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Blick über den Hauptstadtflughafen in Schönefeld.
© dpa
Update

BER-Start im Oktober 2020 in Gefahr: Gravierende Mängel an Kabeln der Sicherheitssysteme

Die Technik funktioniert, doch Kabelpfusch gefährdet den BER-Start 2020. Die Baubehörde warnt, sie werde „keine Zugeständnisse“ bei der Sicherheit machen.

Er bleibt der Problem-BER in Deutschlands Hauptstadtregion – ob auf der Baustelle oder auch bei den Milliarden-Finanzen: Nach Tagesspiegel-Recherchen gefährden weiterhin gravierende Mängel an Kabeln der Sicherheitssysteme des künftigen Flughafens in Schönefeld den Zeitplan, um den BER im Oktober 2020 in Betrieb zu nehmen.

Und Dahme-Spreewald-Landrat Stephan Loge (SPD) stellte am Freitag erneut klar, dass sich die für den BER zuständige Baubehörde bei noch existierenden Sicherheitsmängeln nicht auf Kompromisse einlassen und keine Genehmigung für die Inbetriebnahme erteilen wird.

„Bei sicherheitsrelevanten Mängeln werden wir keine Zugeständnisse machen, auf keinen Fall“, sagte Loge dem Tagesspiegel. Er reagiert damit auf Aussagen des Chef der Objektüberwachung der Flughafengesellschaft im Berliner BER-Untersuchungsausschuss. Dieser hatte erklärt, dass man bei einem geringeren Teil von Mängeln am Ende auf das Entgegenkommen von Sachverständigen und Behörde setze, den Bau trotzdem abzunehmen.

Anlässlich der Sitzung des Aufsichtsrates der FBB, die Berlin, Brandenburg und dem Bund gehört, am Freitag in Tegel bekräftigte Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup den Starttermin: „Es bleibt dabei: Wir werden im Oktober 2020 eröffnen“, sagte er. „Es gibt noch Puffer“. FBB-Aufsichtsratschef Rainer Bretschneider sagte danach: „Für den Aufsichtsrat kann ich feststellen, dass für uns der Eröffnungstermin im Oktober 2020 nach wie vor sicher ist.“

Beide verwiesen auf die erfolgreichen Wirk-Prinzip-Prüfungen, die am Freitag – und damit sogar früher als geplant – abgeschlossen werden konnten. Das genaue Eröffnungsdatum will Lütke Daldrup im November bekannt geben.

„Weniger Probleme als befürchtet“

Bei dieser Generalprobe hatte der Tüv Rheinland in den vergangenen Wochen getestet, ob die Brandschutz- und Sicherheitssysteme – also Brandmelder, Entrauchung, Notfallwarnsystem – in 250 verschiedenen Brandszenarien auch im Zusammenspiel einwandfrei funktionieren. Es sei ein „großer Schritt“ zur Inbetriebnahme, so Lütke Daldrup.

„Es habe weniger Probleme gegeben als befürchtet“, sagte Bretschneider. Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) hatte am Donnerstag im Abgeordnetenhaus zu den Tests sogar erklärt: „Wenn sie erfolgreich abgeschlossen werden können, dann ist der Flughafen im Kern fertig.“

Doch davon ist der BER, auch wenn mit den Techniksystemen nach mehreren Jahren eine Hürde genommen ist, immer noch weit entfernt. Ehe der TÜV Rheinland und die Baubehörde den BER freigeben können, müssen gravierende Mängel an Sicherheitskabeln im Terminal beseitigt sein.

Es geht etwa um überbelegte Kabelschächte, zusammen verlegte Stark- und Schwachstromleitungen oder auch den nicht gewährleisteten Funktionserhalt im Brandfall, in dem solche Kabel teils 90 Minuten weiter funktionieren müssen. Auch das Problem nicht zugelassener Dübel ist noch nicht gelöst.

Überprüfung durch den TÜV verzögert sich

Der Flughafen setzt in zwei Fällen auf nachträgliche Zertifizierungen. In einem dritten Fall müssen Kabeltragsysteme nachgedübelt werden. Die bisher verwendeten Dübelart hatte bei Brandversuchen nicht gehalten.

Wie Lütke Daldrup bestätigte, müssen zudem zwischen Terminal und dem unterirdischem BER-Bahnhof darunter noch 36 Motoren von Rauchschürzen ausgetauscht werden, die dort die vorgeschriebene rauchfreie Schicht im Brandfall gewährleisten sollen. Im ersten Quartal 2020 werde das dann getestet, sagte er.

Noch im März hatte ein TÜV-Bericht 11.000 Mängel im Terminal aufgelistet und von nötigen Rückbauten gesprochen. Inzwischen hatte sich die Zahl sogar auf 16.250 Mängel erhöht.

Zwar arbeitet die Firma ROM, die nach der Pleite des Elektroausrüsters Imtech den Auftrag übernahm, auf Hochtouren an der Beseitigung.

Lütke Daldrup sagte, aktuell seien noch „15 Prozent der Mängel“ zu bearbeiten. Das wären noch rund 2400. Er betonte, dass darunter auch viele Nachweisthemen seien, also fehlende Dokumente oder Beschilderungen. Zu Jahresende soll das erledigt sein.

Der Bau des Hauptstadtflughafens Berlin Brandenburg (BER) "Willy Brandt" wurde 2006 begonnen.
Der Bau des Hauptstadtflughafens Berlin Brandenburg (BER) "Willy Brandt" wurde 2006 begonnen.
© dpa

Doch danach muss der TÜV Rheinland erneut prüfen, ob die Mängel tatsächlich behoben sind. Erst dann kann er die Freigabebescheinigung ausstellen, die die Flughafengesellschaft für die Baufertigstellungsanzeige braucht. Ursprünglich wollte die FBB diese Baufertigstellungsanzeige jetzt im Oktober 2019 – so war es noch im Januar verkündet worden – bei der Baubehörde einreichen.

Nun ist das nicht vor Februar 2020 möglich, da bis Jahresende Mängel beseitigt werden sollen – und der TÜV bis Februar für Nachprüfungen braucht. Im April soll schon der Orat-Probebetrieb beginnen, bei dem zunächst das Personal die Abläufe am BER übt, ab Sommer dann mit 20.000 Komparsen.

Das Geld wird knapp – und eine Wertberichtigung nötig?

Auch bei den Finanzen drohen Probleme. Und das nicht nur wegen des vorzeitigen Abflugs von Finanzgeschäftsführerin Heike Fölster, die wegen eines neuen Jobs um Vertragsauflösung gebeten hat. Der Aufsichtsrat wollte am Freitag die Nachfolgesuche starten. Fölster hatte zuletzt erklärt, dass die laufende Finanzierung des Projektes, bei dem die Kosten von einst 2,5 Milliarden Euro auf 6,7 Milliarden Euro gestiegen sind, noch bis ins erste Quartal 2021 reiche. Große Reserven gibt es also nicht mehr.

Nach der geplanten BER–Eröffnung muss die bereits hoch verschuldete FBB kurzfristig neue Kredite in Höhe von 400 Millionen Euro aufnehmen und hofft auf weitere 105 Millionen Euro der Eigner.

Es ist nicht der einzige Ärger mit den Finanzen. „Der Spiegel“ berichtete am Freitag über immense Ausgaben für Berater- und Gutachterleistungen. Allein im Jahr 2018 soll die Flughafengesellschaft dem Magazin zufolge 174 Millionen Euro dafür bereitgestellt haben. Im Geschäftsbericht 2018 ist diese Summe unter außerbilanziellen Geschäften als „Bestellobligo aus erteilten Investitionsaufträgen“ ausgewiesen. „Die erteilten Investitions-/Beratungsaufträge betreffen im Wesentlichen Maßnahmen für den BER, u.a. Terminal, Tiefbau, Planung, Technische Infrastruktur sowie für die Ausbauprojekte.“ Dieser Posten betrug im Jahr 2017 sogar 346 Millionen Euro.

Mangelnde Transparenz wirft der emeritierte Wirtschaftsprofessor Hans Georg Gemünden von der Technischen Universität Berlin der FBB vor. Seit 2006 produziere der Berliner Flugbetrieb nur Verluste – bis heute 1,59 Milliarden Euro. Der bilanzierte Wert des BER habe sich aber von 2011 bis 2018 nahezu verdoppelt, von 2,5 Milliarden auf 4,9 Milliarden Euro. Gemünden hält das für womöglich „weit überhöht“ und rechnet mit einer erheblichen Wertberichtigung zur Inbetriebnahme des Flughafen. Es seit „zwar viel verbaut, aber schließlich kein neuer Flughafen seitdem gebaut“ worden, sagte er dem „Spiegel“. Finanzgeschäftsführerin Fölster wies die Vorwürfe zurück: „Wir bilanzieren nach Handelsrecht. Alles wird von Wirtschaftsprüfern geprüft und testiert.“

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