wissenschaft und Erkenntnisse zu kommunizieren. Sonst ist sie komplett nutzlos. Wenn die Leute begeistert sind, dann verstehen sie auch.“
Der Regierenden Bürgermeister Michael Müller jedenfalls war von der „Sendung mit der Maus“ begeistert, wie er bekannte, und lobte Gerst, weil er Jugendliche für Klimapolitik sensibilisiere.
Das Raketenzeitalter begann auch in Tegel
Wie passend ist es da, dass die Ehrung nun ausgerechnet in Berlin stattfand. Klar, der Urania-Verein hat hier seinen Sitz, aber Berlin verfügt schließlich auch über ein reiches Erbe als Stadt der Weltraumfahrt. Bereits 1912 wurde in Adlershof die Luftfahrt-Versuchsanstalt gegründet. Und in Tegel, auf dem Areal des heutigen Flughafens, lag eine der Geburtsstätten des Raketenzeitalters. Im Jahr 1930 war dort von einem Verein um den Ingenieur Rudolf Nebel der „Raketenflugplatz Berlin“ gegründet worden. Nach diversen Pannen erfolgte am 18. Mai 1931 der erste reguläre Start von „Mirak 2“, ein ebenfalls nicht fehlerfreier Flug, immerhin wurden 60 Meter Höhe erreicht. Zwar glichen die Raketen des Vereins anfangs noch besseren Feuerwerkskörpern, stiegen mit ihrem Benzin-Sauerstoff-Gemisch bald aber schon auf 1500 Meter. 1934 übernahm das Heereswaffenamt die Forschungen, die in der Heeresversuchsanstalt Peenemünde mündeten. Auch Vereinsmitglied Wernher von Braun wechselte dorthin, entwickelte erst die V2, dann in den USA die Mondrakete Saturn V.
1981 gründete sich in Ost-Berlin das Institut für Kosmosforschung der Akademie der Wissenschaften, das 1990 mit seinem westdeutschen Pendant beschloss, Projekte und Wissen um das Weltall zusammenzuführen. 1992 wurde daraus das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, heute wichtiger Partner der NASA, mit der es unter anderem das Raumschiff Orion entwickelte, das im September 2018 unbemannt zum Mond fliegen soll. Auch ist das Zentrum einer der Hauptgeldgeber der Organisation „Women in Aerospace“, die 2020 die erste deutsche Astronautin ins All schicken wird.
Auch Sigmund Jähn kam zur Ehrung
Der erste Deutsche, der bei der Feier ebenfalls anwesende Kosmonaut Sigmund Jähn, war dort schon 1978, zusammen mit Waleri Bykonski. Beide erhielten die Ehrenbürgerschaft Ost-Berlins, nach dem Mauerfall ganz Berlins. Ihnen zu Ehren wurde die Springpfuhlstraße zur Allee der Kosmonauten. Selbst im Stadtbild ist die Weltraumfahrt präsent: So schuf der französische Streetart-Künstler Victor Ash 2007 eines der bekanntesten Graffiti-Werke der Stadt: „AstronautCosmonaut“ in der Oranienstraße.
Doch auch aktuell sucht Berlin nach seinem Platz im Weltraum: Das Start-up „Berlin Space Technologies“ entwickelt und produziert kleine Satelliten. Eines seiner Werke ist bereits in der Umlaufbahn: Der Minisatellit Kent Ridge 1 umkreist die Erde für eine Universität in Singapur.
Vielleicht wird Gerst ihm ja aus der Ferne zuwinken können. Im April 2018 geht es wieder ins All. Erneut für ein halbes Jahr auf der ISS, unter dem Missionsnamen „Horizon“. „Weil jeder, der daran beteiligt ist, über seinen persönlichen Horizont hinauswachsen wird“, erklärt Gerst. Das wird auch er, in seiner neuen Position als Kommandant der Station – ihr erster deutscher.
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