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Radverkehr, wie er sein sollte.
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Update

Kostenschätzung des Senats liegt vor: Fahrrad-Volksentscheid sammelt jetzt Unterschriften

Auf über zwei Milliarden Euro schätzt der Senat die Kosten für die Pläne der Rad-Initiative - deutlich mehr als die Aktivisten selbst errechnet hatten. Die können jetzt beginnen, Unterschriften zu sammeln.

„Wir sind bestens vorbereitet und haben heute das Startsignal zum Sammeln gegeben“, erklärte Denis Petri, einer der Aktivisten des Volksentscheids Fahrrad, am Mittwochnachmittag. „Wir erkennen die Radfahrer an ihrem Fahrrad – das macht es für uns leichter als bei anderen Volksentscheiden“. Hunderte Freiwillige würden beim Sammeln der erforderlichen 20.000 Unterschriften helfen. Zuvor hatte der Senat die „amtliche Kostenschätzung“ vorgestellt: 2,1 Milliarden Euro kostet der Gesetzentwurf der Initiative Volksentscheid Fahrrad nach Berechnungen des Senats. Die Initiatoren selbst hatten die Kosten auf 320 Millionen Euro taxiert. Damit tut sich zwischen Senat und Initiative, wie erwartet, ein breiter Graben auf. Der Senat hält den geplanten Volksentscheid Fahrrad für unvernünftig und vor allem – unbezahlbar. „Wenn man diesen Standard will, dann hat das seinen Preis“, sagte Verkehrsstaatssekretär Christian Gaebler (SPD) bei der Vorstellung der Kostenschätzung. Allein die im Gesetzentwurf vorgesehenen 100 Kilometer Fahrradschnellwege kosteten mindestens 325 Millionen Euro, die geforderten Radwege und -streifen an allen Hauptverkehrsstraßen summierten sich auf 1,4 Milliarden Euro.

Grüne: „Der Senat hantiert mit Mondpreisen“

Die amtliche Kostenschätzung ist die formale Voraussetzung, um mit der ersten Phase des Volksbegehrens beginnen zu können. Die Initiatoren wollten eigentlich schon vor Wochen loslegen, mussten aber auf die Kostenschätzung warten. Die Materie sei kompliziert, sagte Gaebler, außerdem sei die Verwaltung parallel mit einer zweiten Kostenschätzung beschäftigt, deshalb habe es etwas länger gedauert. Die Grünen kritisierten die Kostenschätzung zum Volksentscheid Fahrrad als unseriös. „Der Senat hantiert mit Mondpreisen“, sagte der Verkehrsexperte der Grünen, Stefan Gelbhaar. Radschnellwege in Dänemark oder Nordrhein-Westfalen seien deutlich billiger ausgefallen. Man werde die Zahlen „auf weitere Unstimmigkeiten“ prüfen. Auch der Mitgründer der Rad-Initiative, Heinrich Strößenreuther, zeigte sich überrascht. „Dass die Zahlen so hoch sind, hätte ich nicht gedacht. Vielleicht hat der Senat seine Fahrradwege noch maroder eingeschätzt, als wir das getan haben.“

Die Umsetzungsfrist ist zu kurz

Für die Umsetzung der geforderten Radwege, -stellplätze und -schnellwege sehe der Gesetzentwurf einen Zeitraum von acht Jahren vor, sagte der Verkehrsplaner der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Horst Wohlfahrt von Alm. Diese relativ kurze Frist verteure die Vorhaben erheblich. Eine Koordinierung mit Bauvorhaben anderer Akteure wie BVG oder Wasserbetriebe sei innerhalb von acht Jahren kaum möglich, deshalb könnten keine Synergieeffekte genutzt werden. Würde man die Vorhaben auf 20 bis 25 Jahre strecken, wie normalerweise üblich, und die geforderten Qualitätsstandards herabsenken, ließe sich rund eine Milliarde Euro einsparen.

Die Initiative habe teilweise Forderungen über den Bedarf hinaus aufgestellt, kritisierte Wohlfahrt von Alm, etwa bei den Stellplätzen. 200.000 zusätzliche Radparkplätze sollten gebaut werden, die Verwaltung rechnet aber nur mit einem Bedarf von rund 78.000. Die Kosten lägen bei 125 Millionen Euro, weil die Verwaltung nicht nur einfache Fahrradbügel kalkuliert hat, sondern auch Radparkhäuser und Doppelstock-Abstellanlagen.

Straßenbäume stören Radverkehr

Insgesamt 2550 Kilometer Radwege an Hauptverkehrsstraßen müssten saniert oder neu gebaut werden, erklärte Wohlfahrt von Alm. In vielen Fällen sei es nicht möglich, einfach Radfahrstreifen zu markieren, wie die Initiatoren des Volksentscheids unterstellten. Im Fall der Treskowallee in Karlshorst habe man wegen der Enge der Straße sogar Vorgärten kaufen müssen, um einen Radweg anlegen zu können. Wie viele Parkplätze oder Fahrspuren für Autos beim Radwegausbau wegfallen würden, konnte Wohlfahrt von Alm nicht sagen. Das oft zitierte Vorbild der Fahrradstadt Kopenhagen lasse sich auf Berlin schon wegen der Straßenbäume kaum übertragen, erklärte Gaebler. „In Kopenhagen gibt es so gut wie keine Straßenbäume, in Berlin schon, und die wollen wir behalten.“

Nach Angaben von Gaebler gibt Berlin jährlich rund 35 Millionen Euro für den Radverkehr aus, diese Summe wolle der Senat weiter ausbauen, so dass auf einen Zeitraum von 20 bis 25 Jahren gerechnet durchaus eine Summe von einer Milliarde Euro an Investitionen erreicht werde. Um die bisweilen sehr langwierige Umsetzung von Radwegplanungen und den Umbau von Kreuzungen zu beschleunigen, will Bausenator Andreas Geisel (SPD) einen Landesbetrieb Fahrrad gründen. Dieser Betrieb solle Bauplanungen, an denen viele Ämter beteiligt werden müssten, steuern und vorantreiben, „damit nicht alle immer aufeinander warten“, so Gaebler.

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