Alkoholkontrollen bei Bussen und Bahnen: Die BVG lässt vor Dienstantritt pusten
Ein betrunkener ICE-Lokführer vergisst einen Stopp im Bahnhof und fährt durch. Die BVG lässt ihre Fahrer seit 20 Jahren nach Zufallsprinzip pusten.
Um 21.28 Uhr fuhr ICE 993 Hamburg-Leipzig am Berliner Hauptbahnhof ab, 21.35 Uhr dann am Südkreuz, anschließend ging es hinaus nach Brandenburg. Zu dieser wusste noch niemand: Der ICE-Lokführer ist sturzbetrunken.
Nachdem er in Wittenberg, kurz hinter der Brandenburger Landesgrenze, den fahrplanmäßigen Zwischenstopp verpasst hatte und durch den Bahnhof fuhr, alarmierte der Schaffner zufällig mitreisende Bundespolizisten. In Bitterfeld hielt der Lokführer dann wieder - und hier war die Fahrt zu Ende. Ein Alkoholtest der Polizei ergab 2,49 Promille.
Solche Fälle wie diesen am Dienstag sind selten, aber sie gibt es. Die Verkehrsunternehmen reagieren mit großer Härte gegen Alkohol im Führerstand. Bei der Bahn werde der Triebfahrzeugführerschein sofort eingezogen und dem Eisenbahnbundesamt als Aufsichtsbehörde übergeben. Um ihn wiederzuerlangen, müsse der Betroffene anhand medizinischer und psychologischer Untersuchungen belegen, dass es nur ein Ausrutscher war und kein krankheitsbedingter Alkoholmissbrauch vorliegt.
Bei der Berliner BVG müssen alle Fahrer, egal ob bei U-Bahn, Bus oder Straßenbahn mit Alkoholkontrollen bei Dienstbeginn rechnen. Der Vorgesetzte bestimmt nach dem Zufallsprinzip, wer pusten muss. Diese Regelung gilt jetzt seit ziemlich genau 20 Jahren.
Im Januar 1999 war eine 42-Jährige im Führerstand eines Zuges auf der U6 im Bahnhof Stadtmitte zusammengebrochen. Zuvor war Fahrgästen der rabiate Fahrstil aufgefallen, nicht immer war es der Frau gelungen, korrekt am Bahnsteig zu halten, teilweise standen Waggons im Tunnel. Sie hatte laut Polizei 3,6 Promille im Blut, bei diesem Wert besteht schon Vergiftungsgefahr.
Mit 3,6 Promille in der U-Bahn
Der Fall hatte Schlagzeilen gemacht, nun griff die BVG richtig durch. Die Fahrerin wurde entlassen, anschließend beschaffte die BVG für jeden Betriebshof Alkoholtestgeräte. In den Jahren zuvor waren mehrfach betrunkene Busfahrer erwischt worden, teils nach Unfällen.
Wenn seitdem bei einem solch zufälligen Test ein Fahrer mehr als 0,0 Promille hatte, war es meist Restalkohol vom Vorabend, sagte BVG-Sprecherin Petra Reetz. Der Fahrer dürfe seinen Dienst nicht antreten und werde für diesen Tag nicht bezahlt. Richtig alkoholisierte Fahrer würden nicht mehr erwischt, weil dann der Führerschein verloren gehe, der sei für einen Fahrer schließlich "die Lebensgrundlage", sagte Reetz. "Die Kontrollen haben sich herumgesprochen. Keiner weiß, wann er dran ist."
Restalkohol? Dann kriegen BVG-Leute kein Geld
Immer wieder melden Fahrgäste einen vermeintlich betrunkenen Busfahrer, nach dem Motto: "So wie der fährt, muss er betrunken sein." Diese Behauptungen haben in den letzten Jahren nie gestimmt, berichtet Reetz. Grundsätzlich gilt laut Straßenverkehrsgesetz für alle Fahrten, bei denen ein Personenbeförderungsschein benötigt wird, also Busfahrer und Taxifahrer, ein absolutes Alkoholverbot von 0,0 Promille. Identische Regeln gelten für Lokführer bei Bahn oder U-Bahn.
2012 war ein Busfahrer unter Drogen erwischt worden. Er war zweimal bei Rot über die Ampel gefahren und hatte einen Radfahrer abgedrängt. Fahrgäste riefen die Polizei, ein Drogentest schlug auf Kokain an.
Bei der Bahn war 2014 ein Lokführer eines IC auf der Fahrt von Hamburg nach Berlin mit 2 Promille erwischt worden. Auch hier war dem Schaffner die rabiate Fahrweise mit heftigem Bremsen aufgefallen. Damals hatte die Bundespolizei mitgeteilt, dass solche Fälle extrem selten seien.
Gefahr für die Fahrgäste besteht in der Theorie nicht, da Züge - egal ob U-Bahn oder große Bahn - zwangsgebremst werden, wenn sie ein rotes Signal überfahren.
+++
Lesen Sie mehr aus Ihrem Bezirk: Unsere "Leute"-Newsletter können Sie bestellen unter https://leute.tagesspiegel.de/
Jörn Hasselmann