SPD in Berlin: Genossen machen Druck auf Klaus Wowereit
SPD-Kreisverbände wollen, dass der seit 2001amtierende Regierende Bürgermeister endlich Klarheit in eigener Sache schafft. Er soll offen sagen, dass er geht. Denn die Partei will die Nachfolge von Klaus Wowereit klären.
In der Berliner SPD wächst der Druck auf den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit, über seine politische Zukunft möglichst bald Klarheit zu schaffen. Dies könnte schon Ende September auf einer Klausurtagung des SPD-Landesvorstands geschehen. Die Kreisverbände im Osten der Stadt sind offenbar besonders unzufrieden mit der Situation. In der jüngsten Meinungsumfrage erreichten die Berliner Sozialdemokraten nur noch 21 Prozent und Wowereit rutschte in der Beliebtheitsskala des Instituts Forsa auf den letzten Platz ab.
So forderte der Geschäftsführende SPD-Kreisvorstand in Marzahn-Hellersdorf den Regierenden Bürgermeister einstimmig auf, sich noch 2014 zu positionieren. „Dann wird mit ihm alles Weitere besprochen“, sagte der Kreischef und Bezirksbürgermeister Stefan Komoß. Der Kreisvorsitzende in Treptow-Köpenick, Oliver Igel, wies auf die Vorstandsklausur im nächsten Monat hin. „Dort gehört auch die Frage hin, mit welchem Führungspersonal wir in den Wahlkampf ziehen und wie der nächste Spitzenkandidat nominiert wird“, sagte Igel am Montag dem Tagesspiegel.
Pankows SPD-Kreischef Alexander Götz will zwar nicht öffentlich darüber reden, wann der richtige Zeitpunkt sein könnte, sagte aber: „Wir werden mit Klaus Wowereit darüber beraten, wie es weitergeht und gemeinsam eine Lösung finden.“ Auch der Lichtenberger SPD-Kreisvorsitzende Ole Kreins kritisierte die vorpreschenden Genossen in Marzahn-Hellersdorf nicht in der Sache, sondern weil deren Chef Komoß sich öffentlich gegen Wowereit positioniert hat. „Wenn er meint, dass diese Debatte notwendig ist, soll er es den Parteigremien vortragen.“
Planwechsel bei der SPD
Eigentlich wollte Klaus Wowereit erst Ende 2015 entscheiden, ob er bei der Berliner Wahl im Herbst 2016 wieder als SPD-Spitzenkandidat antritt. Aber der Plan ist wohl nicht mehr zu halten. Die Meinungsumfragen sehen die Sozialdemokraten, die in Berlin seit 25 Jahren regieren, im Sinkflug, und der Regierende Bürgermeister ist so unbeliebt wie kein anderer Regierungschef in den 16 Bundesländern. Das erhöht den Druck, nicht nur auf Wowereit, sondern auf die gesamte SPD-Führung um den Landeschef Jan Stöß, rechtzeitig Klarheit zu schaffen, mit welchem Führungspersonal die größte Berliner Regierungspartei in den nächsten Wahlkampf ziehen will.
Der turnusmäßige Landesparteitag der Sozialdemokraten im November käme dafür zu spät. Außerdem würde in diesem Fall der schwelende Personalstreit in der SPD auf offener Bühne ausgetragen. Gleiches gilt für die Jahresklausur der SPD-Abgeordnetenhausfraktion im Januar 2015, zumal die Fraktion nicht dafür da ist, parteipolitische Probleme zu lösen. Der SPD-Landeschef Stöß wird seinem ärgsten Konkurrenten, dem Fraktionschef Raed Saleh, das Heft des Handelns wohl auch nicht überlassen wollen.
Eine Klausurtagung für die Wahlkampfstrategie
Deshalb dürfte es kein Zufall sein, dass der SPD-Landesvorstand für den 26. September eine Klausurtagung einberufen hat. Dort sollen Strategien für den Wahlkampf 2016 beraten werden. Dazu gehört die Vorbereitung eines Wahlprogramms, unter Einbeziehung der Parteibasis. Darüber hinaus erwarten Teile der Partei, dass Wowereit während der Klausur erklärt, als Spitzenkandidat nicht noch einmal zur Verfügung zu stehen. In einigen SPD-Kreisverbänden wird darüber mehr oder weniger offen geredet.
Den Anfang machte der engere Kreisvorstand in Marzahn-Hellersdorf, der den Regierungschef jetzt einstimmig aufforderte, sich noch 2014 zu positionieren. Der SPD-Kreischef in Treptow-Köpenick, Oliver Igel, nahm den Ball am Montag auf und verwies ausdrücklich auf die Klausur. „Dort gehört auch die Frage hin, mit welchem Führungspersonal wir in den Wahlkampf ziehen und wie der nächste Spitzenkandidat nominiert wird.“
Andere Bezirksfunktionäre äußerten sich zurückhaltender, widersprachen aber nicht in der Sache, sondern kritisierten, dass die Debatte nun öffentlich geführt wird. So empfahl der Lichtenberger Kreisvorsitzende Ole Kreins dem Parteifreund Komoß: „Wenn er meint, die Nachfolgediskussion führen zu müssen, sollte er dies in den Parteigremien tun.“ Versöhnliche Töne schlug der Pankower SPD-Kreischef Alexander Götz an: „Wir werden gemeinsam mit Klaus Wowereit eine Lösung finden.“ Ein anderer Genosse, der nicht genannt werden wollte, hielt es für „wünschenswert, dass sich Wowereit zeitnah erklärt“. Damit sei wohl auch zu rechnen. Nur der Reinickendorfer SPD-Kreischef Jörg Stroedter äußerte sich offen kritisch. „Ich halte nichts von der Debatte, das ist der falsche Zeitpunkt.“
Seit der Wiederwahl des Parteichefs Stöß, der sich zum Thema nicht äußern will, gibt es verstärkte Bemühungen, mit dem seit 2001 amtierenden Regierungschef Wowereit in vertraulichen Gesprächen eine gemeinsame Lösung zu finden. Gleichzeitig nimmt in der Berliner SPD die Nervosität und Ungeduld spürbar zu. Eine einvernehmliche Nachfolgeregelung wird auch dadurch erschwert, dass es mehrere Genossen gibt, die sich für die Spitzenkandidatur interessieren: SPD-Landeschef Stöß, Fraktionschef Raed Saleh, Stadtentwicklungssenator Michael Müller, Arbeitssenatorin Dilek Kolat und möglicherweise auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Eva Högl. Selbst der parteilose Finanzsenator Ulrich Nußbaum gilt wieder als möglicher Kandidat. Eine Mitgliederbefragung im SPD-Landesverband ist die wahrscheinlichste Variante für die Kür des Spitzenkandidaten. Wer das innerparteiliche Rennen gewinnen könnte, gilt derzeit als völlig offen.