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Ein Zelt von Obdachlosen im Berliner Tiergarten.
© Paul Zinken/dpa

Obdachlose in Berlin: Es geht um Hilfe - und um Härte

Berlin ist attraktiv. Auch für Obdachlose aus anderen Ländern. Nötig sind Augenmaß und flexibles Handeln. Ein Kommentar.

Jetzt startet die Berliner Kältehilfe wieder. 1000 Plätze für Obdachlose wollen Diakonie, Caritas und die Kirchen einrichten. Das wird schwerer als je zuvor. Es ist gesellschaftlich kälter geworden. Der Mord im Tiergarten, wilde Camps im Stadtgebiet, aggressive, sich prostituierende oder drogendealende Obdachlose bremsen die Empathie für Wohnungslose. Dazu kommt, dass 1000 Plätze nicht reichen, weil bis zu 6000 Menschen im Freien leben. Die Helfer sind jetzt schon überfordert vom stetig wachsenden Strom von Menschen aus osteuropäischen EU-Staaten, die auf Berlins Straßen gestrandet sind. Was Berlin benötigt, ist deshalb keine Kältehilfe, die im Frühling wieder endet, sondern eine ganzjährige Obdachlosenhilfe.

Die liberale Gesellschaft darf sich nicht damit abfinden, dass es Obdachlose in allen Großstädten gibt. Damit werden die abgeschrieben, die durch Schicksalsschläge wie Scheidung, Job- oder Wohnungsverlust ins Straucheln geraten. Der Senat kann zwar nicht verhindern, dass Berlin attraktiv für Osteuropäer ist – aber durch Nichtstun würde er eine fatale Sogwirkung noch verstärken. Schon jetzt ist die Empörung der Berliner groß, dass Parks vermüllt werden und das Gefühl entsteht, dass es rechtsfreie Räume gibt.

Tragisch ist, dass einige Kriminelle jene diskreditieren, die aus Not oder wegen psychischer Probleme oder Alkohol auf der Straße leben, Deutsche oder Ausländer. Die Mehrzahl, so die Sozialarbeiter, versuchen, sich unsichtbar zu machen, nicht aufzufallen. Es geht deshalb um Hilfe – und um Härte: um striktes Durchgreifen, Aburteilen und Abschieben, wo Straftaten begangen werden. Und auch nicht straffällige Obdachlose aus EU-Ländern können durchaus in ihre Heimat zurückgeschickt werden, weil die Freizügigkeit nur drei Monate gilt.

Kein Anspruch auf Sozialleistungen

So klar es aber ist, dass obdachlose Polen oder Bulgaren keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben, so wenig hilft kalte Bürokratie. Nötig sind Augenmaß und flexibles Handeln auch über die Rechtslage hinaus. Deswegen ist es gut, wenn Bezirke wie Neukölln bei der Rückkehr helfen und Kosten übernehmen. Ja, Hilfe kostet Geld. Und mancher Rumäne steht nach kurzer Zeit wieder hier. Aber man kann es auch so sehen: Der unwillkommene Zuzug der Obdachlosen ist der Preis für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands durch ein Europa ohne Grenzen.

Verdrängung, von Bezirk zu Bezirk, vom Zentrum an den Rand, ist jedenfalls keine Lösung. Gut, dass Bezirke und Senat nun eine gesamtstädtische Strategie entwickeln wollen. Nicht alles kann Berlin leisten. Es braucht Hilfe, etwa des Bundes beim Gewerbemietrecht, weil Obdachloseneinrichtungen zunehmend kurzfristig gekündigt wird, um sie lukrativer zu vermieten. So gehen viele Plätze verloren. Auf dem engen Wohnungsmarkt werden Obdachlose auch ungewollt Konkurrenten für Flüchtlingsfamilien. Und Wohnungslose in teilweise leerstehenden Flüchtlingsheimen unterzubringen, kann nur eine Zwischenlösung sein.

Im Zentrum aller Bemühungen muss es um Nothilfe gehen, um Schlafplätze und medizinische Versorgung. Das sind wir den Menschen und unseren humanitären Werten schuldig. Zur Hilfe gehören aber auch tägliche Streifen von Sozialamt und Polizei: Um denen Angebote zu machen, die Unterstützung benötigen und zugleich mit gebotener Härte gegen kriminelle Obdachlose vorzugehen, damit Parks keine Angsträume werden.

Der Beamte, der im Wald lebt: Lesen Sie hier eine Reportage über einen ungewöhnlichen Obdachlosen aus unserem Archiv.

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