Illegale Ferienwohnungen in Berlin: Flüchtlinge bringen mehr Profit als Touristen
Der Berliner Bezirk Mitte kämpft gegen Ferienwohnungen, die an Flüchtlinge vermietet werden – finanziert vom Senat. Aktivisten fordern, Ferienwohnungen zu beschlagnahmen.
Ferienwohnung war gestern, inzwischen ist das Geschäftsmodell Flüchtlingswohnung im Kommen. Das sagt Mittes Sozialstadtrat Stephan von Dassel (Grüne).Bei der Recherche nach illegalen Ferienwohnungen stießen seine Mitarbeiter immer öfter auf die Belegung mit Flüchtlingen, weil das noch mehr Geld verspricht, bis zu 500 Euro am Tag für eine Dreizimmerwohnung mit zehn Asylbewerbern, bezahlt vom Lageso oder der Senatsjugendverwaltung, die minderjährige Flüchtlinge unterbringt.
In der Konsequenz, so sieht es von Dassel, finanziert der Senat den Betrieb zweckentfremdeter Wohnungen, den er selbst im Mai 2014 verboten hat. Im aktuellen Unterbringungschaos kümmerten sich die zuständigen Stellen nicht um die Frage, ob eine Wohnung legal vermietet werde oder nicht. Dauerhaft an Flüchtlinge zu vermieten, ist keine Zweckentfremdung.
Werden aber ähnlich wie in Hostels Tagessätze abgerechnet, sieht die Sache anders aus. „Das wird von uns auch verfolgt“, sagt von Dassel. Aktuell geht das Bezirksamt gegen die Betreiber von 84 Ferienwohnungen vor. Die meisten Fälle landen vor Gericht – die Betreiber beantragen vorläufigen Rechtsschutz und können so bis zur Entscheidung erst mal weitermachen.
Vollpension für jugendliche Flüchtlinge
Die Senatsjugendverwaltung bestätigte den Fall eines Vermieters, der in der Oranienburger Straße und in der Großen Hamburger Straße Apartments an Flüchtlinge vermietet, für 70 Euro pro Tag und Person inklusive Vollpension. Dort stünden 86 Plätze für Jugendliche zur Verfügung. Man sei mit dem Bezirk in Kontakt, sagte der Sprecher der Jugendverwaltung, Ilja Koschembar. „Wir sind davon ausgegangen, dass die Vermietung legal ist.“ Sollte es keine Ausnahmegenehmigung geben, werde nach anderen Quartieren gesucht. Dem Lageso seien derzeit keine entsprechenden Fälle bekannt, sagte Sprecherin Silvia Kostner. Wohnungen würden normalerweise längerfristig angemietet.
Der Bezirk Mitte kann im Kampf gegen illegale Ferienwohnungen auf die Unterstützung lokaler Aktivisten setzen. Am Dienstag wurde in der Soldiner Straße 26 in Wedding ein Apartment symbolisch besetzt. Die Soldiner ist keine Touristengegend, doch die schlichten Fassaden täuschen. Hier gibt es durchaus Touristen, nur sind sie selten zu Hause. 60 Ferienwohnungen hat die Aktionsgruppe Basta in der Nachbarschaft gezählt. Die Adressen haben sie mit roten Pinnnadeln auf einem selbst gemalten Kiezplan markiert. Basta, gegründet von Erwerbslosen, hat sein Basislager für drei Tage im „App. 31“ im Dachgeschoss der Soldiner 26 aufgeschlagen. Die 60 Quadratmeter – zwei Zimmer, Küche, Bad, Balkon – kosten nach Basta-Angaben 1800 Euro im Monat.
Medienmeute lümmelt auf den Betten
Die Wohnung sei „beschlagnahmt“, sagen die Aktivisten, eigentlich wurde sie ihnen für drei Tage „zur Verfügung gestellt“, offenbar von einem Mieter. Die Hausverwaltung weiß nichts von der Aktion, die Leiterin, die anonym bleiben möchte, findet es unpassend, dass gerade ihr Haus ausgewählt wurde. „Die Ferienwohnungen sind offiziell genehmigt“, wenn auch nur befristet. Drei oder vier Wohnungen im Haus würden so betrieben, bereits seit Längerem.
Die Leute von Basta geben zusammen mit Vertretern vom Aktionsbündnis gegen Zwangsräumungen eine Pressekonferenz im Wohn- und Schlafzimmer, die Aktivisten nehmen auf der Couch Platz, die Medienmeute lümmelt auf den Betten. Die ganze Wohnung ist mit Transparenten und Spruchbändern dekoriert. In den nächsten Tagen können sich Wohnungslose hier beraten lassen, in fünf verschiedenen Sprachen, denn auf der Suche nach Arbeit und Obdach sind auch viele EU-Bürger, die nach Berlin gezogen sind, um hier Fuß zu fassen. „Es muss niemand auf der Straße schlafen“, sagt Paul, ein junger Mann mit Rastalocken. Wohnraum gebe es genug.
Das Zweckentfremdungsverbot soll vor allem diejenigen treffen, die gewerbsmäßig eine oder mehrere Wohnungen an Touristen vermieten. Wer privat untervermietet, weil er auf Reisen geht, oder seine Wohnung Freunden eine Zeit lang überlässt, darf das auch weiterhin – wenn der Vermieter zustimmt. Eine Ausnahme sind auch die Gästewohnungen der Wohnungsbaugesellschaften.
Nein, es geht hier gar nicht um Flüchtlinge, sondern ausschließlich um das asoziale Verhalten einiger sogenannter Vermieter, die sich auf Kosten der Allgemeinheit am Elend der Menschen eine goldene Nase verdienen - ohne jede Gegenleistung.
schreibt NutzerIn tel33
Was ist verboten - was erlaubt?
Schwierig ist die Abgrenzung der Mietdauer. Wer monatsweise an Gäste vermietet, könnte dem Verbot entgehen, denn dort ist von Vermietung „nach Tagen oder Wochen“ die Rede. Richterliche Entscheidungen stehen dazu noch aus. Bis zum Mai dieses Jahres haben die Anbieter Bestandsschutz. Überwiegt das öffentliche Interesse oder sind „schutzwürdige private Interessen“ zu beachten, können Zweckentfremdungen dauerhaft genehmigt werden. Schutzwürdig wäre etwa, wenn die „wirtschaftliche Existenz“ des Betreibers gefährdet ist. Das müssten im Einzelfall Gerichte entscheiden. Wer Ersatzwohnraum schafft, hat auch gute Chancen auf eine Genehmigung.