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Die Skyline von Berlin.
© Reuters

Wohnen in der Hauptstadt: Fünf Berliner Bezirke gründen Allianz für Mieterschutz

Neukölln, Mitte, Pankow und andere haben einen "Arbeitskreis Vorkaufsrecht" gegründet. Ihre Idee haben sie jetzt vorgestellt - doch macht sie Sinn?

Die Ausübung des Vorkaufsrechts kommt Berlin gelegentlich teuer zu stehen. Zwar hatte der Senat im August 2017 beschlossen, Vorkaufsrechte in Milieuschutzgebieten möglichst rasch auszuüben, um eine mögliche Verdrängung der angestammten Mieterschaft aus ihren Häusern zu verhindern. Doch in der Praxis sind die Hürden hoch.

Die für die Prüfung zuständigen Bezirke haben nach dem Baugesetzbuch nämlich nur zwei Monate Zeit, alles unter Dach und Fach zu bringen. Was aber, wenn ein hochpreisiger Vertrag vorliegt, in den man einsteigen will? Was, wenn die den Bezirken zugewiesenen kommunalen Wohnungsbaugesellschaften müde abwinken, weil sich Ankauf und Betrieb über das Vorkaufsrecht auch in Jahrzehnten nicht rechnet, eine schwarze Null ohnehin erst einmal nicht zu erreichen ist?

Mit dabei: Mitte, Tempelhof-Schöneberg, Neukölln, Pankow und Friedrichshain-Kreuzberg.

Dann – so denken jedenfalls fünf Berliner Bezirke – muss neues Geld beschafft werden. Zuschüsse müssen her. Bisher lief das so: „Wenn man 15 bis 20 Prozent mehr Geld braucht, versucht man im Gespräch mit dem Finanzsenator Matthias Kollatz eine Begründung für den Ankauf zu finden“, erzählt Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD): „Manchmal sagt er bei zehn Prozent ja, manchmal bei 20 Prozent auch nein.“ Alles in allem habe der Finanzsenator aber in gutem Einvernehmen viele Ausnahmen mitgetragen. Also zahlte das Land auch schon mal überteuerte Preise. „Doch es ist jedes Mal eine Gratwanderung“, sagt Mittes Gothe und wirbt nun für ein neues Modell – gemeinsam mit den Bezirken Tempelhof-Schöneberg, Neukölln, Pankow und Friedrichshain-Kreuzberg.

Ein noch zu errichtender Fonds soll eingerichtet werden. Sofern der Senat dieser Idee folgt: „Diese Erweiterung der Handlungsoptionen ist dringend notwendig, um in der knappen Zwei-Monats-Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechtes nicht nur auf die städtischen Wohnungsbaugesellschaften angewiesen zu sein“, argumentieren die fünf Bezirke, die die meisten Milieuschutzgebiete in Berlin haben.

"Bisher ist alles nur unsortiert"

Wichtig ist Gothe und seinen Kollegen zudem, dass in Abwendungsvereinbarungen eine Verpflichtung aufgenommen wird, die gesetzlichen Regelungen der Mietpreisbremse anzuwenden. Erwerber ist in Berlin nämlich vor Ausübung des Vorkaufsrechts die Gelegenheit zu geben, eine Abwendungsvereinbarung (um den Vorkauf abzuwenden) zu unterzeichnen. So soll das Ziel der Erhaltung von preisgünstigem Wohnraum für die angestammte Bevölkerungsstruktur erreicht werden. Gespeist werden soll der Fonds durch spätere Verkaufserlöse und aus dem Haushalt, also durch Steuergelder.

„Bisher haben wir ein unsortiertes Verhandlungsverfahren“, sagt Gothe zum Vorstoß. Wenn die Szene der gewerblichen Käufer aber sehe, dass Senat und Bezirke stark gewillt seien, ihre Vorkaufsrechte auszuüben, würden sie wohl eher bereit sein, Abwendungsvereinbarungen im Sinne der Mieter einzugehen.

Das Instrument des Vorkaufsrechts ist politisch und unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten stark umstritten. Zum einen werden so einerseits keine neuen Wohnungen geschaffen. Andererseits wird aber viel Geld in den Ankauf von Altimmobilien gesteckt – mit allen Modernisierungsrisiken, die damit einhergehen. Drittens werden finanzielle Mittel verbraucht, die auch in den Neubau kommunaler Wohnungen gesteckt werden könnten.

 Die FDP bezweifelt den Sinn": "Schützt nicht vor hohen Mieten"

„Die Nutzung des Vorkaufsrechts schützt Mieter entgegen den ständigen Behauptungen der Linkskoalition nicht vor steigenden Mieten“, sagt Sebastian Czaja, Fraktionsvorsitzender der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus, zum Vorkaufsrecht in Berlin. Er spricht für viele Bedenkenträger aus der Wohnungswirtschaft. Die Fixierung auf Vorkaufsfälle nehme den Bezirken wichtige Ressourcen zur Beschleunigung von Neubauvorhaben – auch zum Schaden der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. „In einer wachsenden Stadt hilft es überhaupt nicht, in Monopoly-Manier sich Haus um Haus überteuert zu sichern, um Klientelinteressen zu bedienen“, sagt Czaja.

SPD-Experte: "... es geht um Schutz, aber es entstehen keine neuen Wohnungen"

Nach Einschätzung von Volker Härtig, Vorsitzender des SPD-Fachausschusses Soziale Stadt, ist der durchschnittliche Förderaufwand des Landes für einen Ankauf im Vorkauf je Wohnung dreimal so hoch wie für eine Neubauwohnung. „Dabei entsteht aber keine Neubauwohnung, sondern es geht um Mieterschutz“, sagt Härtig zum Thema Vorkaufsrecht auf Anfrage. „Zudem werden Spekulationspreise vom Staat gezahlt und insofern die Spekulation angeheizt. Es soll Fälle gegeben haben, bei denen Scheingeschäfte zu überhöhten Kaufpreisen getätigt wurden, um sich erhöhte Spekulationspreise vom Land bezahlen zu lassen. Verkäufer und Schein-Erwerber teilen sich dann den Extra-Profit aus Steuermitteln.“

Für das Geld hätten mehr als doppelt so viele neue Wohnungen gebaut werden können

Der BFW Landesverband Berlin/Brandenburg der privaten Immobilienwirtschaft hat auf der Grundlage der Antwort des Senats auf eine Anfrage der Abgeordneten Iris Spranger (SPD) aus dem Mai dieses Jahres errechnet, dass für die Kaufpreise der im Vorkaufsrecht erworbenen Wohnungen mehr als doppelt so viele Neubauwohnungen hätten gefördert werden können. „Die derzeitige Berliner Wohnungsbauförderung sieht einen Förderbetrag je Neubauwohnung von durchschnittlich 76.200 Euro vor. Für den Kaufpreis der 483 bereits existierenden Wohnungen (durchschnittlicher Kaufpreis: 182.766 Euro) hätten 1158 belegungs- und preisgebundene Wohnungen gefördert werden können."

Warum aber verfolgt Berlin eine solche Politik? Insider sind sich sicher, dass den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften so geholfen werden soll, ihre Bestände rasch aufzustocken. Durch den Wohnungsneubau gelingt ihnen dies nicht: Sie kämpfen mit den gleichen Problemen wie die Privaten, mit denen sie um Flächen und Wohlwollen für eine zügige Behandlung in den Ämtern konkurrieren. Auf dem Papier mag diese Erhöhung der Bestände rechnerisch funktionieren, neue – und vor allem freie – kommunale Wohnungen entstehen so allerdings nicht.

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