Konzept für die Friedrichstraße: Autofrei durch Mitte
Im Modellversuch soll die Friedrichstraße für Fußgänger und Radfahrer reserviert werden. Am Donnerstagabend wollen sich Fachleute und Anwohner austauschen.
Die Friedrichstraße hat wenig Platz für Menschen und gar keinen für Bäume oder Bänke. Doch die Zukunft der Straße könnte anders aussehen, ohne Platz für Autos. Aus Sicht des Vereins Changing Cities wird die Friedrichstraße in Mitte die erste „Straße der Zukunft“. Wobei autofreie Straßen in anderen europäischen Metropolen schon Gegenwart sind, nur in Berlin scheinen sie noch ferne Zukunft.
Auf dem Weg zur "attraktivsten Fußgängerzone Berlins"
Changing Cities, bekannt geworden durch den Fahrrad-Volksentscheid, will den begrenzten Straßenraum in der Stadt neu verteilen. In Sachen Friedrichstraße trägt die Lobbyarbeit des Vereins jetzt erste Früchte. Die Verkehrsverwaltung plant im Sommer einen Modellversuch. Zwischen Unter den Linden und Leipziger Straße sollen Autos ausgesperrt werden, allerdings nur in den Sommerferien und dann auch nur an den Wochenenden. Wie die Straße dann vor Autofahrern gesichert werden soll, ist unklar.
„Details stehen naturgemäß noch nicht fest“, sagte Jan Thomsen, Sprecher der Verkehrssenatorin. Im Dezember hatten mehrere Umweltgruppen für eine autofreie Friedrichstraße demonstriert und damit die Idee wieder auf die Agenda gesetzt. „Car ist over“, pinselten Aktivisten damals auf den Asphalt.
„In der Friedrichstraße ist die attraktivste Fußgängerzone Berlins möglich“, sagte Stefan Lehmkühler von Changing Cities dem Tagesspiegel. Vom Bahnhof Friedrichstraße strömten täglich tausende Touristen in Richtung Checkpoint Charlie. Derzeit könne man nicht einmal stehenbleiben als Gruppe, weil dazu die Gehwege zu schmal seien.
Konzept mit Fahrradweg, Logistikzonen und Taxi-Haltestellen
Als ersten Schritt schlägt der Verein vor, den Abschnitt von der Französischen Straße bis zur Kochstraße/Rudi-Dutschke-Straße autofrei machen. In der Mitte sollte eine „Safety-Lane“ angelegt werden, dies ist ein vier Meter breiter Zwei-Richtungs-Radweg, der im Notfall von Polizei oder Feuerwehr genutzt werden kann. So etwas gibt es in London, ein Video von dort zeigt, wie schnell Radfahrer am Rand stoppen, wenn eine Sirene zu hören ist.
Beliefert werden Geschäfte von acht Logistikzonen in den Seitenstraßen, zudem gibt es fünf Haltestellen für Taxis. Diese Zonen sollen „vorzugsweise automatisiert überwacht werden“ – gegen Falschparker. Dies geht aus einem Konzept von Changing Cities hervor.
Begrünung und Bänke statt baumloser Schneise
Die beiden 8,5 Meter breiten Fußgängerbereiche an den Seiten werden durch angeschrägte Bordsteine vom Radweg abgetrennt, so kommen sich Fußgänger und Zweiräder nicht in die Quere. Die Einfahrt in die Safety-Lane ist durch versenkbare Poller versperrt, Rettungswagen fordern die Absenkung der Poller durch ein elektronisches Signal an. Dann beginnt auch ein roter Streifen entlang des Radwegs zu blinken, als Aufforderung diesen sofort zu räumen.
Das bislang völlig baumlose Asphaltband Friedrichstraße würde mit Bäumen begrünt, Regenwasser möglichst an der Oberfläche gehalten oder im Quartier gespeichert. Im Hitzesommer 2018 habe sich gezeigt, wie unangenehm sich die baumlose Schlucht aufheize. Sitzbänke mit USB-Steckdosen, Wlan und szeniger Beleuchtung sind das i-Tüpfelchen im Konzept.
Gespanntes Warten auf Treffen von Fachleuten und Anwohnern
Am Donnerstagabend treffen sich auf Einladung von Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) und Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) Fachleute und Anwohner zum Gespräch. Gespannt sind die Beteiligten auf die Reaktion der Anrainer. In der Vergangenheit war es immer so: Soll auch nur ein Parkplatz wegfallen, protestieren Geschäftsleute und fürchten den Ruin. Mittlerweile gibt es zahlreiche Studien, dass dies nicht stimmt. Radfahrer lassen zwar im Schnitt pro Einkauf weniger Geld, dafür kommen sie öfter vorbei.
Wie Lehmkühler sagt, liege der Leerstand in der Friedrichstraße bei 24 bis 30 Prozent. Andere europäische Haupteinkaufsstraßen hätten eine Leerstandsquote von 8 bis 12 Prozent.
Die SPD unterstützt die Idee: „Alle Wege sind fußläufig machbar und die Straße ist gut an den ÖPNV angeschlossen“, hatte der SPD-Verkehrspolitiker Tino Schopf gesagt. Langfristig sei eine Verlängerung der autofreien Zone nach Norden bis zum Bahnhof Friedrichstraße sinnvoll, heißt es bei Changing Cities. Unabhängig von der Friedrichstraße müsse auch der Boulevard Unter den Linden zur Fußgängerzone werden. Die autofreien Linden haben es bekanntlich sogar bis in den Koalitionsvertrag geschafft.
Über das Konzept hatte auch der Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint berichtet.