Platz da!: Folge 3: Hermann-Ehlers-Platz
Der Hermann-Ehlers-Platz an der Schlossstraße hat den Wochenmarkt und ansonsten ein Problem: Er zieht viele pöbelnde Jugendliche an. Dabei würden die Steglitzer ihn so gerne nutzen.
Täglich eilen tausende Menschen über den Hermann-Ehlers-Platz, steigen zwischen dem U- und dem S-Bahnhof Rathaus Steglitz um, warten auf den Bus oder strömen ins Einkaufszentrum „Das Schloss“, das auch die Stadtbibliothek beherbergt. Zum Verweilen lädt im Schatten des 119 Meter hohen Steglitzer Kreisels aber noch wenig ein. Bei warmem Wetter stellen Cafés immerhin ein paar Tische ins Freie, und die steinernen Ränder des Brunnens oder der Hochbeete nutzen ein paar Passanten für Verschnaufpausen. Und wenn dienstags, donnerstags und sonnabends die Wochenmarkthändler an ihren Ständen stehen, nehmen sich die Steglitzer auch mal Zeit für einen Einkaufsbummel.
Dennoch ist der Platz, der den Namen des 1954 verstorbenen CDU-Bundestagspräsidenten Hermann Ehlers trägt, trotz seiner zentralen Lage an der Schlossstraße kein besonders beliebter Treffpunkt. Und nicht alle Besucher sind gern gesehen: Vor allem an Wochenenden kommen abends junge Leute am Hermann-Ehlers-Platz zusammen. Sie betrinken und prügeln sich, pöbeln Passanten an und hinterlassen Flaschen oder Scherben.
Bilder: Platzda! Die Leserdebatte zu Berlins Stadtplätzen
Seit dem vorigen Herbst beraten darüber Mitarbeiter des Jugendamts, Sozialarbeiter, Jugendliche, Polizisten und Anrainer am Runden Tisch. Die problematischen Gruppen seien „oft gar nicht Jugendliche, sondern junge Erwachsene, die nicht unbedingt in der Nähe wohnen“, sagt Jugendstadträtin Christa Markl-Vieto (Grüne). „Die Bevölkerung ging lange Zeit nicht mehr gerne über den Platz.“ Man habe ein Alkoholverbot diskutiert, aber verworfen, da es nicht ausreichend kontrolliert werden könnte. Ein wenig habe sich schon verändert. Das Bezirksamt habe „Büsche heruntergeschnitten und Sitze verändert, damit das ,Einkuscheln’ mit Flaschen schwieriger wird“. Es gebe mehr Streifengänge des Ordnungsamts und der Polizei. „Und Jugendeinrichtungen schicken regelmäßig ihre Leute hin.“ Inzwischen sei ein „Rückgang der unangenehmen Begleiterscheinungen“ sichtbar.
Teilnehmer des Runden Tisches gehören am 8. Juni von 12 bis 20 Uhr zu den Mitwirkenden beim „1. interkulturellen Fest in Steglitz-Zehlendorf“ auf dem Hermann-Ehlers-Platz. Federführend ist die bezirkliche Beauftragte für Integration und Migration; zahlreiche Institutionen planen eine Informationsbörse zu den Themen Migration, Integration und Jugendarbeit. Geplant sind auch ein kulturelles Rahmenprogramm und ein „internationales gastronomisches Angebot“.
Veränderungen im Umfeld des Platzes
Die ganze Schlossstraße verändert zurzeit ihr Gesicht, das wirkt sich natürlich auch auf den Platz aus. Nirgends in Berlin stehen Shoppingcenter so dicht nebeneinander wie an der zweitgrößten Einkaufsstraße der Stadt. Auf das Forum Steglitz folgten „Das Schloss“ neben dem alten Rathaus Steglitz, das Schloss-Straßen-Center am Walther- Schreiber-Platz und Anfang April das Zentrum „Boulevard Berlin“ an der Ecke Treitschkestraße. Weil die Kaufkraft in Steglitz-Zehlendorf aber kaum noch mit der Einzelhandelsexpansion Schritt hält, hoffen Geschäftsleute, dass sich die Schlossstraße zu einer Art „Kurfürstendamm des Südwestens“ entwickelt und noch mehr Kundschaft aus anderen Bezirken und dem Umland anziehen wird. Mittelständler wie das Optikergeschäft „Das Brillenatelier“ am Hermann-Ehlers-Platz sehen die Entwicklung gelassen: „Wir haben viel Laufkundschaft und sind sehr zufrieden“, sagt ein Verkäufer. Am Platz hat er nicht viel auszusetzen, ihn stören nur „abends die Kids mit ihrem Alkohol“.
Von der angestrebten Verkehrsberuhigung, die der Umbau der Schlossstraße mit sich bringen sollte, ist auf der tagsüber stets überfüllten Kreuzung zwischen Albrecht-, Grunewald- und Schlossstraße noch wenig zu sehen. Die Schlossstraße hat nun in jeder Richtung nur noch eine Fahrspur und einen Fahrradstreifen. So wollte der Bezirk den Durchgangsverkehr eigentlich auf die parallel verlaufende Stadtautobahn verlagern. Das hat bisher nicht so recht geklappt. Und rein optisch prägen die grauen Betonbrücken der sogenannten Westtangente den südöstlichen Teil des Hermann-Ehlers-Platzes ohnehin längst.
Ungewiss bleibt die Zukunft des Kreisels, den das Bezirksamt 2007 wegen Asbestbelastung geräumt hat. Jetzt gibt es nur noch das Hotel Steglitz International, den BVG-Busbahnhof und Läden wie den Outdoor-Ausstatter „Globetrotter“. Das Hochhaus will der Berliner Senat ab 2013 sanieren und großenteils entkernen; ob danach der Abriss oder eine neue Nutzung folgt, ist offen. Wie berichtet, hat die Meridian-Stiftung ein Konzept für Kunst und Kultur im Kreisel vorgelegt.
Kultur gibt es nordwestlich des Platzes bereits in der Schwartzschen Villa. Das etwas versteckt gelegene Haus an der Grunewaldstraße wird vom Kulturamt des Bezirkes geführt und hat ein gemütliches Café. Einen Straßenblock weiter betreibt Dieter Hallervorden mit dem Schlosspark-Theater eine der bekanntesten Kulturstätten des Bezirks.
Mitten auf dem Hermann-Ehlers-Platz wird mit Kunst an die Judenverfolgung während der Nazizeit erinnert: Nach langem Streit in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) wurde 1995 eine zehn Meter lange und mehrere Meter hohe Spiegelwand aufgestellt. Eingraviert sind die Namen, Geburtsdaten und Adressen von 1723 Steglitzer Juden, die in Konzentrationslager verschleppt wurden. Außerdem erinnert das Mahnmal an die einstige Synagoge in der Düppelstraße. Dass sich auf der Chromstahlwand auch das Markttreiben rundum spiegelt, ist kein Zufall, sondern gewollt – damit die Erinnerung mitten im Leben steht.
Der Tagesspiegel lädt ein, am Freitag, dem 27. April, über die Vorschläge des Büros IBT Freiraumplanung zu diskutieren – mit Christa Markl-Vieto (Stadträtin für Jugend, Gesundheit, Umwelt und Tiefbau), Doreen Faber (Platzmanagerin) sowie Alexander Stolle (Best Western Hotel Steglitz International). Ort: Schwartzsche Villa, Grunewaldstr. 55, gegenüber dem Hermann-Ehlers-Platz, im Zimmertheater im Obergeschoss (ein Fahrstuhl steht zur Verfügung). Beginn: 17, Ende: 18.30 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Die nächste Folge unserer Serie erscheint am Sonntag, 29. April. Dann geht es um einen besonders schwierigen Kandidaten: das Kottbusser Tor in Kreuzberg.