Durch Berlin und Brandenburg: Lokführer fährt einen ICE - mit 2,5 Promille
Ein ICE von Hamburg über Berlin nach Leipzig verpasste einen Halt. Der Zugchef informierte Bundespolizisten - und die stoppten den Lokführer.
Die ruckelige Fahrweise des ICE lässt den Zugchef misstrauisch werden, dann rauscht der Zug auch noch am geplanten Halt in Wittenberg vorbei: In Sachsen-Anhalt ist ein betrunkener Lokführer aus dem Zug geholt worden. Ein erster Test ergab einen Atemalkoholwert von knapp 2,5 Promille, wie Bundespolizei-Sprecherin Chris Kurpiers am Donnerstag sagte. Die Bahn nahm dem 49-Jährigen den Triebfahrzeugführerschein ab und kündigte Konsequenzen an. Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn forderte: „Wer so erwischt wird, ist die längste Zeit seines Lebens Lokführer gewesen.“
Was war passiert? Der ICE 993 von Hamburg nach Leipzig hätte am Dienstagabend um 22.11 Uhr in Wittenberg in Sachsen-Anhalt halten sollen. Doch der Lokführer rauscht einfach durch den Bahnhof durch. Der Zugbegleiter, dem bereits zuvor eine ungewöhnlich ruckelige Fahrweise des Zugs aufgefallen war, wendet sich an zwei Bundespolizisten, die in dem ICE auf der Heimfahrt von Berlin sind. Sie alarmieren Kollegen der Landespolizei, die den betrunkenen Lokführer beim nächsten Halt wenig später in Bitterfeld aus dem Zug holen. So schildert Bundespolizei-Sprecherin Kurpiers den Vorfall.
Reisende, die in Wittenberg aussteigen wollten, mussten mit dem nächsten Zug zurückfahren. Ein neuer Lokführer übernahm den ICE 993, mit etwa 65 Minuten Verspätung erreichte er sein Ziel Leipzig. Einen ähnlichen Fall mit so stark betrunkenem Lokführer habe sie noch nicht erlebt, sagte Kurpiers. Zuvor hatte die „Mitteldeutschen Zeitung“ über den Vorfall berichtet.
Der Mann werde bis auf weiteres nicht mehr eingesetzt, sagte ein Bahn-Sprecher in Leipzig. Sein Führerschein wurde dem Eisenbahnbundesamt übergeben. Um ihn wiederzubekommen, müsse der 49-Jährige ähnlich wie im Straßenverkehr umfassende medizinische und psychologische Tests machen. Für Lokführer gelte eine strikte Null-Promille-Grenze. „Jeder Lokführer weiß seit seiner Einstellung, dass Alkohol im Dienst gar nicht geht“, sagte der Sprecher.
Es stünden auch arbeitsrechtliche Konsequenzen im Raum. Welche das sein könnten, ließ der Sprecher offen. Zunächst müsse man das Ergebnis der Ermittlungen durch die Bundespolizei abwarten. Die ermittelt laut Kurpiers wegen Gefährdung des Bahnverkehrs - strafrechtlich drohen dem betrunkenen Lokführer damit eine Geldstrafe oder bis zu fünf Jahre Haft.
Betrunkene Lokführer seien Einzelfälle, betonten Bahn und Fahrgastverband. Das Unternehmen vertraue darauf, dass sich seine Beschäftigten an die Regeln halten, sagte der Bahn-Sprecher. Alkohol-Tests vor Fahrtantritt sei auch aus Gründen der Persönlichkeitsrechte nicht möglich. Ähnlich äußerte sich Karl-Peter Naumann von Pro Bahn. Es gebe bereits viele Sicherheitseinrichtungen. Der Lokführer müsse zum Beispiel alle zwei Minuten eine Wachsamkeitstaste drücken. Tue er das nicht, werde der Zug automatisch abgebremst. „Wenn der so voll ist, dass er einschläft oder vom Stuhl fällt, steht der Zug zwei Minuten später.“
In den sozialen Netzwerken löste der Vorfall zahlreiche ironische Kommentare aus. Ein Nutzer schrieb: „Der Mann hat nach dem Alkoholkonsum extra sein Auto stehengelassen und öffentliche Verkehrsmittel benutzt! Vorbildlich!“.
Dass Lokführer versehentlich an einem Bahnhof vorbeifahren, kommt immer mal wieder vor. Neben Wittenberg und Bitterfeld waren Züge auch schon mehrfach an Wolfsburg vorbeigerauscht. Auch Göttingen und Uelzen in Niedersachsen waren schon betroffen.
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