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Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (rechts, SPD) und Innensenator Frank Henkel (CDU).
© dpa

SPD und CDU im Streit: Endzeitstimmung im Berliner Senat

Berlins rot-schwarze Koalition ist nur noch ein Bündnis auf Abruf. Die SPD liebäugelt schon längst mit anderen Partnern. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Drops ist gelutscht. Auch wenn Berlins große Koalition im öffentlichen Streit um die Unterbringung von Flüchtlingen auf dem Tempelhofer Feld doch noch eine gemeinsame Haltung finden sollte, ändert das nichts am endzeitlichen Zustand des rot-schwarzen Regierungsbündnisses.

SPD und CDU machen nur weiter, bis zum Wahltermin im September 2016, weil sie Angst vor den Wählern haben. Wer vorfristig ausbricht, angesichts der enormen Probleme der Stadt, würde mit einem schmerzhaften Punkteabzug bestraft. Also wird Berlin erst einmal weiter verwaltet, und der Regierende Bürgermeister Michael Müller arbeitet stoisch seine sozialdemokratische Agenda ab, soweit das der Ausnahmezustand Berlins noch erlaubt.

Allein die Fraktionschefs sind ein Hort der Stabilität

Und Müller demütigt die Christdemokraten, die er vorerst nicht los wird, so oft er nur kann. Das Verhältnis zum CDU-Landeschef und Innensenator Frank Henkel ist fast schon irreparabel beschädigt und die übrigen Senatsmitglieder der Union werden kaltgestellt, soweit das möglich ist. Es gibt nur noch einen Hort der Stabilität, und das sind die Chefs der Regierungsfraktionen, Raed Saleh und Florian Graf. Denn sie haben noch eine Aufgabe zu erfüllen.

Beide Führungsleute sind jedenfalls bestrebt, den Landeshaushalt für 2016 und 2017 vor der Weihnachtspause im Abgeordnetenhaus vernünftig über die Bühne zu bringen. Das wird wohl gelingen. Wenn auch nur um den Preis des finanzpolitischen Sündenfalls, denn Sozial- und Christdemokraten haben sich mit der kostenlosen Kita (für die SPD), einem Sicherheitspaket (für die CDU) und vielen weiteren attraktiven Wahlgeschenken Anfang der Woche noch einen ordentlichen Schluck aus der Pulle genehmigt.

Das ging nur, weil das Geld aus Steuern, Bundeszuwendungen und Gebühren derzeit aus allen Ritzen des Berliner Haushalts quillt. Das aber wird nicht von Dauer sein. Was die Koalition da in letzter Minute beschlossen hat, ist weit weg von einer nachhaltigen Haushaltspolitik. Ist egal, denken viele Sozialdemokraten – und wahrscheinlich alle Grünen und Linken in Berlin, die längst von einem gemeinsamen Bündnis ab 2017 träumen. Was SPD und CDU jetzt noch für künftige Jahre verabreden, soll nach der Wahl ohnehin korrigiert werden.

Notfalls per Mitgliedervotum zu Rot-Rot-Grün

Das sind keine Hirngespinste. Selbst wenn diese Koalition es noch hinkriegen sollte, die Legislaturperiode mit Anstand und Würde zu Ende zu bringen, ist es ein Bündnis auf Abruf. In der SPD, und zwar nicht nur bei den Funktionären in den oberen und mittleren Etagen, sondern auch an der Basis, ist schon abgemacht: Mit der CDU wird nach der Abgeordnetenhauswahl nicht weiterregiert, auch wenn der Einzug der AfD ins Landesparlament eine Zweier-Koalition – wahlweise mit Linken oder Grünen – verhindern sollte.

Denn notfalls wird die linke Mehrheit im SPD-Landesverband den flotten Dreier Rot-Rot-Grün durch einen Mitgliederentscheid erzwingen. Das weiß die CDU, will es aber noch nicht wahrhaben und schwankt zwischen Zuwendung und Abstoßung hin und her. So zerreibt sie hilf- und ratlos das eigene Profil, soweit es denn überhaupt vorhanden ist.

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