Breitscheidplatz-Attentat: Fall Amri: Viele Akten fehlen noch
Der Amri-Untersuchungsausschuss will die verdeckten Tätigkeiten der Sicherheitsbehörden beleuchten. Doch zu V-Leuten wurden noch keine Akten geliefert.
Ein „kleiner Hammer“ war für den Grünen-Abgeordneten Benedikt Lux die Aussage eines LKA-Beamten am Freitag vor dem Amri-Untersuchungsausschuss, dass „faktisch“ nur im Bereich des islamistischen Extremismus Vertrauenspersonen, also szenezugehörige Personen, eingesetzt werden würden.
„Wir priorisieren den Islamismus und haben andere Bereiche zurückgestellt“, sagte der Zeuge, der im Landeskriminalamt (LKA) beim Staatsschutz tätig ist. Lux interpretierte diese Äußerung so, dass im rechts- und linksextremistischen Bereich offenbar keine V-Leute eingesetzt werden. Diese Schlussfolgerung konnten die Abgeordneten von SPD, CDU, AfD und Linken jedoch nicht nachvollziehen.
Am Freitag wurden zwei Zeugen vom LKA gehört – überwiegend in nichtöffentlicher Sitzung. „Es hat sich bestätigt, dass die V-Leute nicht vor dem Anschlag am 19. Dezember an Amri dran waren. Sie hatten ihn erst nach dem Attentat wiedererkannt“, sagte Frank Zimmermann (SPD). Das bestätigte CDU-Politiker Stephan Standfuß.
Ausschuss will verdeckte Tätigkeiten der Sicherheitsbehörden beleuchten
Linkspolitiker Niklas Schrader konstatierte, dass im Umgang mit den beim Staatsschutz geführten V-Personen noch vieles im Dunklen liege. Ungeklärt sei, ob nach dem Anschlag diese „Vertrauenspersonen“ systematisch befragt worden seien. Gerade in diesem sensiblen Bereich brauche der Ausschuss ein „sauberes Bild“, sagte der AfD-Abgeordnete Karsten Woldeit.
Der Ausschuss will die verdeckten Tätigkeiten der Sicherheitsbehörden beleuchten. Ein schwieriges Unterfangen, da vieles der Geheimhaltung unterliegt. Und der Ausschuss kritisiert deutlich, dass immer noch keine Akten zu den V-Leuten geliefert wurden. Diese Kritik ging an die Innenverwaltung. SPD-Politiker Zimmermann bemängelte, dass auch die Unterlagen über das Bundesinnenministerium nur „sehr lückenhaft“ übermittelt worden seien. Der Ausschuss habe den Anspruch, „das zu bekommen, was wir brauchen“, machte der Ausschussvorsitzende Stefan Lenz (CDU) deutlich.
Amri plante laut Ermittlern einen Sprengstoffanschlag
Wie der Tagesspiegel berichtete, plante Amri nach Erkenntnissen von Ermittlern im Spätsommer 2016 auch einen Sprengstoffanschlag mit hochexplosivem TATP – und zwar gemeinsam mit zwei Komplizen, einem Tschetschenen und einem Franzosen. Daraus wurde nichts, weil der Franzose aus Angst vor Entdeckung untertauchte. Doch der Vorgang zeigt, dass Amri zumindest bei diesem Plan bereit war, mit anderen zusammenzuarbeiten. „Das müssen wir genauer untersuchen“, sagte Zimmermann.
Amris Freund Bilel Ben A., der mit ihm noch am Vorabend des Anschlags zusammen gesessen hatte, wurde kurz nach dem Anschlag abgeschoben. Es gibt Hinweise darauf, dass A. an der Tat beteiligt gewesen sein könnte. So kundschaftete A. lange vor dem Anschlag den Breitscheidplatz aus. Der Untersuchungsausschuss des Bundestags zum Anschlag will ihn als Zeugen hören. Der Berliner Ausschuss verspricht sich davon „keinen Mehrwert“, so Zimmermann. Und es ist wohl auch sehr unwahrscheinlich, dass A. freiwillig nach Deutschland zurückreisen würde.
Lesen Sie mehr zum Thema:
- Der Fall Anis Amri – eine Bestandsaufnahme - die wichtigsten Fragen und Antworten zum Breitscheidplatz-Attentäter lesen Sie hier
- Dass Terroristen um Anis Amri einen Sprengstoffanschlag geplant haben sollen, war bekannt. War das Gesundbrunnen-Center im Visier der Terroristen?
- „Es gibt eine Radikalisierung im rechtsextremistischen Bereich“ - Generalbundesanwalt Frank über rechte Gruppierungen, Lehren aus dem NSU-Skandal und das Amri-Attentat in Berlin