Autonomes Fahren: Fahrerloser Kleinbus der BVG rollt bald durch Tegel
Die BVG will voraussichtlich noch im August einen selbstfahrenden Kleinbus auf eine für jedermann zugängliche Straße rollen lassen. Und das gratis.
Es wäre der erste Bus dieser Art im öffentlichen Verkehr der Berlins und einer der ersten deutschlandweit. Das elektrisch angetriebene Shuttle soll den U-Bahnhof Tegel mit den Seeterrassen am Tegeler See im Bezirk Reinickendorf verbinden. Dafür werde eine Ringlinie eingerichtet, kündigten die Berliner Verkehrsbetriebe am Donnerstag an.
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Insgesamt 1,2 Kilometer ist die Strecke lang, an vier Haltestellen können maximal sechs Fahrgäste ein- und aussteigen, 15 Minuten dauert eine Runde.
Wer einsteigen möchte, muss keinen Fahrschein lösen: Die Fahrt ist für alle Interessierten kostenlos.
An Wochentagen fährt der Bus zwischen 7.30 Uhr und 11 Uhr und zwischen 15 und 18.30 Uhr. Sonnabends und Sonntags ist er pausenlos zwischen 10.30 und 17.30 Uhr unterwegs.
„Ziel des Projektes ist es, herauszufinden, ob der Einsatz hochautomatisierter Kleinbusse im öffentlichen Nahverkehr sinnvoll ist“, sagte Katja Kürbis, die bei der BVG das Projekt „See Meile“ verantwortet. Die insgesamt neun Projektpartner (darunter auch die Deutsche Bahn Tochter Ioki) wollen die Fahrgäste während der Testfahren befragen, was sie von dem neuen Verkehrsmittel halte. Auch die Anwohner des Kiezes sollen einbezogen werden, hieß es.
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Berlins Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe unter Leitung von Ramona Pop (Grüne) bezuschusst Projekt mit 200.000 Euro. Zunächst soll der Bus nur bis Jahresende fahren. Für die Fahrzeug- und Streckenzulassung ist die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz von Regine Günther (parteilos) zuständig. Letztere Bescheinigung steht noch aus. Erst dann kann es losgehen.
Bislang waren selbstfahrende Busse in Berlin nur auf Privatgelände unterwegs. Bis 2018 drehte ein Kleinbus seine Runden auf dem Forschungscampus EUREF am ehemaligen Gasometer in Schöneberg. Seit 2018 sind vier weitere E-Shuttle auf den Standorten der Charité Mitte und dem Virchow-Klinikums unterwegs. Die BVG testet derzeit diverse Mobilitätskonzepte - zum Beispiel auch den 2017 gestarteten Ridesharing-Service "Berlkönig" mit konventionellen Fahrzeugen.
Jemand von der BVG ist stets an Bord - kann aber nicht lenken
Völlig autonom fahren diese Fahrzeuge allerdings nicht, auch auf der neuen Linie in Tegel wird aus Sicherheitsgründen nach wie vor Personal an Bord sein, wenn der Bus mit maximal 15 Stundenkilometern über die Promenade zuckelt. Im Notfall soll die Begleitperson eingreifen können. Einen Fahrerplatz gibt es in dem Fahrzeug des französischen Hersteller Easymile nicht, auch kein Lenkrad oder Gaspedal, dafür aber einen Notknopf, über den das Fahrzeug bei Gefahr gestoppt werden kann. Über Sensoren und Radar scannt der „EZ 10 Gen2“ seine Umgebung nach Hindernissen ab.
„Das Fahrzeug kann noch nicht alle Verkehrssituationen selbstständig bewältigen“, betont Arwed Schmidt, bei Easymile zuständig für das Berliner Projekt. Deshalb fahre der Bus ausschließlich auf einer zuvor vermessenen und programmierten Route. Die Geschwindigkeitsbegrenzung diene der Sicherheit. Bei höheren Geschwindigkeiten ließe sich nicht garantieren, dass „jedes möglicherweise auftretende Verkehrsszenario abgebildet werden kann“. Bei der „See-Meile“ handle sich „um ein Startprojekt im öffentlichen Raum“, betont Schmidt den Forschungscharakter des Vorhabens. Man wolle testen, inwiefern das Shuttle dem Berliner Herbst mit Laub, Wind und Regen gewachsen sei.
Hamburg plant einen 50 km/h-Shuttle
Bisher gibt es auf der Strecke in Tegel weder Bus noch Straßenbahn. Die neue Linie soll die Lücke schließen. Das ist die Hoffnung, die Verkehrsexperten mit automatisierten Bussen verbinden. Sie glauben, dass diese künftig entlegene Gebiete mit dem öffentlichen Nahverkehr verbinden könnten, ohne dass neue Schienen verbaut oder große, teurere Linienbusse eingesetzt werden müssten. Kombiniert mit einer App, über die sich die Shuttles bei Bedarf rufen lassen, würden sie eine günstigere und flexible Alternative zu herkömmlichen Verbindungen bieten.
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Derzeit werden auch in Frankfurt, Bayern, Mainz und Nordrhein-Westfalen ähnliche Konzepte getestet. Erst diese Woche hat die Hamburger Hochbahn den Testbetrieb mit einem autonomen Kleinbus gestartet. Pünktlich zur internationalen Mobilitätsmesse ITS 2021 soll er auf einer knapp zwei Kilometer langen Strecke die Besucher durch die HafenCity kutschieren können - mit bis zu 50 Stundenkilometern – ohne Sicherheitsfahrer.
Wenn das tatsächlich klappt, würden die Hamburger Verkehrsbetriebe die Berliner und andere Piloten im Wortsinn überholen. Doch noch sind bei den dortigen Testfahrten keine Fahrgäste an Bord, sie dürfen erst nächstes Jahr erstmalig zusteigen. Das Wettrennen um die „autonome Zukunft“ des öffentlichen Nahverkehrs hat begonnen.