SPD-Klausurtagung in Berlin: Entlastungspaket soll halbe Milliarde Euro kosten
In einem wegweisende Strategiepapier will die SPD Berlin untere und mittlere Einkommen entlasten, den Mindestlohn anheben und gebührenfreie Hortbesuche.
Die Aussprache am Samstag auf der Klausurtagung des SPD-Landesvorstands im Spreespeicher dauerte. Ausgehend von dem Wahldebakel mit 9,7 Prozent bei der Landtagswahl in Bayern und den desaströsen Umfragewerten mit 14 Prozent auf Bundesebene fordert die Berliner SPD ein "klareres Profil und eindeutigere Positionen", sagte SPD-Parteichef Michael Müller.
"Wir müssen weg von dem Sowohl als Auch und den Versuchen, für jeden den bestmöglichen Kompromiss zu erzielen. Auch in den Koalitionen auf Bundes- und Landesebene müsse die SPD ihre Positionen "klarer formulieren". Das versuchen die Berliner Genossen mit einem Strategiepapier, das als Antrag auf dem Parteitag im November debattiert und dort beschlossen werden soll. Es geht um Entlastungen für die unteren und mittleren Einkommensgruppen, die rund 500 Millionen Euro kosten. So will die SPD den Beamten und den Tarifbeschäftigten eine "Art Berlin-Zulage", so Müller, von monatlich 150 Euro gönnen.
Ab wann die Zulage bezahlt werden soll, werde noch diskutiert, heißt es in der SPD. Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) sagte jedoch, das gelte ab 2021 für die Tarifbeschäftigten und die Beamten des Landes Berlin und der Bezirke. Dieser Festbetrag soll in die Renten- und Pensionsberechnung einfließen. Das betrifft 60.000 Beamte, 60.000 Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst, rund 50.000 Angestellte in den Landesbetrieben sowie etwa 6500 Beschäftigte in den Kita-Eigenbetrieben. Das würde rund 230 bis 250 Millionen Euro kosten.
Anhebung des Mindestlohns
Kollatz sagte, das sei eine „richtige sozialpolitische Ausrichtung“. Damit relativierte er seine finanzpolitischen Bedenken, die er zuvor SPD-intern geäußert hatte. Noch in dieser Legislaturperiode soll die Besoldung zudem das Durchschnittsniveau der Bundesländer erreichen. Die Angleichung auf Bundesniveau, die zuvor innerhalb der SPD diskutiert wurde, ist damit vom Tisch.
Die SPD will die schrittweise Anhebung des Mindestlohns auf ein altersarmutsfestes Niveau umsetzen: Der Mindestlohn soll „nicht unter 11 Euro pro Stunde“ für das Jahr 2019 im Vergabegesetz festgelegt werden. Und ab 2021 soll der Mindestlohn wie berichtet nach derzeitigen Berechnungen 12,63 Euro pro Stunde betragen. Das ist die damit zu erreichende Rentenzahlung über der Grundsicherung im Alter. Die Anhebung des Mindestlohns auf elf Euro würde laut Kollatz pro Jahr schätzungsweise 100 bis 200 Millionen Euro kosten.
Gebührenfreier Hortbesuch, Lernmittelfreiheit für Grundschulen
Die Honorarkräfte an den Musik- und Volkshochschulen sollen dauerhafte sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse erhalten. Und das Personal in Kitas, Jugendhilfe und Pflege soll mehr Gehalt bekommen.
Der Besuch von Horten soll für alle Klassenstufen gebührenfrei werden, die Lernmittelfreiheit soll für alle Grundschulen eingeführt und der Elternbeitrag beim Kita- und Schulessen komplett abgeschafft werden. Das würde 56 Millionen Euro kosten. Im ÖPNV soll es weitere Vergünstigungen für Familien und einkommensschwache Berliner geben. Von einem kostenlosen Schülerticket ist in dem Strategiepapier nicht explizit die Rede. Darüber werde noch gesprochen, sagte Kollatz. Alles in allem würde das Entlastungspaket auf Seiten des Landes haushaltsrelevant rund eine halbe Milliarde Euro kosten.
„Wir haben eine gute Haushaltsentwicklung. Das Paket ist machbar“, sagte Kollatz. „Es ist eine sozialere Zielsetzung, wenn man unteren Lohngruppen 150 Euro mehr zahlt.“ In München zum Beispiel wird eine Großraumzulage von 82 Euro allen Beschäftigten im öffentlichen Dienst bezahlt. Daran will sich offenbar Berlin auch orientieren.
Saleh betont das Wort "gemeinsam"
Das Strategiepapier, das ursprünglich aus dem Ortsverband Alt-Pankow stammte und vom SPD-Haushälter und Parlamentarischen Geschäftsführer Torsten Schneider formuliert wurde, war in den vergangenen Wochen in der SPD vielfach diskutiert worden. Auf der einen Seite gab es Bedenken, durch die Entlastungen den finanzpolitischen Konsolidierungskurs zu verlassen, der durch die Schuldenbremse ab 2020 weiterhin verfolgt werden muss.
Widerstand regte sich in der Berliner SPD auch an dem Vorschlag, die Gehälter im öffentlichen Dienst auf das Niveau der Bundesbehörden anzuheben. Doch mit dem gefundenen Kompromiss können beide Seite nun leben. Und SPD-Fraktionschef Raed Saleh betonte mehrfach das Wort "gemeinsam", als er neben Müller stehend das Ergebnis verkündete. "Ich bin froh, dass wir es gemeinsam geschafft haben, einen gemeinsamen Entwurf hinzubekommen", sagte Saleh. Nach außen wollte das Duo demonstrieren, dass zwischen ihnen kein Blatt Papier mehr passe. Fragt sich nur, wie lange dieser Burgfrieden währt.
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