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Gegen Florian Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen), Baustadtrat für Friedrichshain-Kreuzberg, gibt es schwere Vorwürfe.
© Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa

Vorwürfe gegen Grünen-Baustadtrat Schmidt: Friedrichshain-Kreuzberg ist nicht in Sherwood Forest

Die Vorwürfe gegen Florian Schmidt wiegen schwer, doch die Stellungnahmen des Baustadtrates und der Grünen sind getragen von hilfloser Hybris. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Lorenz Maroldt

Die Vorwürfe wiegen schwer, schwerer als die Ordner, um die es geht. Florian Schmidt, Baustadtrat der Grünen von Friedrichshain-Kreuzberg, soll Akten zur Ausübung des Vorkaufsrechts zugunsten einer Wohnungsgenossenschaft manipuliert haben, bevor er sie Bezirksverordneten anderer Fraktionen zur Einsicht vorlegen ließ. Das wäre ein Straftatbestand.

Doch das ist nicht alles. Der SPD-Fraktion, die eine unstimmige Nummerierung von Seiten bemerkt haben will, wurde die Unvollständigkeit der Akten vor der Einsichtnahme nicht mitgeteilt, sagen ihre Vertreter. Das aber hätte in jedem Fall geschehen müssen, und zwar schriftlich begründet, so schreibt es das Bezirksverwaltungsgesetz vor.

Und auch damit nicht genug: Die SPD gibt an, der Stadtrat habe in einer vertraulichen Sitzung der grün-rot-roten Zählgemeinschaft die Unvollständigkeit der Akten politisch begründet: Es sollte verhindert werden, „dass die Inhalte von CDU und FDP instrumentalisiert und von einem Redakteur des Tagesspiegels zur politischen Agitation genutzt werden“. Da ließe sich durchaus von niederen Beweggründen sprechen.

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Vor diesem Hintergrund sind die kurzen öffentlichen Stellungnahmen von Schmidt und den Grünen getragen von hilfloser Hybris. Den Vorwurf der Aktenmanipulation erklären sie ohne nähere Begründung für haltlos: „Fest steht, dass während des noch laufenden Verfahrens zum Finanzierungsprozess der Diese eG die Akten nicht vollständig eingesehen werden dürfen“, schreibt die Partei.

Schmidt selbst nennt den „Eindruck“ der SPD „falsch“ und verweist auf eine Mail seines Büros an die sozialdemokratische Fraktion. Darin heißt es, dass in einem Fall „eine elektronisch geführte Kommunikation (…) aufgrund begrenzter Arbeitskapazitäten bislang nicht komplett ausgedruckt“ werden konnte. In anderen Fällen befinde sich die Genossenschaft „in einem laufenden Finanzierungsprozess“, einer Akteneinsicht stünden „dringende öffentliche Interessen“ entgegen, Nachteile für „das Wohl des Landes“ seien nicht auszuschließen.

Dazu kein Wort der Entschuldigung

Dies alles hätte allerdings, wenn es denn zutrifft, vor der Einsichtnahme schriftlich erklärt werden müssen, nicht erst dann, als die Unvollständigkeit aufgefallen, ja: aufgeflogen war. Auch anderen Fraktionen waren sowohl diese Informationen, als auch Akten vorenthalten worden. Dazu kein Wort der Entschuldigung. Kein Wort auch zur Frage, ob Akten mit zumindest missverständlicher Paginierung versehen wurden, absichtlich oder nicht. Und kein Wort zur ersten Begründung der Vorlage unvollständiger Unterlagen: oppositionelle „Instrumentalisierung“ und journalistische „Agitation“.

Demokratie endet da, wo politische Aktivisten im Sinne einer Sache, die sie selbst als gut definieren, die Rechte von Parlamenten, Opposition und Presse für minderwertig erachten und danach handeln. Was rechtlich „fest steht“ und was Stadträte „dürfen“, entscheidet in einer demokratisch verfassten Gesellschaft, deren Machtbalance auf Gewaltenteilung beruht, nicht der von seiner Selbstherrlichkeit beeindruckte Bezirkssprengel einer Partei.

Einen „Mini-Robin-Hood“ nennt Berlins Regierender Bürgermeister den Stadtrat; Schmidt sagt, er trägt diesen Spitznamen „mit Ehre“, und zwar „ob mit oder ohne ‚Mini’.“ Aber das autonome Kreuzberger Grundgesetz, legal, illegal, scheißegal, gilt im Rathaus nicht. Hier heiligt auch nicht der Zweck die Mittel, hier schaden die Mittel dem Zweck: Sie erzwingen eine Polarisierung, in der es nur ein Dafür oder Dagegen gibt, ein Richtig oder Falsch, ein Gut oder Böse – ganz egal, was es kostet, Geld oder Gesetz. Aber so ist Politik nicht, so führt sie nicht zum Erfolg. „Florian Schmidt ist ein hervorragender Stadtrat, ich vertraue ihm sehr“, sagt der Landesvorsitzende der Grünen. Das ist sein gutes Recht. Das Recht anderer ist es, den Stadtrat zu kontrollieren. Friedrichshain-Kreuzberg ist nicht Sherwood Forest.

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