Unterbringung von Geflüchteten: Flughafengebäude in Tempelhof soll Aufnahmezentrum werden
Das sah das Flüchtlingskonzept der Koalition vor. Doch die CDU zieht nicht mehr mit. Ein neuer Standort für eine provisorische Halle ist im Gespräch - in Prenzlauer Berg.
Auf diesen Schlagabtausch freut sich die Opposition schon. Es geht an diesem Donnerstag im Parlament um die Debatte über die geplante Ergänzung des Tempelhof-Gesetzes. Ein Überblick zur kniffeligen Gemengelage.
Der Koalitionsstreit
Die Koalition zieht nicht an einem Strang. Die SPD will das Gesetz zeitnah verabschieden, die CDU sieht dagegen keine Eile und strebt mehrere Gesetzesänderungen an. Als erste Notunterkunft auf dem Feld soll die für die IGA in Marzahn bestellte Blumenhalle genutzt werden. Doch nun hat Sozialsenator Mario Czaja (CDU) nach Tagesspiegel-Informationen plötzlich einen alternativen Standort gefunden: eine Fläche in Prenzlauer Berg für einen Feuerwehrbau, der ab 2018 geplant ist.
Das Kalkül ist klar: Die Blumenhalle soll so schnell wie möglich aufgestellt werden, deshalb die Eile mit der Gesetzesänderung. Gibt es einen anderen Standort, ist der Druck weg, die vom Senat beschlossene Gesetzesänderung schnell zu verabschieden. CDU-Fraktionsvize Stefan Evers erwartet zuvor ein Konzept des Senats, welche weiteren Flächen in der Stadt mit Notunterkünften bebaut werden sollen – „davon machen wir unsere Zustimmung abhängig“.
Das sagt die SPD
Bausenator Andreas Geisel (SPD) hat die Halle als erste Unterkunft auf dem Tempelhofer Feld angekündigt. Alternative Standorte stünden zurzeit nicht bereit, argumentierte sein Staatssekretär Christian Gaebler. Um eine rechtliche Grundlage zu haben, sollte das Tempelhof-Gesetz geändert werden. Aber auch in der SPD gibt es Vorbehalte. Konsens ist bei den Sozialdemokraten allerdings, dass auch am Randgebiet des Tempelhofer Felds die Unterbringung von Flüchtlingen möglich sein soll.
Der Senat hat das Gesetz per Dringlichkeit ins Parlament eingebracht. Und auf Antrag der Linken wird auch darüber debattiert. Die Opposition hat die „Massenunterbringung“ von Flüchtlingen auf dem Ex-Flughafen bereits kritisiert. Das Gesetz wird nach dieser ersten Lesung in den Bau-, Gesundheits- und Hauptausschuss eingebracht. Die Grünen möchten das Gesetz auch im Innen- und Rechtsausschuss besprechen.
Die alten Pläne
Das Entwicklungskonzept für das Flughafengebäude – eine lebendige Start-up-Szene mit Co-Working-Büros, BoardingHotel, Events, Konzerten und Messen – wurde gestoppt. Ab Dezember soll das Gebäude zum Aufnahmezentrum für Flüchlinge ausgebaut werden. Bislang ist von 5000 bis 6000 Flüchtlingen die Rede, es könnte aber auch viel mehr werden, wenn alle vier Flächen genutzt werden.
Ein Konzept, das den Namen verdient, ist nicht erkennbar. Selbst Improvisation sollte man diese Wurstelei nicht nennen.
schreibt NutzerIn heiko61
In drei Hangars leben 2200 Flüchtlinge, ab Dezember sollen weitere Hangars vorbereitet werden. Ab Januar könnten 700 bis 800 Flüchtlinge in der IGA-Blumenhalle untergebracht werden – wenn sie denn dort am Tempelhofer Damm wirklich errichtet wird. Dort war ursprünglich die umstrittene Randbebauung mit Wohnungen und der neuen Landesbibliothek vorgesehen.
Die neuen Pläne
Entstehen soll ein „Aufnahmezentrum für Flüchtlinge“: Das Konzept ist noch etwas diffus. Die Flüchtlinge sollen im Gebäude auch erstregistriert werden, zudem sollen Ausländerbehörde und andere Dienststellen vertreten sein. Sie könnten in der ehemaligen Abflughalle untergebracht werden. Im Januar sei ein „Testlauf“ für die Erstregistrierung geplant, heißt es. Ab Februar soll der Betrieb regulär beginnen. Bislang findet die Registrierung in einem Bürogebäude an der Bundesallee statt.
Bei der Nutzung des Flughafens müssen viele Hürden überwunden werden. Der Flughafen samt Feld ist ein historisches Denkmal und damit gesetzlich geschützt. In die Substanz der Gebäude samt Vorfeld darf nicht eingegriffen werden, das Feld steht teilweise unter Naturschutz, der Boden darf nicht aufgegraben werden, feste Unterkünfte sind verboten. Deshalb möchte der Senat eine Ausnahmeregelung ins Tempelhof-Gesetz schreiben: Bis 2019 sind mobile Bauten für Flüchtlinge in vier ausgewiesenen Zonen am Rand des Feldes erlaubt.
Die ersten Konsequenzen
Eigentlich ist der Flughafen ja auch eine Art Messegelände, ein Partyareal, eine Veranstaltungsfläche – doch damit ist jetzt Schluss. 33 Konzerte, Messen und Firmenveranstaltungen waren für 2016 geplant, darunter wichtige Umsatzbringer wie das Lollapalooza-Festival und das E-Mobility-Rennen, beide Veranstaltungen waren 2015 erstmals ausgetragen worden. Alle 33 Veranstaltungen wurden abgesagt. 5,5 Millionen Euro an Einnahmen entgehen Tempelhof Projekt und damit indirekt auch dem Landeshaushalt. „Wir prüfen Alternativen an anderen Standorten“, sagt Constance Döll, Sprecherin von Tempelhof Projekt, auch, um Entschädigungszahlungen zu verhindern.
Das abgezäunte Vorfeld
Offiziell heißt es, der Aufwand, Wasser- und Stromleitungen zu verlegen, sei zu groß, um die Zelte auf das umzäunte Vorfeld zu stellen. Zudem brauche man das Vorfeld, um 5000 Flüchtlinge in den Hangars versorgen und betreuen zu können. So könnten provisorische Bauten für eine Kita und eine Schule für rund 1000 Kinder vor den Hangars entstehen. Duschcontainer sollen offenbar nicht aufgestellt werden, weil sie von vielen Flüchtlingen aus Schamgefühl gemieden werden. Es seien jetzt mobile Nasszellen mit Dusche und Toilette bestellt worden, die in den Hangars aufgestellt werden.
Bislang werden die Flüchtlinge in Bussen zum Duschen in ein Schwimmbad gefahren.