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Fürs Deutschlernen braucht man Schüler, Lehrer, Räume - und möglichst eine Bleibeperspektive.
© dpa

Flüchtlinge in Berlin: Es fehlen Geld, Räume und Lehrkräfte für Sprachkurse

Die Nachfrage an Sprachkursen für Flüchtlinge übersteigt das Angebot bei Weitem. Alle verfügbaren Plätze in Berlin sind belegt, und auch das Geld fehlt.

Um 19.25 Uhr stehen Ibrahim und Ammar vor dem Kursraum im Flüchtlingsheim Soorstraße in Charlottenburg. Seit Monaten kommen die jungen Syrer drei, vier Mal pro Woche abends hierher, um Deutsch zu lernen – zusätzlich zu ihrem Volkshochschulkurs. Tagsüber sechs Stunden Intensivkurs, in dem sie auf eine Prüfung für das fortgeschrittene Niveau B2 zusteuern, abends noch mal in den Unterricht? „Ja“, sagen sie, „in der Volkshochschule sprechen wir zu wenig.“

In der Soorstraße treffen sie auf Ehrenamtliche, die sich in Gruppen mit Flüchtlingen zusammensetzen, Alltägliches besprechen. Viele überbrücken mit diesen kostenlosen Lerngruppen Zeit, bis ihnen ein offizieller Sprach- oder Integrationskurs zusteht. Wo solche Engpässe bestehen, stoßen Praxis und Theorie auf einander: Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und SPD-Chef Sigmar Gabriel haben mit Sanktionen gedroht für den Fall, dass Flüchtlinge sich zu wenig um Integration bemühen. Im Klartext: Sie sollen Deutschkurse besuchen.

Viele Flüchtlinge in Berlin würden das gerne, können es aber nicht. „Die Nachfrage übersteigt berlinweit bei weitem das Angebot“, sagt Michael Weiß, Koordinator der Bezirke für Flüchtlings-Deutschkurse an Volkshochschulen (VHS). „Alle verfügbaren Plätze sind belegt.“ Das gelte für jene mit Bleibeperspektive, die in Integrationskursen unterrichtet werden, und ebenso für Menschen, denen Abschiebung droht. 1,7 Millionen Euro stellt der Senat 2016 für dieses VHS-Angebot an Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive zur  Verfügung. „Alle Bezirke sagen, das sei zu wenig“, sagt Weiß. „Wir bräuchten mindestens eine Million Euro mehr“: vor allem für Lehrer. Derzeit lernen 3000 dieser Menschen Deutsch in Kursen. Wie viele Plätze genau fehlen, kann Weiß nicht beziffern.

„Eine Förderung durch den Bund scheint nach wie vor offen“

Weitere Integrationskurse, die Flüchtlinge und andere Zuwanderer besuchen, finanziert das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Dafür wird nun mehr Geld benötigt, die Nachfrage steigt. „Wir müssen Räume anmieten“, sagt Sabine Weißler (Grüne), Bezirksstadträtin in Mitte für Weiterbildung, Kultur, Umwelt, Naturschutz. „Auch bei uns ist die Nachfrage größer als das Angebot.“

Dieses Raumproblem haben andere Bezirke ebenso. Ein Teil der Integrationskurse findet in VHS- Räumen statt, andere in Schulen oder Jugendzentren. In Friedrichshain-Kreuzberg werden derzeit 705 Flüchtlinge unterrichtet, 182 mit guter Bleibeperspektive. Im Schnitt beträgt die Beteiligung Angemeldeter am Unterricht dabei 70 Prozent. Jana Borkamp, Bezirksstadträtin für Weiterbildung und Kultur, teilt mit, dass der Bezirk weitere Kurse nur einrichten kann, „wenn zusätzliche Mittel bereit gestellt werden“.

Allerdings sei zu „berücksichtigen, dass jeweils dafür „ein Vorlauf von mindestens drei Monaten notwendig ist“. Sie beklagt, dass der Masterplan Integration, den die Senatsverwaltung für Integration vorgestellt hat, „keine konkreten Hinweise zur weiteren Finanzierung des Berliner Deutschkursprogramms“ enthalte. „Eine Förderung durch den Bund scheint nach wie vor offen.“ Ohne mehr Geld sehe es für Flüchtlinge in ihrem Bezirk eher düster aus. „Aufgrund fehlender Mittel und daher fehlender Kurse“, sagt Jana Borkamp, „können aktuell keine neuen Geflüchteten mehr in Deutschsprachkurse aufgenommen werden.“

Unterschiedliche Lernverpflichtungs-Grade

Christoph Lang, Pressesprecher der Senatsverwaltung für Arbeit und Integration, weist allerdings auf unterschiedliche Lernverpflichtungs-Grade hin. Wo der Innenminister Sanktionen erwähne, gehe es zunächst wohl um verpflichtende Kurse für anerkannte Asylanten, die bei freien Bildungsträgern zu besuchen sind und vom BAMF bezahlt werden. Sanktionen, sprich Leistungsstreichungen, könnten zudem erfolgen, wo Deutschkurse als Bestandteil einer Eingliederungsvereinbarung vom Jobcenter verordnet wurden und nicht wahrgenommen werde.

Eigentlich, sagt Lang, sollten auch Flüchtlinge aus Ländern mit hoher Anerkennungsquote (Irak, Syrien Eritrea, Iran), deren „Dublin-Prüfung“ sich hinzieht, mit BAMF-Ticket bei freien Bildungsträgern Kurse erhalten. Wer jedoch aus bürokratischen Gründen nicht vom BAMF dahin vermittelt werde, dränge zu den VHS-Kursen der Bezirke. „Das ist nicht im Sinne des Erfinders“. Die kostenlosen VHS-Lektionen – 6000 Plätze in 2015, 7000 für dieses Jahr – seien nicht mal überall bekannt, aber: „Soviel ich weiß, bleiben keine Plätze frei.“ 53 Anfänger- und 15 Alphabetisierungskurse habe man im Februar und März gestartet.

Mitarbeit: Thomas Lackmann

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