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Rolltreppe im U-Bahnhof Hermannplatz.
© Doris Spiekermann-Klaas

Sicherheit im Berliner Nahverkehr: Gegen Angst in der U-Bahn hilft nur mehr Personal

Berlin braucht Bahnhöfe, in denen man sich Tag und Nacht sicher fühlt, mit präsentem Personal, mit modernen Zügen und kurzen Taktzeiten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Auf dem Papier ist alles bestens. Im Berliner Nahverkehr steigen seit Jahren die Nutzerzahlen, und die BVG ist nach eigenen Angaben so sicher, dass ein Fahrgast 900 Jahre täglich fahren müsste, um Opfer einer Straftat zu werden. In der realen Welt berichten Fahrgäste dagegen über die Zunahme von aggressiven Jungmännern, wegschauenden Wachleuten, offen agierenden Dealern, schamlos urinierenden Alkoholikern, und sprechen vom Angstraum U-Bahn.

Was nach getrennten Welten klingt, ist tatsächlich die Realität im Berliner Untergrund. Und eine der zentralen Herausforderungen für eine moderne Metropolenstrategie. Freie Bewegung ist eines der fundamentalen Versprechen der Großstadt; Mobilität und Sicherheit sind deswegen untrennbar. Vor allem für die Stadt, die seit Jahren vom Zuzugsboom profitiert, der Berlin zugleich an Grenzen bringt.

Wer die Wachstumsschmerzen lindern will, braucht vor allem einen entschlossenen Pragmatismus und eine Politik, die sich die Stadt nicht schön redet, sondern die Bürger und ihre ganz persönlichen Erfahrungen nicht ausblendet.

Auch wenn sich Verantwortliche – und tägliche Nutzer der U-Bahn – gegen Dramatisierungen wehren, zu beschönigen gibt es ebenfalls nichts. Ja, Berlin hat eines der attraktivsten Nahverkehrssysteme – das aber weit davon entfernt ist, eine Wohlfühlzone zu sein. Dass Großstädte immer auch Schattenseiten haben, mit Armut, Dreck und Kriminalität, ist zwar richtig – aber sie als unvermeidlich zu akzeptieren, darf eine verantwortungsvolle Stadtführung trotzdem nicht. Tatsächlich ist im Berliner Nahverkehr zu lange zu wenig passiert – weil es am Geld fehlte. Kein Personal auf den Bahnhöfen, zu wenig Polizeistreifen, marode und stinkende Stationen mit Gruselfaktor – die Liste des Mangels ist lang.

Jeder Fahrgast kennt Orte des Missbehagens

Schon wahr, dass es nicht in allen Stadtteilen und auf allen Linien mit dem Fahrschein eine Portion Unbehagen dazugibt. Aber sage keiner, es wäre nicht ruckzuck eine Übersicht über Problem-Linien oder Stationen zu erstellen, wo Pöbeleien, Vandalismus oder Kriminalität konzentriert auftreten. Jeder Fahrgast kann Orte des Missbehagens und der leisen Angst nennen, wo es ganz dringenden Handlungsbedarf gibt. Dort gilt es, den öffentlichen Raum mit allen Möglichkeiten des Rechtsstaats zurückzuerobern – ansonsten droht ein fataler Vertrauensverlust in eine zentrale Lebensfunktion der Stadt.

Das Gesamtbild des Nahverkehrs zu verbessern, benötigt jedoch weit mehr Zeit, auch wenn Senat, BVG und S-Bahn schon einiges getan haben. Es zeigt sich, dass die Ausstattung mit Kameras zur Aufklärung brutaler Attacken im Untergrund beigetragen hat. Das subjektive Sicherheitsgefühl aber hat dies nicht verbessern können. Ebenso wenig wie die Notrufsäulen. Das schafft nur anwesendes Sicherheitspersonal. Selbst wenn alle Schmuddelbahnhöfe dereinst saniert sind, wird es dort Obdachlose geben.

Sicherheit kann man verbessern, nicht aber Realität und Armut aussperren. Auch die nun geforderten Eingangssperren zu U-Bahnhöfen werden das nicht schaffen, wie man in den als Vorbild genannten Paris oder London sehen kann – abgesehen davon, dass die Kosten immens hoch und die Probleme angesichts der speziellen Berliner Bauweise der Stationen teilweise unlösbar sein werden. Preiswerter und hilfreicher ist dagegen eine massive Investition in Personal.

Der Weg für Berlin kann deshalb nur sein, den Nahverkehr so attraktiv und nutzerfreundlich wie möglich zu machen. Mit Bahnhöfen, in denen man sich Tag und Nacht sicher fühlt, mit präsentem Personal, mit modernen Zügen und kurzen Taktzeiten, um aggressiv machende Drängelei zu vermeiden. Berlin hat auch keine Wahl, wenn das Bevölkerungswachstum bewältigt und, wie vom Parlament beschlossen, die Stadt bis 2050 klimaneutral werden soll. Ohne massiven Umstieg in den öffentlichen Nahverkehr geht das nicht. Doch wen dort nur Unbehagen erwartet, bleibt lieber in seiner Blechkiste sitzen. Wer morgen die Verkehrswende schaffen und zugleich eine sichere Stadt haben will, muss deshalb heute im Berliner Untergrund handeln.

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