Alkohol im Führerstand: Betrunkener Lokführer hatte zwei Promille
Der Atemalkohol-Test des betrunkenen Intercity-Lokführers hat 2,0 Promille ergeben. Die Blutprobe steht noch aus. Bei der BVG gab es mal einen Kokain-Fall
Der Atemalkohol-Test beim Lokführer, dessen IC am Dienstagabend die Strecke Hamburg-Berlin lahmgelegt hatte, hat 2,0 Promille ergeben. Das teilte die Bundespolizei am Donnerstag auf Anfrage mit. "Der für das Verfahren entscheidende Wert der Blutprobe steht noch aus, aber erfahrungsgemäß pendelt sich das in einem ähnlichen Bereich ein", sagte der Sprecher Meik Gauer. Derzeit werden Zeugen befragt, ob es schon vorher Auffälligkeiten beim Zugführer des Intercity gegeben hatte. Zum aktuellen Stand der strafrechtlichen Ermittlungen gab es zunächst keine nähere Auskunft.
Offenbar ist es zumindest für die Bundespolizei in Berlin und Brandenburg einer der ersten Fall mit einem betrunkenen Lokführer. "Wir führen darüber keine Statistik. Ich habe mich aber im Kollegenkreis umgehört und da konnte niemand etwas berichten", sagte Gauer.
Der Lokführer wollte von Hamburg über Berlin-Spandau nach Dresden
Wie berichtet, war den Schaffnern die merkwürdige Fahrweise des Kollegen aufgefallen. Als die Kontaktaufnahme in die Lok scheiterte, zog ein Zugbegleiter schließlich um 18.15 Uhr die Notbremse. Der Intercity 2071 auf der Fahrt von Hamburg nach Dresden stoppte schließlich westlich von Berlin-Spandau, in Paulinenaue kurz vor Nauen. Die 150 Reisenden konnten erst nach zwei Stunden ihre Fahrt fortsetzen – mit einem Ersatzlokführer. Auf dem Feld neben dem Zug war in der Dunkelheit sogar ein Rettungshubschrauber gelandet, weil die Zugbegleiter sich um die Gesundheit des Lokführers gesorgt hatten.
Auch bei der Bahn weiß man keine vergleichbare Fälle. "Für unseren Bereich ist nichts bekannt", sagte der Sprecher für Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Darüber, wie es nun mit dem Lokführer weitergeht, wollte der Sprecher nur indirekt Auskunft geben - "Zu laufenden Verfahren äußern wir uns grundsätzlich nicht." Allgemein sei aber klar, dass Alkoholverstöße genauestens geprüft werden und gegebenenfalls arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Sollte die Blutprobe den Verdacht bestätigen, wird der Eisenbahnfahrzeugführerschein ohnehin eingezogen. Derzeit ist der Lokführer krankgeschrieben und nicht zu erreichen.
Die Lebensgrundlage steht auf dem Spiel
Auch der BVG-Pressesprecher hörte in seinen zehn Jahren Dienstzeit von keinem einzigen betrunkenen Fahrer. "Es kommt hin und wieder vor, dass ein Fahrgast behauptet, der Fahrer sei betrunken", erzählte er. Dann komme sofort die Polizei und kontrolliere. "Das Ergebnis war bisher immer Null Komma Null Promille." Davon abgesehen gebe es von der BVG aus fast täglich stichprobenartige Kontrollen der Angestellten. Auch die seien in den vergangenen zehn Jahren allesamt negativ ausgefallen. Bei Unfällen mit BVG-Beteiligung wird immer sofort auf Alkohol geprüft.
Der Sprecher hat eine einfache Erklärung für die Nüchternheit der Fahrer: "Da will ja niemand seinen Lebensgrundlage riskieren. Wenn der Personenbeförderungsschein wegen Alkohols entzogen wird, gilt das für immer". Zudem liefern die betriebsärztlichen Untersuchungen Aufschluss über die Trinkgewohnheiten der Angestellten. Wenn dabei jemand auffällt, schaltet sich das Gesundheitssystem ein.
Bus-, U-Bahn- und Tramfahrer werden ständig gesehen
Aber das alles gilt freilich auch für Lokführer der deutschen Bahn. Ein "gewaltiger Unterschied" zwischen Zug- und U-Bahn-, Bus- und Lokführern besteht jedoch, glaubt der BVG-Mann. Während für die BVG nur wenige Minuten zwischen den Stationen liegen, haben Intercity-Züge oft weite Strecken zwischen den Bahnhöfen zu überbrücken.
"Zugführer sind in dieser Zeit quasi unsichtbar, unsere Fahrer werden ständig gesehen. Da kann auch auch mal ein Kollege oder der Chef an der Haltestelle stehen; auch wenn das nicht so wahrscheinlich ist, schreckt das zusätzlich ab", glaubt der BVG-Mann. Ganz und gar nicht unsichtbar war beispielsweise ein Busfahrer, der im August 2012 auf Kokain unterwegs war. Er war im August 2012 nicht alkoholisiert, saß aber unter Kokain-Einfluss am Steuer: Er soll auf der Strecke des X 83 zwischen Rathaus Steglitz und Malteserstraße einen Radfahrer abgedrängt haben und zweimal bei roter Ampel weitergefahren sein. Ein Fahrgast alarmierte die Polizei, wenig später wurde der Fahrer aus dem Verkehr gezogen..
IC-Fahrer konnte sich abschotten
Das ist bei einem Intercity gar nicht so leicht möglich: Der Eisenbahner konnte sich in seiner Führerkabine lange Zeit erfolgreich von den Zugbegleitern und Passagieren abschotten, bis sie schließlich im Havelland aus Sorge die Notbremse zogen. Der Lokführer hatte sich merkwürdig benommen, zu spät gebremst oder beschleunigt, wo es unüblich ist. Die Zugbegleiter versuchten, über eine Fernsprechanlage mit dem Mann Kontakt aufzunehmen, doch der antwortete nicht. Wie die Bahn bestätigte, ist dies das vorgeschriebene Verhalten.
Zusätzlich zur Kontrolle durch das mitreisende Bahnpersonal gibt es eine automatische Bremsvorrichtung, wenn ein Lokführer sich längere Zeit nicht meldet. Damit soll verhindert werden, dass beispielsweise der Kreislaufkollaps eines Zugführers zu einer Katastrophe führt. Diese Vorrichtung konnte der Betrunkene offenbar umgehen.
Nach der Notbremsung konnten die Bahnpassagiere konnten den Zug unversehrt verlassen. Nach einiger Wartezeit konnte ein Ersatzfahrer die Strecke übernehmen.
Martin Pfaffenzeller