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Umstritten. Die Kampagne zur Tegel-Offenhaltung brachte der FDP viele Anfeindungen ein – aber auch einige neue Unterstützer.
©  Stefan Boness/Imago

Freie Demokraten in Berlin: FDP will in den Regelbetrieb zurückkehren

Nach zwei Jahren Dauerwahlkampf beschreibt FDP-Landeschef Christoph Meyer seine Partei als "krisenerprobt".

Er hat schon so ziemlich alles erlebt mit der Berliner FDP – jetzt will Christoph Meyer abermals Landesvorsitzender werden. Auf dem Parteitag am 9. und 10. März bewirbt sich Meyer, inzwischen Bundestagsabgeordneter, um die Nachfolge von Sibylle Meister. Sie hat die Berliner Liberalen in den vergangenen beiden Jahren geführt und gibt das Amt nun, wie sie sagt, mit einem weinenden und einem lachenden Auge auf.

Bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus hatte Meister 2016 ein Mandat gewonnen, seitdem gehört sie dem Hauptausschuss an. Den Bundestagswahlkampf der FDP organisierte sie für und in Berlin. „Zwei Kampagnen und ein Volksentscheid“ seien genug, sagt sie nun. Ihr Beruf als Immobilienmaklerin und das Mandat im Abgeordnetenhaus füllten sie aus.

Meyer grinst, murmelt etwas von „krisenerprobt“

Noch ist nicht sicher, ob sich Meyer ohne einen Gegenkandidaten zur Wahl stellen wird. Schriftlich hat er seinen Parteifreunden schon angekündigt, dass er wieder Landeschef werden will. 2016 waren drei Kandidaten gegeneinander angetreten: Sibylle Meister, der Ingenieur Henner Schmidt, der das Amt kommissarisch innehatte und ebenfalls dem Abgeordnetenhaus angehört, sowie der Unternehmer Hans Bellstedt, Inhaber einer Kommunikationsagentur.

Christoph Meyer, Jahrgang 1975 und gelernter Rechtsanwalt, war damals nur als Bezirkspolitiker der Liberalen aktiv, im mitgliederstarken Bezirksverband Charlottenburg-Wilmersdorf. Zu den Liberalen war er noch als Oberschüler gegangen. Neun Jahre, von 2002 bis 2011, gehörter er dem Abgeordnetenhaus an; in den beiden Jahren vor der Desasterwahl von 2011 führte er die Fraktion.

Dann scheiterte die FDP mit gerade mal 1,8 Prozent der Wählerstimmen. Meyer musste mit einem Getreuen abwickeln, was von der parlamentarischen Existenz der Berliner FDP im Abgeordnetenhaus abzuwickeln war – kistenweise Ordner mit Anträgen, Protokollen, Papieren, Büromöbel, Personalcomputer.

Vom Polit-Absturz in die so genannte Außerparlamentarische Opposition zum Aufstieg in den Bundestag: Meyer grinst, murmelt etwas von „krisenerprobt“, was seine Kandidatur jetzt durchaus begründen kann. Im Bundestag gehört er dem Haushaltsausschuss an. Mit Sebastian Czaja, dem Fraktionschef der Liberalen im Abgeordnetenahaus, verbindet ihn mindestens eine tragfeste politische Freundschaft.

Nach innen harmonisch, nach außen bissig

„Harmonisch“ sei die Stimmung im Landesverband, sagt Meyer, wohl wissend, dass das lange Jahre anders war. Nach zwei Jahren im Ausnahmezustand zweier Wahlkämpfe solle die Partei nun wieder in einen „Regelbetrieb“ hineinfinden. Den hat Sebastian Czaja im Abgeordnetenhaus organisiert. Der Erfinder der „Tegel-muss-offen-bleiben“-Kampagne weiß, wie man den trägen Berliner Politikbetrieb oppositionell aufmischen kann.

Bissig wie keine andere Fraktion gibt sich die FDP mit dem Innenpolitiker Marcel Luthe im Untersuchungsausschuss zum Attentat auf dem Breitscheidplatz. Und Czaja selbst versucht, gegen die Trägheit der rot-rot-grünen Koalition und die manchmal zaghafte CDU-Fraktion das spröde, aber bitter notwendige Thema Verwaltungsreform anzugehen.

Bislang, so der FDP-Frontmann habe sich aber keine der anderen Fraktionen darauf eingelassen, eine Kommission zur Reform des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes (AZG) einkzusetzen. Das wäre sozusagen die Minimallösung, um die oft kritisierten Doppelzuständigkeiten in der Berliner Verwaltung endlich anzugehen und aufzulösen.

Immerhin funktioniere die Verbindung zwischen Abgeordnetenhaus und den Bezirksverordneten gut, sagt Czaja. Auch da geben sich manche Liberale bissig. In Spandau zum Beispiel haben sie beantragt, eine Aufklärungsbroschüre für Kita-Erzieher aus dem Verkehr zu ziehen und zu überarbeiten.

Die Broschüre vermittele den Eindruck, die Aufklärung über sexuelle Vielfalt gehöre zu den „Bestandteilen frühkindlicher Bildung“. Das sehen die liberalen Bezirksverordneten etwas anders. Die in den Kitas betreuten „Kleinstkinder sollen Kind sein dürfen, ohne in jüngsten Jahren mit Fragestellungen zur sexuellen Identität konfrontiert zu werden“, schreiben sie.

„Wir wollen, dass Berlin besser funktioniert“

Eine „funktionierende Stadt“ – das ist für Czaja wie für Meyer gewissermaßen der Titel des Aufgabenkatalogs, mit dem sich Politik in Berlin zu befassen hat: rollender Verkehr, der Bau von Wohnungen. „Wir wollen, dass Berlin besser funktioniert“, sagt Czaja, und das sei es auch, was die vielen neuen FDP-Mitglieder in Berlin wollten.

Laut Czaja haben die Liberalen von 2016 bis 2018 rund 800 neue Mitglieder gewonnen, 3400 seien es jetzt. Viele wollten etwas verändern, weshalb die FDP „zeitgemäßer“ werden müsse – in ihre Kommunikationsformen und Entscheidungswegen. Viele der Generation der heute Vierzigjährigen seien in die FDP gekommen, um an bestimmten Themen zu arbeiten. Auf Dauer müssten die Entscheidungsstrukturen der Partei „weniger hemdsärmelig“ werden, sagt Czaja. Aber zunächst mal stellt auch der Fraktionschef sich auf dem Landesparteitag zur Wahl: Czaja kandidiert abermals als Generalsekretär.

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