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Kostbare Zeit mit Papa. Im Streit um das Sorgerecht unterliegen viele Männer. Wie es einer Frau gelingt, einem Vater sein Kind vorzuenthalten, zeigt die Doku „Vaterlandschaften“ von Peter Kees.
© Frank Leonhardt/dpa

Dokumentarfilm "Vaterlandschaften": Es ist auch sein Kind

Wenn Mütter nicht kooperieren, kann es für Väter schwierig sein, ihre Kinder regelmäßig zu sehen. Peter Kees war verzweifelt – und fing irgendwann an, einen Film über seine Situation zu drehen.

Ein Mann räumt auf. Er hebt Bilderbücher und Kuscheltiere auf, legt sie in eine Kiste. Für andere Eltern eine leidige, alltägliche Pflicht, für Peter Kees ein glückseliger Moment, den er so noch nicht erlebt hat. „Heute war das allererste Mal meine Tochter hier bei bei mir zu Hause“, sagt der 47-jährige Künstler. „Das war total wunderschön.“ Er seufzt. „Der berührendste Moment war, als sie in so einem Buch gemalt hat und dann zu mir sagte: ,Guck mal, Papa.‘ Das hat mich total berührt.“ Es ist eine Szene aus dem Dokumentarfilm „Vaterlandschaften“, der vor Kurzem im Babylon Mitte Premiere hatte. Drei Jahre, von Ende 2012 bis Ende 2015, hat sich Peter Kees selbst dabei mit der Kamera beobachtet, wie er Vater geworden ist – und es doch nicht richtig sein darf. Die Mutter seines Kindes hat sich schon vor der Geburt von ihm getrennt und den Kontakt abgebrochen. Verheiratet waren sie nicht.

Zunächst wollte Peter Kees gar keinen Film machen – zumindest keinen für die Öffentlichkeit: „Ich kam mit der Situation nicht klar. Und begann, mich zu filmen, um einen Umgang mit der Problematik zu finden.“ Dann kam ihm der Gedanke, dass er so später seiner Tochter zeigen könnte, wie die Geschichte aus seiner Sicht ablief. Und schließlich habe er gedacht: „Ich bin ja nicht allein. Es ist ein gesellschaftlich relevantes Thema.“ Deshalb zeigt er den Film jetzt doch vor Publikum. Ihm geht es mittlerweile auch um ein generelles Problem von Vätern: „Das deutsche Familienrecht ist veraltet.“ Das Umgangsrecht in Deutschland sei zu lasch, etwa im Vergleich mit Belgien oder Schweden. „Was fehlt, ist, dass aus der Sicht des Kindes gehandelt wird.“

Im Mai 2013 – kurz nach der Geburt von Kees’ Tochter – trat zwar eine Reform des Sorgerechts in Kraft: Seitdem kann der Vater durch einen Antrag beim Familiengericht auch ohne Zustimmung der Mutter das gemeinsame Sorgerecht bekommen. „Natürlich hätte ich gern einen Teil des Sorgerechts. Allerdings sieht meine Anwältin trotz der geänderten Gesetzeslage keine Chance“, sagt Kees. Wenn Eltern nicht genug kommunizieren, würden Gerichte noch immer Mütter bevorzugen.

Im Film sieht man fast nur Kees selbst – vor allem seinen Gemütszustand. Etwa als er versucht, herauszufinden, ob das Kind schon geboren ist. Er erfährt es erst Tage später. „Du hast eine Tochter, und das Ganze ist so theoretisch, so irreal.“ Er erzählt, dass er wegen des Kindes aus Berlin nach Bayern gezogen ist. Wie er erfährt, dass sein Name nicht auf der Geburtsurkunde steht. Wie er beim Jugendamt versucht, als Vater anerkannt zu werden. Wie er eine Aufforderung bekommt, Unterhalt zu zahlen – lange bevor die Mutter der Vaterschaftsanerkennung zustimmt. „Ich fühle mich als Samenspender missbraucht“, sagt Kees.

Als seine Tochter fünf Wochen alt ist, darf er sie zum ersten Mal kurz sehen, beim zweiten Mal ist sie schon fünf Monate alt. Kees dokumentiert, wie er darum kämpft, seine Tochter regelmäßig zu treffen. Die Zuschauer bekommen Kostproben des spröden Behördendeutsch, in dem all das verhandelt wird: „Das Umgangsrecht des Antragsstellers mit dem gemeinsamen minderjährigen Kind wird wie folgt geregelt: Dem Antragssteller wird gestattet, jeden Montag in der Zeit von 14 bis 15.30 Umgang zu pflegen. Der Umgang findet zunächst begleitet durch Umgangspfleger statt.“ Dieser ist ein Rechtsanwalt. Vater und Tochter spielen auf dem Fußboden in seinem Büro mit Xylofon und Bilderbüchern. „Falls notwendig, wechselt er gekonnt ihre Windeln“, schreibt der Umgangspfleger in einem Bericht, den Kees vorliest.

Eine Zeit lang sieht es gut aus, die Besuchszeiten werden ausgeweitet. Doch immer wieder muss die Mutter Änderungen zustimmen, laufen Umgangsregelungen aus, stellt Kees Antrag um Antrag, gibt es Gerichtstermine, die verschoben werden. Immer wieder verzweifelt Kees fast: „Es ist einfach wahnsinnig anstrengend und belastend. Ich hätte nicht gedacht, dass es tatsächlich so schlimm wird.“ Etwa 50 Prozent der Väter in solchen Situationen verlören den Kontakt zu ihren Kindern, hat er recherchiert.

Er hat sich einen Therapeuten gesucht. „Der sagt: ,Sie haben überhaupt keine Chance. Das Kind sieht ohnehin die Welt mit den Augen der Mutter.'“ Je größer sie wird, desto schwieriger wird es: „Inzwischen ist meine Tochter fast drei und kommt in massive Loyalitätskonflikte. Da kommen Sätze wie: Man könne den Papa nicht lieb haben, das sei einfach so. Sie würde den Papa am liebsten totmachen.“

Das war kurz bevor er sie zum letzten Mal gesehen hat, Anfang Januar. Seit seine Ex-Freundin von dem Film weiß, darf er seine Tochter nicht mehr sehen. Die Mutter habe einen Antrag auf Umgangsaussetzung gestellt. „Es gab einen Gerichtstermin, aber das Urteil steht noch aus. Ich weiß, dass ich mit dem Film Öl ins Feuer gieße. Aber unabhängig davon wäre auch keine Entspannung möglich gewesen.“ Bei der Filmpremiere diskutierte Kees das Thema mit Markus Witt vom Verein „Väteraufbruch für Kinder“, der Väter – und Mütter – in Trennungssituationen berät: „In anderen Ländern ist es eine Straftat, Kindern den Umgang mit dem Vater zu verwehren“, sagt Witt. „Es ist keine reine Väterfrage, sondern eine des Systems: Wer das Kind hat, hat die Macht. Die gemeinsame Verantwortung fällt in strittigen Fällen oft hinten runter.“ Er plädiert dafür, dass auch nach der Trennung beide Eltern im Wechselmodell gleichermaßen den Alltag des Kindes bestreiten. Väter sollten nicht aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen, bevor nicht mit dem Jugendamt oder einer Beratungsstelle eine Betreuungsregelung entwickelt worden sei, sagt der Familienrechtsanwalt Marcus Borgolte, der im Babylon ebenfalls mitdiskutiert. „Sonst haben sie ein Problem, den Fuß wieder in die Tür zu bekommen.“

Der Sozialpädagoge Andreas Gerts weist darauf hin, dass es sich bei Kees allerdings um einen sehr „speziellen Fall“ handele. Gerts arbeitet in Berlin als Umgangspfleger und normalerweise könnten die Kinder, mit denen er zu tun hat, schon sprechen und müssten ihre Väter nicht erst im begleiteten Umgang kennenlernen. Ganz so selten scheint der Fall dann aber doch nicht zu sein. Gleich mehrere Väter im Kino-Saal werden an diesem Abend noch ihre Geschichten erzählen – und sie ähneln sich alle. Die meisten sind allerdings schon länger Väter als Kees: „Die ersten zehn Jahre war es die Hölle“, sagt ein Vater. „Aber jetzt wird es endlich besser: Jetzt lässt sich meine Tochter nicht mehr von ihrer Mutter sagen, wie sie mich bewerten soll.“

Peter Kees zeigt seinen Film am 5. April um 19 Uhr im Movimento in Kreuzberg, Kottbusser Damm 22.

Infos und Beratung gibt es beim Verein „Väteraufbruch für Kinder“ unter http://berlin.vafk.de

Informationen zum Sorgerecht erteilt das Familienministerium im Netz unter: www.familien-wegweiser.de

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