In Berlin wird das Geld wieder knapp: Finanzsenator Kollatz rechnet mit weniger Steuereinnahmen
Nach sieben Jahren mit hohen Haushaltsüberschüssen muss sich Berlin von den goldenen Zeiten vorerst verabschieden. Neue Steuerschätzung kommt am 9. Mai.
Rechtzeitig vor der neuen Steuerschätzung stimmt Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) die Berliner und die eigene Koalition auf schlechtere Zeiten ein. „In den nächsten Jahren ist von einer Trendwende bei den Steuern auszugehen“, sagte er dem Tagesspiegel. „Die sehr guten Wachstumszahlen, an die wir uns auch in Berlin schon fast gewöhnt haben, bleiben nicht automatisch erhalten.“
Zwar könnten die Bundesländer versuchen, sich durch eigene wirtschaftspolitische Akzente „in bestimmten Grenzen“ vom Bundestrend abzusetzen. Das wolle auch Berlin erreichen, sagte Kollatz. „Aber selbst dann werden wir künftig mit einem geringeren Wachstum zu rechnen haben.“ Vor zwei Wochen hatte die Bundesregierung die Wachstumsprognose für das laufende Jahr auf 0,5 Prozent halbiert.
Die Stimmung in der Wirtschaft hat sich verschlechtert und die Steuerschätzung, die am 9. Mai in Kiel vorgelegt wird, dürfte die Einnahmeerwartungen für die nächsten Jahre deutlich nach unten korrigieren. Auch wenn das Wirtschaftswachstum in Berlin seit Jahren über dem Bundesdurchschnitt liegt, schlagen schrumpfende Steuereinnahmen auf die boomende Hauptstadt durch, zumal es auch über den Länderfinanzausgleich weniger Geld zu verteilen gibt.
Die neue Steuerprognose wird Grundlage für den Landeshaushalt 2020 und 2021, also die beiden letzten Jahre der Wahlperiode in Berlin. Im Mai führt Finanzsenator Kollatz die Chefgespräche mit den Kabinettskollegen, der Verteilungskampf um die knapper werden Mittel ist voll im Gang. Der Senat will den Etatentwurf am 18. Juni beschließen.
Berlins erster Haushalt mit eingebauter Schuldenbremse
Es ist der erste Doppelhaushalt, der unter den Bedingungen der Schuldenbremse aufgestellt wird. Das bedeutet: Konjunkturell bedingte Haushaltsüberschüsse dürfen nicht mehr beliebig ausgegeben werden. „Verfügbare Spielräume sind vorrangig für investive Maßnahmen zu verwenden“, steht in einem internen Rundschreiben der Finanzverwaltung. Und weiter: „Das Volumen der Steuereinnahmen wird in diesem und in den kommenden Jahren bestenfalls stagnieren.“
Dies erfordere für den neuen Doppeletat eine strikte Ausgabendisziplin, teilte die Finanzverwaltung mit und wies darauf hin, dass für die Personalkosten im öffentlichen Dienst ein „sehr dynamischer Anstieg“ zu erwarten sei und die Zinsausgaben nicht weiter sinken würden.
Für einen Schuldenberg von über 56 Milliarden Euro zahl Berlin jährlich rund 1,3 Milliarden Euro Zinsen. Und die Personalkosten werden sich im Wahljahr 2021 auf mindestens 10,2 Milliarden Euro erhöhen. Vor fünf Jahren waren es noch 7,8 Milliarden Euro.
Berlin wird in absehbarer Zeit vier Millionen Einwohner haben, entsprechend wachsen die öffentlichen Ausgaben – für Kitas und Schulen, Wohnungen und Nahverkehr, soziale Leistungen und Bürgerdienste. Wenn die Steuereinnahmen nicht mehr mithalten, um alles zu finanzieren, wird es schnell eng.
Steuereinnahmen sind im ersten Quartal 2019 gesunken
Einen Hinweis auf die neue Lage liefern auch die Steuereinnahmen Berlins im ersten Quartal 2019. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sind sie um 82 Millionen Euro gesunken. Zwar schlägt dabei die komplizierte Abrechnung des Länderfinanzausgleichs über die Umsatzsteuer zu Buche. Trotzdem ist erkennbar, dass die Einnahmen bei der Gewerbesteuer und den Ertragsteuern rückläufig sind.
Im Vergleich zu den „goldenen Jahren“ seit 2012 ist das eine untypische Entwicklung für die Steuereinnahmen Berlins. Auch der Länderfinanzausgleich, aus dem 2018 noch 4,4 Milliarden Euro in die Hauptstadt flossen, wird nicht mehr so üppig ausfallen. Rot-Rot-Grün muss sich wohl daran gewöhnen, die Steuergelder nicht mehr so großzügig verteilen zu können.
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