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Gedenken für Fabien Martini. Zum ersten Jahrestag des Todes der 21-Jährigen versammelten sich Angehörige und Freunde der jungen Frau am 29. Januar an der Unglücksstelle nahe dem Alexanderplatz.
© RubyImages/F. Boillot

Tödlicher Unfall in Berlin: Eltern und Anwälte werfen Ermittlern Versagen vor

Nach dem tragischen Unglück vor einem Jahr in Mitte wollen die Familie von Fabien Martini und deren Anwälte erneut an die Öffentlichkeit gehen.

Viele Fragen sind noch offen – nun wollen sich die Eltern der vor einem Jahr bei einem tragischen Unglück ums Leben gekommenen 21-jährigen Fabien Martini und deren Anwalt am Freitag zu den umstrittenen Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft kritisch äußern. Es geht um heftige Vorwürfe.

Man wolle darstellen, "wer an welcher Stelle dabei versagt hat", hieß es am Donnerstag in der Anwaltskanzlei auf Anfrage. Es sei nicht akzeptabel, dass die Ermittler den Rechtsvertretern seit September 2018 keine Einsicht in die Akten gewährt hätten. Die Eltern wollten zudem am Freitag "ihre Sicht der Dinge" schildern.

Eine Polizeistreife rammte den Wagen der jungen Frau am Alex

Wie berichtet, war eine Polizeistreife am 29. Januar 2018 auf dem Weg zu einem angeblichen Raubüberfall, der sich später als Fehlalarm erwies, mit hohem Tempo auf den Wagen der jungen Frau geprallt. Nach dem Gutachten eines Unfallanalytikers geschah das Unglück, als Fabien Martini gerade auf dem Mittelstreifen vor dem Grunertunnel am Alexanderplatz in Mitte einparkte. Sie war sofort tot.

Gegen den Fahrer des Polizeiwagens laufen inzwischen straf- und disziplinarrechtliche Ermittlungen. Mitte dieser Woche wurde bekannt, dass Ärzte der Charité bei ihm einen Alkoholgehalt im Blut von 1,1 Promille festgestellt hatten. Dieser Wert wurde gemessen, als die Mediziner den Mann nach dem Unfall wegen seiner Verletzungen in der Klinik versorgten. Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft Berlin erfuhren die Ermittler erst im Herbst vergangenen Jahres durch einen anonymen Hinweis vom Ergebnis der Blutprobe.

Untersuchungsakten der Charité wurden beschlagnahmt

Danach verging einige Zeit. Erst in der vergangenen Woche ließ die Staatsanwaltschaft aufgrund des anonymen Hinweises die damaligen Untersuchungsakten der Charité beschlagnahmen. Die Begründung: Verantwortliche der Klinik könnten eventuell an einer Strafvereitelung beteiligt sein, indem sie die Messergebnisse nicht in den Akten vermerkt hätten. Dieser Verdacht erwies sich jedoch als haltlos.

Dennoch ist weiterhin unklar, ob der Beamte schon während der Einsatzfahrt alkoholisiert war oder erst auf dem Weg zum Krankenhaus getrunken hat. Man kann den Zeitpunkt des Konsums nur mit zwei aufeinanderfolgenden Blutproben eindeutig und damit gerichtsfest bestimmen. In der Charité wurde aber nur eine Probe genommen.

Gegen den Polizisten läuft bereits ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung. Sollte sich durch weitere Ermittlungen bestätigen, dass er betrunken am Steuer saß, müsste er sich zusätzlich wegen Gefährdung des Straßenverkehrs verantworten.

Gegen den Mann am Steuer läuft ein Disziplinarverfahren

Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik hat inzwischen gegen den Mann auch dienstrechtliche Ermittlungen im Rahmen eines Disziplinarverfahrens eingeleitet und an sich gezogen. Dieses Verfahren müsse jedoch bis zum Abschluss der Strafermittlungen ruhen, teilte die Polizei am Donnerstag mit. Man könne es erst vorantreiben, "wenn ein rechtskräftiges Urteil vorliegt". Der Beamte ist laut Polizei derzeit nicht im Dienst.

Wie häufig Berliner Polizisten im Dienst illegal zur Flasche greifen, lässt sich schwer feststellen. Nach Auskunft der Polizeipressestelle wurden in den Jahren 2015 bis 2017 insgesamt vier Fälle von Alkohol im Dienst offiziell statistisch erfasst. Experten gehen von einer höheren Dunkelziffer aus.

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