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Dieses Wochenende ist die Friedrichstraße zwischen Französischer Straße und Mohrenstraße eine Fußgängerzone.
© Bernd Friedel
Update

Autofreie Friedrichstraße: Fußgänger haben jetzt freie Bahn – mitten in Berlin

Seit 10.30 Uhr ist ein Teil der Friedrichstraße für Fahrzeuge gesperrt. Nicht jeder findet das gut – doch mehrere autofreie Wochen sind schon geplant.

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An diesem Wochenende bietet die Friedrichstraße ein ungewohntes Bild: Zwischen Französischer Straße und Mohrenstraße ist sie am Sonnabend und Sonntag für den Autoverkehr gesperrt. Stattdessen soll „ein Ort zum Flanieren, Verweilen und Einkaufen“ entstehen, sagt Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne).

Die ansässigen Geschäfte können auch am Sonntag öffnen, außerdem präsentieren sich nachhaltige Berliner Modelabels. Und Anbieter neuer Mobilitätsformen informieren über nachhaltige Verkehrskonzepte. Für die jüngsten Besucher steht ein Kinderbücherbus der Stadtbibliothek bereit. Außerdem versorgen einige Food-Trucks die Gäste mit Essen.

Die Flaniermeile wird von Bezirk, Senat und den Tourismuswerbern von Visit Berlin organisiert, finanziert wird die Aktion mit rund 60.000 Euro aus der City Tax. Am Sonnabend um 10.30 Uhr wurde die autofreie Zone unter dem Namen „Friedrich, the Flâneur“ vom Bezirksbürgermeister von Dassel und der Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) eröffnet. Das Projekt läuft noch bis zum Sonntagabend um 20 Uhr.

Einen Tag vor Beginn des autofreien Wochenendes bietet die Friedrichstraße noch ein gewohntes Bild: Passanten, Touristengruppen, Angestellte aus den vielen Büros und Läden der Gegend sowie abgestellte E-Roller und Fahrräder konkurrieren um den knappen Platz auf dem Gehweg. Auf der Fahrbahn drängen sich parkende und fahrende Autos, Lieferwagen, Reisebusse und Fahrradfahrer.

Die Gewerbetreibenden sehen dem autofreien Wochenende unterschiedlich entgegen: „Ich bin gespannt und hoffe, dass es der Anfang einer positiven Veränderung ist“, sagt Yasemin Karakas, die in einem Kosmetikshop Ecke Mohrenstraße arbeitet. Sie hofft, dass eine Fußgängerzone, in der Menschen gern verweilen, wieder mehr Händler anziehen könnte. Die Friedrichstraße hat einen hohen Leerstand zu verzeichnen, auch im Luxuskaufhaus Quartier 206 sind einige Ladenflächen frei. Besonders die Eröffnung der „Mall of Berlin“ am Leipziger Platz hat seit 2014 dazu geführt, dass viele Läden geschlossen haben.

Auch Annette Juhre, Filialleiterin eines Schmuckgeschäfts, hofft auf eine Verbesserung des rückläufigen Geschäfts. Bevor sie sich eine Meinung zu der Aktion am Wochenende bildet, will sie die Reaktion ihrer Kundschaft abwarten. „Aber ich bin zuversichtlich. Viele kommen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln.“

Zweites autofreies Wochenende im Dezember

Die Mitarbeiterin eines Bekleidungsladens in der Nähe hingegen befürchtet das Gegenteil, die meisten Kunden kämen von außerhalb mit dem Auto. Eine autofreie Friedrichstraße? „Würde unserem Geschäft den Rest geben.“

Im Dezember soll ein zweites autofreies Wochenende auf der Straße stattfinden, im Frühling soll sie dann in einem gutachterlich begleiteten Verkehrsversuch für mehrere Wochen autofrei werden.

In einer Mode-Boutique ist man sich uneinig: Während ein Mitarbeiter davon ausgeht, dass im Zuge einer Sperrung für den Autoverkehr mehr Kunden kommen würden, ist seine Kollegin der Ansicht, viele Einkäufer würden mit dem Auto vorfahren wollen. Sobald dies nicht mehr möglich sei, würden sie wegbleiben.

Luxusmoden-Verkäuferin wünscht sich mehr Events

Die Leiterin einer Luxusmodenfiliale zwischen Tauben- und Jägerstraße freut sich auf das autofreie Wochenende. Sie würde es schön finden, wenn in Zukunft mehr Events auf der Straße stattfinden, glaubt aber nicht, dass sich die Probleme der Friedrichstraße durch eine Verkehrsberuhigung lösen lassen. „Das ist eine voreilige Idee. Zunächst müssten wieder mehr Läden aufmachen.“

Für Fußgänger wird es auf der Friedrichstraße manchmal eng, wie zum Beispiel hier an der Ecke Taubenstraße.
Für Fußgänger wird es auf der Friedrichstraße manchmal eng, wie zum Beispiel hier an der Ecke Taubenstraße.
© Nina Breher

Auch Kai Bröer, der das Café Westberlin im südlich gelegenen Kreuzberger Abschnitt der Friedrichstraße betreibt, hält die Maßnahme für falsch: „Den Verkehr zu eliminieren, um die Friedrichstraße zu retten, ist meiner Meinung nach kompletter Blödsinn. Daran krankt die Friedrichstraße am wenigsten.“ Dass es der Straße schlecht gehe, liege vielmehr daran, dass es kaum Anwohner gebe, die Seitenstraßen tot seien. „Hier fehlt schon jetzt die Masse, die diesen Stadtteil außerhalb der kurzen Stoßzeiten belebt.“

Eine, die auch außerhalb der Stoßzeiten hier lebt, ist Anne Nguyen. Die Volkshochschullehrerin wohnt in einer Seitenstraße der Friedrichstraße.

Anne Nguyen und ihre Tochter leben nur wenige Meter von dem temporär für Autos gesperrten Teil der Friedrichstraße entfernt.
Anne Nguyen und ihre Tochter leben nur wenige Meter von dem temporär für Autos gesperrten Teil der Friedrichstraße entfernt.
© Nina Breher

Von dem autofreien Wochenende vor ihrer Haustür wusste sie bisher nichts, findet die Aktion aber gut. Auch gegen eine dauerhafte Verkehrsberuhigung hätte sie nichts: „Es ist Zeit, dass wir uns die Stadt zurückholen.“ Sie lebt seit 1988 an der Friedrichstraße. „Sie ist mein Lebensraum. Die lauten Autos nerven total.“

Die Idee, die Straße zur Fußgängerzone zu machen, sehen viele gewerbliche Anlieger skeptisch. Café-Betreiber Bröer sagt: „Für mich macht gerade ihre Geschäftigkeit und zeitweilige Enge die Friedrichstraße zu einer positiven Besonderheit im ansonsten ja eher gemächlichen und auch oft immer noch leeren Berlin.“

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