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Vor allem Grundschüler gehen immer häufiger aufeinander los.
© dpa

Berliner Erhebung zu Jugendgewalt: Gewalttäter werden jünger

Die Jugendgewalt ist rückläufig – aber nur bei den über 14-Jährigen. Hotspot bleibt Marzahn-Hellersdorf.

Marzahn-Hellersdorf bleibt Berlins Hotspot bei der Schulgewalt – mit weitem Abstand vor Neukölln und Mitte. Dies ist eines der zentralen Ergebnisse des aktuellen Monitorings zur Jugendgewalt in Berlin, das am Mittwoch präsentiert wurde. Insgesamt ist die Jugendgewalt allerdings in ganz Berlin seit 2007 weiter rückläufig.

Auffällig ist, dass es eine Verlagerung der Gewalt hin zu den Grundschulen gibt: „Die in den letzten Jahren zu verzeichnenden Zuwächse gehen ausschließlich auf die Grundschulen zurück“, heißt es in der Bilanz der Arbeitsstelle Jugendgewaltprävention, die das Monitoring verantwortet. Bei den Sekundarschulen gebe es hingegen „massive Rückgänge“. Während 2010 die Grundschulen noch 40 Prozent der Fälle ausmachten, sind es jetzt 56  Prozent der Gewaltvorfälle. Der aktuelle Bericht führt polizeiliche und schulische Daten aus dem Jahr 2014 zusammen.

Statzkowski: "Jugendgewalt ist auch immer ein Spiegel der Gesellschaft"

„Jugendgewalt ist auch immer ein Spiegel der Gesellschaft“, sagte Innen-Staatssekretär Andreas Statzkowski (CDU) bei der Vorstellung der Studie in der Neuköllner Werkstatt der Kulturen. Er wies aber auch darauf hin, „dass Jugenddelinquenz in der Regel lediglich periodenhaft aufttritt  und verschwindet, bevor Sanktionen notwendig sind“. Bei lediglich drei bis fünf Prozent der Fälle komme es zu wiederholten Straftaten. Die drei bis fünf Prozent Intensivtäter verursachen laut Statzkowski 40 bis 50 Prozent der Straftaten. Auf die polizeilichen Zahlen aus 2015 bezogen sagte der Staatssekretär, dass gegen 26.000 junge Menschen unter 21 Jahren ein polizeiliches Ermittlungsverfahren geführt wurde, das sei jeder 24. Berliner Jugendliche.

Die soziale Lage spielt eine große Rolle

Die Forschergruppe des Monitorings verwies auch auf die starke Korrelation von Schulklima, Schuldistanz, Armut, Perspektivlosigkeit sowie häuslicher Gewalt mit der Verbreitung von Kinder- oder Jugendgewalt. Dabei kommt auch die soziale Lage ins Spiel, die in Marzahn-Hellersdorf mit seiner hohen Zahl an arbeitslosen Alleinerziehenden besonders prekär ist. Die Zahl der Schulgewaltvorfälle liegt hier sechsmal höher als in Steglitz-Zehlendorf, wo die Polizei 2014 auf 100.000 Schüler 125 Rohheitsdelikte an Schulen gezählt hatte. In Marzahn-Hellersdorf waren es 746. Hotspots schulischer Belastung gibt es zudem regional in Neukölln, Mitte, Kreuzberg, Wedding und Moabit.

Gewaltprävention an Schulen sehr wichtig

Eine besondere Rolle in der Gewaltstatistik kommt weiterhin den Ausgehmeilen zu, insbesondere in Friedrichshain-Kreuzberg. Zu den Ausgehmeilen, die am stärksten von Jugendkriminalität betroffen sind, gehören neben der Gegend um die Skalitzer Straße auch der Kurfürstendamm, Alexanderplatz, Moabit Ost und die Region um die Osloer Straße. Im Hinblick auf die Gewaltstatistik jenseits der Schulen ist denn auch nicht Marzahn-Hellersdorf an erster Stelle, sondern der Bezirk Mitte. Dort gebe es inzwischen aber Rückgänge, während die Jugendgewalt in Friedrichshain-Kreuzberg „sprunghaft“ angestiegen sei.

Albrecht Lüter von der Arbeitsstelle Jugendgewaltprävention kündigte an, dass die Forscher das Phänomen Marzahn-Hellersdorf künftig genauer untersuchen wollen. Er wies auch darauf hin, dass die schulische Gewaltstatistik höhere Gewaltzahlen zeige als die Polizeistatistik. Dies führt Lüter darauf zurück, dass die Schulen auch „geringfügige“ Vorfälle melden müssen. Insgesamt sieht er „keinen Grund zur Dramatisierung“. Er wies auf die hohe Bedeutung von schulischer Gewaltprävention hin und begrüßte, dass die Prävention auch in den neuen Rahmenplänen fest verankert sei.

Die Vorstellung des Gewaltberichts war Teil eines Fachtags mit Akteuren aus Schule, Sozialarbeit und Polizei. Neuköllns Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) mahnte zu Beginn des Fachtags zur Prävention. Wenn die Familien keine Geborgenheit vermitteln könnten, müssten Kita und Schule die Kinder „behüten“. Zudem sei Perspektivlosigkeit „die Keimzelle der Jugendkriminalität“.

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