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Tatort Britz: Hier wurde im Mai 2017 ein 43-Jähriger getötet.
© Maurizio Gambarini/dpa
Update

Mord in Britz bleibt vorerst ungesühnt: Freispruch für Berliner Clan-Mitglied trotz DNA am Tatort

Ali O. wurde "totgeprügelt wie ein Hund", sagt der Staatsanwalt. Der Sohn des Remmo-Clan-Chefs wird vom Mordvorwurf freigesprochen – der Vater tobt dennoch.

Ein überraschender Freispruch – nach dessen Verkündung ausgerechnet der Vater des entlasteten Angeklagten den Staatsanwalt anbrüllt und von der Zuschauerbank zu ihm durch den Saal stürmen möchte. Die von Issa Remmo gezeigte Wut auf die Justiz ist offenbar groß, obwohl die Jugendkammer des Berliner Landgerichts am Mittwoch seinen 21 Jahre alten Sohn vom Mordvorwurf freisprach: Der saß seit Oktober 2017 in Untersuchungshaft, nachdem an einem sonnigen Maitag jenes Jahres der aus dem Libanon stammende Ali O. in Britz auf der Straße von zwei Männern totgeprügelt worden war.
O. hatte den Remmos viel Geld geliehen, das er wohl zurückforderte. Ein Spitzel in der Szene arabischer Clans – eine sogenannte VP, also eine Vertrauensperson der Polizei – gab vage Hinweise auf die im Milieu stadtbekannten Remmos. Schließlich wurde einer der acht Söhne von Issa Remmo verhaftet. Doch „in der Gesamtschau der Indizien lässt sich ein Tatnachweis nicht führen“, sagte der Vorsitzende Richter. Dem Angeklagten stehen circa 15.000 Euro Haftentschädigung zu. Er verließ noch Mittwochmittag das Gericht in Moabit.

Familienoberhaupt Issa Remmo wartet vor dem Gericht auf seinen Sohn.
Familienoberhaupt Issa Remmo wartet vor dem Gericht auf seinen Sohn.
© H. Heine

Zuvor mussten mehrere Justizbeamte den wütenden Issa Remmo festhalten, so sehr tobte er. Der kräftige Patriarch, Anfang 50, riss sich immer wieder los. Erst seine anderen, ebenfalls als Zuschauer zum Gericht gekommenen Söhne konnten ihn beschwichtigen. Vorerst, denn der Vater brüllte im Treppenhaus, der Eingangshalle und auf der Turmstraße weiter. Tenor: Seiner Familie sei Unrecht getan worden, die Staatsanwaltschaft habe sich gegen die Remmos verschworen, weil sie Muslime seien und die im Milieu aktive VP sei Schuld daran, dass sein Sohn vor Gericht stand. Unter Ermittlern hieß es sinngemäß, das Urteil werde im Remmo-Clan gefeiert. Die Familie lebt überwiegend in Neukölln.

Zu wenig DNA am Tatort

Immerhin 14 Monate hatten die Richter verhandeln lassen, dabei 80 Zeugen und Gutachter gehört. Wesentliches Indiz war eine DNA-Spur des Angeklagten, die an der Hosentasche von Ali O. gefunden wurde. Dabei habe es sich allerdings um eine „Misch- und zudem Minimalspur“ gehandelt. In der Hosentasche trug das Opfer einen Schuldschein. Bei einem Griff in die Hosentasche, erklärte ein Sachverständiger während des Prozesses, wäre „normalerweise mehr DNA zu finden gewesen“; ergo könne eine „Sekundärübertragung etwa durch einen Handschuh“ in Betracht kommen. Grob vereinfacht bedeutet das: Möglicherweise hatten die Täter die DNA des Angeklagten an ihrer Kleidung, weil sie Umgang mit ihm gehabt haben – ohne, dass der Angeklagte an der Tat beteiligt war.

Zeugenaussagen waren ebenfalls zu ungenau. Demnach lief der 17. Mai 2017 so ab: Zwei Männer in dunkler Kleidung standen kurz nach 7.30 Uhr an einer Grünanlage in Britz. Sie lauerten Ali O. auf. Der 43-Jährige hatte zwei seiner drei Kinder zur Schule gebracht, als ihn die Täter angriffen. Die Männer hätten die Kapuzen in die Stirn gezogen, schilderten die Zeugen. Einer der beiden habe mit einem Baseballschläger zugeschlagen. Immer wieder. Ein Notarzt versuchte, Ali O. zu reanimieren. Doch der starb auf dem Bürgersteig. Er sei „wie ein räudiger Hund totgeprügelt worden“, sagte der Staatsanwalt. Es gab bei der „brutalen und menschenverachtenden Tat“ mehrere Zeugen, hieß es schließlich im Urteil. „Sie haben jeweils nur einen Teil des Geschehens gesehen.“

Issa Remmo: VP der Polizei eine "Schwuchtel" und ein "Hurensohn"

Der zuständige Oberstaatsanwalt, der eine Jugendstrafe von achteinhalb Jahren gefordert hatte, will Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen. Die Anfeindungen des Familienoberhauptes im Gerichtssaal habe er zur Kenntnis genommen: Für eine Bedrohung im juristischen Sinne, reiche das Gebrüll nicht. Issa Remmo nannte die VP, die seine Familie denunziert habe, eine „Schwuchtel“ und einen „Hurensohn“. Seine Familie habe Deutschland genützt, sagte er dem Tagesspiegel, er selbst lebe nicht von Hartz IV, sondern verdiene sein Geld ehrlich.

Ein anderer Sohn von Issa wurde wegen Körperverletzung verurteilt. Ein Bruder des Familienoberhauptes musste ins Gefängnis, weil er 2014 in eine Mariendorfer Sparkassenfiliale eingebrochen war und Feuer legte, um seine Spuren zu verwischen. Die erbeuteten 9,1 Millionen Euro sind verschwunden. Ein zweiter Bruder von Issa R. stand wegen Diebstahls vor Gericht, ein dritter musste wegen Raubs ins Gefängnis. Drei Neffen werden beschuldigt, die Goldmünze aus dem Bode-Museum geraubt zu haben. Im Sommer 2018 hatte die Justiz 77 Immobilien, die der Familie gehören sollen, wegen Geldwäscheverdachtes vorläufig konfisziert. Es gilt die Unschuldsvermutung.

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