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Am BER hat es sich ausgekuschelt.
© Thilo Rückeis

Ausstieg von Transparency International beim BER: Fahnenflucht oder spektakulärer Warnruf gegen Bestechung?

Transparency International steigt beim BER aus. Was bedeutet das? Die Korruptionsbekämpfer erklären, wieso sie von der Flughafenleitung enttäuscht waren – die weist die Vorwürfe zurück.

Sympathien haben sie mit dieser einsamen Entscheidung nicht gewonnen, die aufrechten Kämpfer gegen die Korruption: Deren einseitige Kündigung des Paktes mit der Flughafengesellschaft, der immerhin mehr als zehn Jahre bestanden hatte, sehen Mitglieder des Berliner Untersuchungsausschusses zur Aufklärung des Chaos am Pannen-Airport fast schon als Fahnenflucht. Transparency International dagegen begründete seinen Schritt mit einer Art Vertrauensbruch: Wie sollte man sich noch als „Partner“ der Flughafengesellschaft begreifen, wenn diese schlicht nicht informiere über dort eingehende Schreiben voller Hinweise auf Bestechungsversuche?

Ende März war die Bombe geplatzt: In einem Schreiben an BER-Chef Karsten Mühlenfeld hatte Gisela Rüß, bei Transparency International zuständig für den „Integritätspakt“ mit der Großbaustelle, die Reißleine gezogen. Transparency sehe keine Möglichkeit mehr, Verantwortung für die Vorgänge am BER zu übernehmen. Von dem anonymen Brief, der bereits im Juni des Jahres 2013 beim BER eingegangen war, hatte Rüß erst in diesem Jahr aus den Medien erfahren. Hätte sie davon früher gewusst, dann hätte man darauf gedrungen, die Staatsanwaltschaft einzuschalten, sagt Rüß. Die Flughafengesellschaft unterließ das zunächst. Erst nachdem ein zweites, konkreteres Schreiben einging, wurden die Ermittler eingeschaltet. Und auch von diesem Schreiben erfuhren die Korruptionsbekämpfer erst spät. Zu wenig Transparenz für Transparency – deren Frontfrau zog die Reißleine.

BER zeigt sich über Ausstieg "verwundert"

„Schnell runter vom sinkenden Schiff, das ist eine Form des Selbstschutzes“ sagt Stefan Evers (CDU), Mitglied des BER-Untersuchungsausschusses. Besser als mit einem „lauten Knall“ auszusteigen, hätten die Korruptionsbekämpfer erst mal die Zuständigkeiten prüfen sollen: Waren sie überhaupt geholt worden, um solche Fälle aufzuarbeiten – oder war das nicht eher die Aufgabe des Compliance-Beauftragten beim BER, der für die Einhaltung von Richtlinien und Regeln im Unternehmen zuständig ist?

Der BER wiederum griff nach dem Alleingang von Transparency zu der Sprachregelung, die sonst auch schon mal als Ausdruck von Missbilligung verwendet wird: „Verwundert“ sei man über den Schritt. Und man hätte erwartet, dass Transparency sich vor einer solchen Entscheidung mit den BER-Verantwortlichen in Verbindung gesetzt hätte.

Transparency: Zeitdruck machte BER anfälliger für Bestechung

War der Rückzug also die Überreaktion beleidigter Gutmenschen, die um das Reinheitsgebot ihres Engagements fürchten? Wer eine Antwort auf diese Frage sucht, muss ins schicke Scheunenviertel in Mitte. Dort, in der Alten Schönhauser Straße, befindet sich das Büro von Transparency im ersten Stock eines verwitterten Wohnhauses. Viel Geld ist nicht: Spender finanzieren Transparency und sogar Vorstandsmitglieder wie Gisela Rüß spenden ihre Arbeitskraft, denn Geld gibt es für den Job nicht. Braucht sie auch nicht, denn die frühere Ministerialrätin aus Bonn hat ja ihre Pension – und jahrelange Erfahrungen bei der Korruptionsbekämpfung.

Beim Innenministerium in Potsdam knüpfte sie unter Jörg Schönbohm Netzwerke gegen die Korruption und verfasste eine Richtlinie zur Korruptionsprävention, die per Kabinettbeschluss in Kraft trat. Auch in Rumänien war sie als Beraterin gefragt, wobei man die Dinge dort grundlegender anpacken muss: „Denn dort ist es nicht ungewöhnlich, dass man eine Anzeige erstattet, wenn man Schmiergeld bezahlt hat, aber die dafür vereinbarte Gegenleistung nicht erhält“, sagt Rüß.

Abgehärtet müsste sie also sein, die drahtige Vorstandsdame, warum also die dünnhäutige Reaktion im Fall des Flughafens? „Wir hatten bereits Ende 2012 Hinweise darauf, dass das mit dem Vergaberecht am BER nicht mehr ganz so genau genommen wird“, sagt sie. Damals wuchs der Zeitdruck immens und das Projekt sei deshalb anfälliger für Bestechlichkeit geworden. Das liege in der Logik des Termindrucks und sei keineswegs eine Besonderheit am BER: Firmen, die von Fristen und Zwängen ihres Auftraggebers wissen, sind schon mal versucht, einen „Aufschlag“ für besonders prompte Erledigungen von Arbeiten zu fordern.

Vor diesen Gefahren habe Transparency ausdrücklich gewarnt – von den anonymen Hinweisen auf die Korruptionsvorgänge am BER trotzdem nichts erfahren. „Seitdem fühlen wir uns nicht mehr als Partner ernst genommen“, sagt Rüß. „Vielleicht hätten die Dinge einen anderen Lauf genommen, wenn wir davon gewusst hätten“. Weil die Ermittler früher eingeschaltet worden wären. Und weil man Konsequenzen aus dieser Erfahrung hätte ziehen können.

Flughafengesellschaft weist Vorwürfe zurück

Die Flughafengesellschaft weist das zurück. Dass „die sichtbare Ernsthaftigkeit aller Beteiligten“ beim Kampf gegen die Korruption fehle, sei falsch. Es gebe „Integritätsverträge“ mit den Baufirmen, die unter Beteiligung von Transparency entstanden, diese würden auch fortgeführt, ebenso wie die Zusammenarbeit mit dem externen Beobachter, der die Auftragsvergaben prüft. Man unterstütze außerdem die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft.

Dass der Austausch über diesen Fall zu den Absprachen mit Transparency zur Integrität gehört – und nicht das alleinige Thema des Compliance-Beauftragten ist – steht für Rüß außer Frage. Zumal das „Monitoring“ der vergebenen Aufträge, also die Überprüfung der auf der Baustelle abgewickelten Geschäfte, das eine „Standbein“ sei, auf dem die Kooperation fußte. Das zweite sei die Ausgestaltung der Ausschreibungen. Naiv sei es anzunehmen, jeder Fall von Korruption könne verhindert werden. Allenfalls „Stichproben“ seien bei der Prüfung von Aufträgen möglich. Außerdem könne der Rahmen so gestaltet werden, dass Bestechung beschwerlich ist. „In der Anfangszeit hat das auch durchaus gut funktioniert“, sagt Rüß.

Vertrauen ist Voraussetzung für Korruptionsbekämpfung

Nur am Ende eben nicht mehr. Dass der Ausstieg nur die Folge der konkreten Bestechungsversuche ist, weist Rüß zurück. Dann dürfte man das Instrument erst gar nicht anwenden. Es sei vielmehr die Frage, wie man damit umgeht. Zumal man umso mehr entdeckt, je genauer man hinsieht. Deshalb auch das Missverständnis über die Statistiken zur Korruption: Im Kampf gegen dieselbe mache ein Land nicht zwangsläufig deshalb Fortschritte, weil weniger Vorfälle aktenkundig sind – „das kann auch daran liegen, das weniger hingesehen wird“. Voraussetzung für eine Koalition gegen Korruption sei aber, dass die Partner einander Vertrauen.

Nach der Aufkündigung des Paktes am BER denkt Transparency grundsätzlich über dieses Instrument nach. Beim Bau eines Klinikums in Bremen und einem in Hannover habe es sich zwar bewährt und auch bei der Sanierung von Plattenbauten durch die Howoge. „Für den Flughafen ist es in der jetzigen Form wohl nicht mehr geeignet“, sagt Rüß. „Aber deshalb versinkt dieser jetzt ja nicht in Korruption“. Zumal Korruption beileibe nicht das größte Problem des BERs sei – sondern das Baustellen-Management.

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