Modellprojekt in Berlin-Mitte: Flaniermeile in der Friedrichstraße soll dauerhaft autofrei bleiben
Ursprünglich sollte das Projekt Ende Oktober enden. Nun haben sich Senatsverwaltung und Bezirk auf eine dauerhafte Sperrung des Teilstücks für Autos geeinigt.
Die Friedrichstraße in Berlin-Mitte soll zwischen Französische Straße und Leipziger Straße dauerhaft autofrei bleiben. Das teilte die Berliner Verkehrsverwaltung am Freitag mit. Darauf hätten sich Senatsverwaltung und der Bezirk verständigt.
Die Verwaltung werde eine sogenannte Teilentziehung – also das Schließen einer Straße für bestimmte Verkehrsarten – beim Bezirk beantragen. Die Friedrichstraße bleibt auch während der Dauer des Verfahrens, die die Verwaltung mit voraussichtlich rund sechs Monaten angibt, für den Verkehr gesperrt.
Der Verkehrsversuch, der Ende Oktober enden sollte, "ist nach den Ergebnissen einer Zwischenauswertung erfolgreich verlaufen und bildet die Grundlage für die sogenannte Teileinziehung dieses Abschnitts der Friedrichstraße", hieß es in der Mitteilung der Verwaltung.
Nach erfolgreicher Teilentziehung wollen Verwaltung und Bezirk Konzepte für die Friedrichstraße und das nähere Umfeld entwickeln und weitere Beteiligungsverfahren organisieren. Erste Vorschläge für eine Optimierung des Lieferverkehrs und zu möglichen Einbahnstraßen gebe es bereits, ebenso zur Radverkehrsführung – zum Beispiel eine Vorrangroute über die Charlottenstraße, die parallel zur Friedrichstraße verläuft.
Voraussichtlich Anfang 2022 werden die Auswertungen aus dem Verkehrsversuch für die Themen Verkehr, Umwelt und Wirtschaft vorliegen, teilte die Verwaltung mit. Der Abschlussbericht werde die Grundlage sein für Entscheidungen zur künftigen, dauerhaften Veränderung der Friedrichstraße.
„Die Friedrichstraße soll dauerhaft ein attraktiver Aufenthaltsort für Menschen sein. Die Ergebnisse des Verkehrsversuchs zeigen, dass die überwältigende Mehrheit der Passantinnen und Passanten eine autofreie Friedrichstraße bevorzugen“, teilte Regine Günther (Grüne) mit, Senatorin für Verkehr und Umwelt. „Wir möchten die Attraktivität dieses prominenten Berliner Ortes und seiner Umgebung gemeinsam mit den Berlinerinnen und Berlinern und den Anrainern neu gestalten, mit mehr Grün, mit Plätzen zum Bummeln und Verweilen – angepasst an die Klimaerhitzung, sehr gut erreichbar, aber ohne private Autos.“
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Mittes Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) sagte: „Barcelona, Paris oder Wien machen es vor – autofreie Innenstadtbereiche sind lebendige Quartiere mit hoher Aufenthaltsqualität. Ihre gesteigerte Attraktivität verbessert nicht nur die Lebensqualität der Anwohnenden, sondern zieht auch Gäste und Besuchende an, was wiederrum Einzelhandel und Gastronomie vor Ort stärkt. Wir freuen uns, dass Mitte mit der Flaniermeile Friedrichstraße vorangeht und ein wichtiges Zeichen setzt – auch über die Grenzen unseres Bezirks hinweg.“
CDU: "Die Radautobahn ist alles andere als eine Flaniermeile"
Aus der CDU-Fraktion gab es Kritik an der Ankündigung, dass dort nun dauerhaft keine Autos fahren sollen: „Für Fußgänger fehlt es an Platz, die Radautobahn ist alles andere als eine Flaniermeile. Der Pkw-Verkehr hat sich in andere Straßen verlagert“, sagte der verkehrspolitische Sprecher Oliver Friederici. „Wer da allen Ernstes von einem „vollen Erfolg“ spricht und den Versuch zur Dauerlösung erklärt, betreibt Realitätsverweigerung.“
Die Grünen machten damit deutlich, dass sie das Projekt von Anfang an hätten durchsetzen wollen. „Wir fordern Befragungen und Auswertungen durch unabhängige Experten und Institute. Vorher dürfen keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden.“
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Auch die FDP äußerte am Freitag Kritik. Senatorin Günther verkünde eine Entscheidung zur Friedrichstraße, ohne die öffentliche Diskussion zum Zwischenbericht der Begleitforschung abzuwarten, teilte Henner Schmidt mit, infrastrukturpolitischer Sprecher der Fraktion im Abgeordnetenhaus. „Die Begleitforschung, die über 400.000 Euro gekostet hat und noch keinen Endbericht vorgelegt hat, war offensichtlich nie als objektive Bewertungsgrundlage gedacht“, sagte Schmidt.
Die derzeitige „wenig zum Flanieren einladende Gestaltung der Friedrichstraße mit ihren unattraktiven provisorischen Gestaltungselementen und der breiten Radpiste“ dürfe so keinen dauerhaften Bestand haben. Die neue Landesregierung und der Bezirk müssten „eine zukunftsfähige, für Fußgänger attraktive Gestaltung des Bereichs vornehmen, die dem Anspruch einer Flaniermeile entspricht“, forderte Schmidt.
Knapp 500 Meter langer Abschnitt
Im August 2020 startete das Modellprojekt "Flaniermeile Friedrichstraße" auf dem knapp 500 Meter langen Abschnitt, das zunächst bis Ende Januar 2021 vorgesehen war. "Damit soll die Straße eine neue Aufenthaltsqualität erhalten, ob zum Bummeln, Shoppen, für einen Cafébesuch oder einfach, um die Atmosphäre zu genießen", hieß es damals in der Ankündigung der Verkehrsverwaltung.
Bäume mit Sitzgelegenheiten wurden aufgestellt, ein Fahrradstreifen mit einem Tempolimit von 20 Stundenkilometern eingerichtet. Im Januar 2021 wurde der Modellversuch dann bis Ende Oktober 2021 verlängert. Die erste Projektphase bis Januar kostete insgesamt rund eine Million Euro, wie die Verkehrsverwaltung dem Bund der Steuerzahler mitteilte (der Mitte-Newsletter berichtete). (mit dpa)