Die Profiteure des Regenwetters: "Für uns Schirmfachhändler gibt es kein schlechtes Wetter"
Vom Luxusgut zum Wegwerfding: Der Billigschirm kommt meist aus China, aber die Branche Stock und Schirm hält die Tradition des Schirmmachers in Ehren.
Derzeit scheint nicht ganz klar, ob Mai ist oder November – es ist draußen kalt und nass, Aktivitäten wie Herumliegen im Park, Herumsitzen im Biergarten, Spazieren und Radfahren sind unattraktiv. Aber was ist attraktiv? Irgendwer muss doch profitieren,
während andere leiden. Natürlich, die Schirmindustrie - dazu ein paar Fragen an den Vorsitzenden des Branchenverbandes Schirm und Stock (kein Witz, den gibt es wirklich): Willy Schüffler (69) ist Inhaber von Schirm-Schüffler in Essen. Er verkauft Schirme nicht nur, er kann sie auch bauen. Sein Verband hat 40 Mitglieder.
Herr Schüffler, Sie sind Vorsitzender der Interessengemeinschaft Schirm- und Stockfachhändler. Warum braucht der Schirmhandel einen Verband?
Ach wissen Sie, der Schirm war mal ein Luxusobjekt und ein Herrschaftszeichen. Es war vornehm, blass zu sein, nur die Arbeiter durften ruhig dem Wetter ausgesetzt werden und Farbe bekommen. Wir versuchen, den Schirm auch weiterhin als besonderes Kulturgut zu präsentieren. Wussten Sie, dass der Beruf des Schirmmachers heute gar nicht mehr erlernbar ist? Ich bin ja Schirmmachermeister, den Beruf gibt es nicht mehr.
Und das aktuelle Wetter? Das müsste Ihnen doch gefallen.
Für uns Schirmfachhändler gibt es kein schlechtes Wetter. An Regentagen verkaufen wir doppelt so viele Schirme wie an anderen Tagen.
Warum eigentlich? Bewahren die Leute ihre Schirme denn nicht für den nächsten Regen auf?
Doch, aber billige Schirme halten nicht lange und sind auch nicht reparierbar. Der Schirm ist leider zu einer Art Wegwerf-Artikel geworden, die Leute kaufen ihn im Supermarkt oder in der Drogerie. Irgendwann wollen sie einen ordentlichen Schirm, dann kommen sie zu uns.
Was muss man denn für einen ordentlichen Schirm anlegen?
Bei etwa 50 Euro geht es los, dass man einen guten Schirm bekommt, der auch reparierbar ist. Nach oben ist natürlich Luft – für einen Schirm mit Sterlingsilbergriff können Sie 1000 Euro ausgeben.
Und so ein 50-Euro-Schirm kommt dann nicht aus China?
Nein, der könnte dann aus Europa kommen. Es gibt hier noch Firmen, die hochwertige Schirme produzieren. Aber 95 Prozent des Marktes kommen aus China – in Xiamen sitzt mittlerweile die weltweit größte Schirmproduktion. Auch die Marke Knirps lässt dort fertigen, aber ich sage Ihnen, die Qualität stimmt meist nicht. Das ist schade – es erzeugt viel Müll und schadet der Umwelt. Früher war Deutschland führend. Der Schirm ist so etwas Schönes, ein Beschützer! Daher kommt ja auch das Wort Schirmherr.
Und wer freut sonst noch? Allergiker und Kinobetreiber
Allergiker freuen sich über die pollenarme Luft, der Garten bekommt nach dem anfangs trockenen April endlich Wasser. Insekten mögen die Kälte nicht und verbreiten sich weniger, zum Beispiel die Miniermotte. Mücken gibt es auch kaum. Ab Sonnabend soll es wenigstens erst mal trocken bleiben, richtig warm wird es vorerst noch nicht. Das Saunageschäft floriert. Ins Kino gehen mehr Leute als im vergangenen Frühjahr.
Die Gartencenter warten noch auf Konjunktur, denn die Kunden kommen erst in Schwung, wenn sie die Pflanzen gleich einsetzen können. An der Wasserski- und Wakeboardanlage gibt es keine Schlangen. Die Sommerbäder sind leer. Badehosen sind im Absatztief. In Biergärten und Eisdielen ist nichts los.
Die Sommer-Prognose des Experten
Da die Natur nach Balance strebt, könnte der späte Start vielleicht einen langen Sommer verheißen. Doch tut sie das überhaupt? „Nein, mit diesem Trost können wir leider nicht dienen“, sagt Uwe Kirsche vom Deutschen Wetterdienst. „Das mit dem Gleichgewicht möchten viele gerne glauben, aber es gibt auch sehr kalte Winter, auf die ein nasskalter Frühling und ein verregneter Sommer folgen.“ Danke für das Gespräch, wir rufen nie wieder an! Andererseits heißt das: Es ist noch alles drin für diesen Sommer.