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Die kleine Glocke. In Seeon gaben Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef, und Annegret Kramp-Karrenbauer, CDU-Chefin, schon mal gemeinsam den Ton an.
© dpa

CSU-Tagung in Seeon: Eine Stilfrage

Nach dem heftigen Streit um die Migrationspolitik beschwört die Union eine neue Gemeinschaftlichkeit. Dabei sind die Inhalte nicht das Problem. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Robert Birnbaum

Das Ende der Volksparteien ist so oft beschworen und doch wieder aufgeschoben worden, dass man leicht aus reinem Überdruss den Moment verpassen kann, an dem es dann doch passiert. Die SPD ist dem Punkt gefährlich nahe. Aber auch CDU und CSU haben sich in eine Situation manövriert, in der ihre Bindekraft schwindet.

Viel zu lange verstrickt in einen fruchtlosen Streit um die Flüchtlingspolitik, gaben sie ein zentrales Moment preis, das Volksparteien ausmacht: den Anspruch, selbst aus schwierigen Konflikten zu Maß und Mitte zu finden. Wer sich stattdessen aufführt wie Partikularparteien, wird vom Wähler auch so behandelt.

Die CSU und die neue CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer haben bei der Winterklausur in Seeon einen neuen Gemeinschaftsgeist versprochen. Das war bitter nötig, obwohl einige Treueschwüre noch arg dem Schreck geschuldet klingen. Aber die Union muss rasch Vertrauen und Reputierlichkeit zurückgewinnen, soll sich ihr Schwund nicht verstetigen.

Wie schwer das wird, zeigt der Aufschwung der Grünen. Deren Erfolg hat nur am Rande damit zu tun, dass die Union grüne Themen vernachlässigt hat. Gewählt wurde die Partei vor allem, weil sie im Vergleich zu den zänkischen Unionsgeschwistern bürgerlich-vernünftig wirkte. Man könnte analog zu den Erfahrungen in Baden-Württemberg sagen: wie die bessere Volkspartei.

Ist so eine Konkurrenz erst einmal da, auch das kann man in Stuttgart besichtigen, wird man sie als Union schwer wieder los. Verteufeln bringt nichts, mehr über Bienensterben reden reicht nicht. Anders als Parteifunktionäre gelegentlich glauben, halten Wähler ihre Entscheidung normalerweise auch nicht für einen Irrtum. Sie lassen sich nur gewinnen, wenn das Gegenangebot in Inhalt, Stil und Haltung stimmig ist.

Es geht um den Stil, nicht um Inhalte

Da beim Stil der Mangel zuletzt besonders eklatant war, kommt es darauf besonders an. Die CSU erscheint ausnahmsweise weniger anfällig, dafür ist die CDU schon wieder akut in Gefahr. Der eindrucksvolle Wettstreit um den Parteivorsitz droht im Grabenkrieg zu enden. Natürlich muss Kramp-Karrenbauer das große Lager der Friedrich-Merz-Freunde einbinden.

Die müssen sich aber auch einbinden lassen, statt Rachlust und Frust zu pflegen. Man wird ja den Eindruck nicht los, dass sich Konservative und Teile des Wirtschaftsflügels in den Merkel-Jahren derart bequem in einer Jammerpose eingerichtet haben, dass sie da gar nicht mehr raus wollen. Auch Merz selbst darf gerne mal zeigen, was einen guten Verlierer ausmacht.

Es geht dabei, um es zu wiederholen, um eine Stilfrage. Es geht ausdrücklich nicht um inhaltliche Unterschiede – im Gegenteil. Die Union hatte immer Flügel mit oft weit auseinander strebenden Zielen. Auch CDU und CSU sind in Interessen und Haltungen nicht deckungsgleich. Die besondere Leistung der Volksparteien besteht aber darin, dass sie diese Spannbreite nicht nur aushalten, sondern geradezu fördern und nutzbar machen. Der harte sachliche Streit gehört dazu, auch mal List und Machtspiel, zugleich der Respekt vor der Sicht der Anderen, der Kompromiss, der Mehrheitsentscheid. Volksparteien, die diese Balance nicht mehr hinkriegen, sind am Ende. Besser wär’s also, der neue Geist von Seeon erweist sich nicht als Luftnummer.

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