Parteitag in Berlin: Eva Högl ist Spitzenkandidatin der Berliner SPD
Die Berliner Sozialdemokraten ziehen mit SPD-Fraktionsvize Eva Högl in den Bundestagswahlkampf. Die Partei demonstriert Geschlossenheit. Kanzlerkandidat Schulz ist per Video dabei.
Es war eine friedliche Veranstaltung. Die Berliner Sozialdemokraten, die sich gern leidenschaftlich über die Stadt- und Weltpolitik streiten, demonstrierten am Sonnabend große Geschlossenheit. Angesichts des bevorstehenden, schwierigen Bundestagswahlkampfes ist das kein Wunder. „Wir werden beobachtet, es wird sehr genau registriert, wie wir miteinander umgehen“, mahnte der Regierende Bürgermeister und SPD-Landeschef Michael Müller gleich zu Beginn der Landesvertreterversammlung, auf der im Hotel Estrel die Berliner SPD-Kandidaten für die Bundestagswahl am 24. September nominiert wurden.
Müller: Rot-Rot-Grün ist schon eine Menge gelungen
Müller warnte davor, die Wahl verloren zu geben. In den Umfragen gehe es nun mal rauf und runter. „Gar nichts ist entschieden und wir sind es gewohnt zu kämpfen.“ Dann verwies er noch lobend auf die Arbeit der rot-rot-grünen Koalition in Berlin. „Es ist bemerkenswert, was uns bisher gelungen ist.“ Im Kern gehe es um „soziale Gerechtigkeit und eine gute Zukunft für die Stadt.“ Die Bürger wollten auch nicht nur soziale, sondern auch innere Sicherheit, so Müller. Die SPD müsse die ganze Stadt im Blickfeld haben und den Ausgleich suchen.
Müller versprach für Berlin „ein Jahrzehnt der Investitionen“ und kritisierte die Debatte in der Bundes-SPD über Korrekturen von Hartz IV. „Wir sollten nicht über eine Arbeitsmarktreform von 2010 reden, sondern die Arbeitswelt von morgen organisieren.“ Neue Technologien dürften nicht zum Sozialabbau führen, sondern müssten Arbeitnehmern nützen.
Martin Schulz per Video
Der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, der an diesem Wochenende am Landesparteitag der bayerischen Genossen teilnimmt, hatte sich frühzeitig entschuldigt und wurde per Video zugeschaltet. So musste er auch nicht mit anhören, wie sein Name zwei Mal verballhornt wurde. Erst sprach die Vize-Landeschefin Barbara Loth von „Martin Schuld“, anschließend wurde er in den „Genossen Schutz“ umgetauft. Beide Freud’schen Versprecher nahmen die Delegierten mit freundlicher Heiterkeit auf, und der müde wirkende Kanzlerkandidat versuchte, in seiner knappen Videobotschaft den Parteifreunden gut zuzureden. „Wir sind ein kampferprobter Trupp und lassen uns nicht entmutigen.“ Schulz wünschte „gute Beratung“ und Kampfeswillen.
Bei der Kür der Bundestagskandidaten gab es anschließend auf den vorderen Plätzen kein Gerangel – und gute Ergebnisse für alle Bewerber (siehe unten). Die Berliner SPD hat schon ganz andere Kämpfe ums Personal erlebt. Dieses Mal funktionierten die Absprachen zwischen den Kreisverbänden und Flügeln fast perfekt. Erwartungsgemäß führt die stellvertretende SPD-Fraktionschefin im Bundestag, Eva Högl, die 15-köpfige Landesliste an. Aber wohl nur die Bewerber auf den ersten acht Plätzen haben gute Chancen, in den Bundestag einzuziehen. 2013 kamen die Berliner Sozialdemokraten auf 24,6 Prozent und zogen mit acht Genossen ins Bundesparlament ein.
270 Seiten dickes Buch mit Anträgen
Am späten Nachmittag arbeitete der SPD-Landesparteitag noch ein 270 Seiten starkes Antragsbuch ab. Schwerpunktthemen der Anträge waren: Arbeitsmarkt und Sozialrecht, bezahlbares Wohnen, Flüchtlingspolitik und Bildung, Nahverkehr und die Zukunft des Flughafens Tegel. Die Berliner SPD lehnt den Volksentscheid zur Offenhaltung des City-Airports entschieden ab. Außerdem unterstützt die SPD den zwischen Hertha und Senat überraschend vereinbarten Umbau des Olympiastadions zu einer Fußballarena in einem Beschluss. Inhaltlichen Streit gab es kaum. Die Antragskommission des SPD-Vorstands hatte im Vorfeld des Parteitags ganze Arbeit geleistet, fast alle Anträge wurden en bloc in einem „Konsenspaket“ beschlossen.
Die SPD-Bundestagskandidaten
Die Berliner Sozialdemokraten beschlossen am Sonnabend auf einer Landesvertreterversammlung ihre Landesliste für die Bundestagswahl am 24. September. Auf die voraussichtlich aussichtsreichen Plätze wurden gewählt:
Platz 1 Eva Högl (Bundestagsabgeordnete, Wahlkreis Mitte, 91 %); Platz 2 Swen Schulz (Bundestagsabgeordneter, Wahlkreis Spandau, 92 %); Platz 3 Cansel Kiziltepe (Bundestagsabgeordnete, Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg, 83 %); Platz 4 Klaus Mindrup (Bundestagsabgeordneter, Wahlkreis Pankow, 89 %); Platz 5 Mechthild Rawert (Bundestagsabgeordnete, Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg, 67 % in Kampfabstimmung gegen Ute Finckh-Kraemer); Platz 6 Tim Renner (Ex-Staatssekretär für Kultur, Wahlkreis Charlottenburg-Wilmersdorf, 51 % in Kampfabstimmung gegen drei andere Bewerber); Platz 7 Ute Finckh-Krämer (Bundestagsabgeordnete, Wahlkreis Steglitz-Zehlendorf, 82 %); Platz 8 Kevin Hönicke (Lehrer, Wahlkreis Lichtenberg, 46 % im zweiten Wahlgang gegen zwei weitere Kandidaten). Mit diesem Personaltableau setzte sich der linke Parteiflügel der Berliner SPD weitgehend durch.