Sieben Jahre Baustelle: Eine Schule wird zum „BER von Kreuzberg“
An der Kreuzberger Kurt-Schumacher-Grundschule wird seit 2012 der Brandschutz erneuert. Ein Ende der Bauarbeiten ist nicht Sicht.
Auf dem Pausenhof haben sich schmale Birkenstämme zwischen die Seile der Kletterspinne geschoben, die Fahrradbügel sind dornröschengleich von Ranken umschlossen, und durch die trüben Fenster sieht man Kabel aus den Decken der verstaubten Klassenräume hängen: Status im Dezember 2019 an der Kurt-Schumacher-Grundschule in Kreuzberg.
Was hier vor sich hindämmert, dürfte Berlins spektakulärste Schulbaustelle sein, denn sie begeht in wenigen Tagen ihren siebten Jahrestag: Vom „BERKreuzberg“ sprechen Eltern und Lehrer, das Bezirksamt von „Pechsträhnen“. Fertigstellungsdatum: vielleicht 2024.
Am 20. Dezember 2012, als alles begann, war nichts davon absehbar. An dem Tag hatten sich die Brandschutzkontrolleure angesagt. Rountinebesuch auf dem riesigen Gelände zwischen Wilhelm-, Puttkamer- und Kochstraße, wo 1992 eine Asbestsanierung stattgefunden hatte.
Hals über Kopf wird die Schule geräumt
20 Jahre später stellt sich heraus: Der Brandschutz ist - wie vielerorts - unzureichend. Alle müssen raus und zwar sofort: Am 21. Dezember 2012 werden die Sachen gepackt und ins Horthaus verfrachtet. Von nun an heißt es: Der Hort wird Schule, Kantine, Mini-Lehrerzimmer und Mini-Sekretariat. Die Klassen lernen, essen, üben, spielen bis zum späten Nachmittag jeweils in einem einzigen Raum, der mal ihr „Freizeitbereich“ war und nun ihre gesamte Schulwelt ausmacht.
Runder Tisch Nummer 11
Sieben Jahre später brennen zwei Kerzen am Adventskranz des Hortes, denn es wird hoher Besuch erwartet: Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) und Bildungsstadtrat Andy Hehmke (SPD) haben sich zum Runden Tisch in der Südlichen Friedrichstadt angesagt. Thema: Sachstand der Bauarbeiten an der Kurt-Schumacher-Schule.
Da sitzen sie also: Schulleiter Lutz Geburtig mit einigen Kollegen, Gesamteltervertreterin Henrike Hüske mit weiteren Müttern und Moderatorin Gaby Moor. Sie alle sind schon vorgewarnt: Es wird nichts mehr mit der – teilweisen – Wiedereröffnung der Schule im Jahr 2020. Das hatte sich schon herumgesprochen. Nun wollen sie die Gründe wissen: Ein Vertreter des Hochbauamtes spricht von einem Architekturbüro, dem man habe kündigen müssen, und von einer Trockenbaufirma, die einen „Scherbenhaufen“ hinterlassen habe.
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Das alles klingt plausibel, hört sich aber für Schulleiter Geburtig, für Erzieher, Lehrerinnen und Eltern so an wie immer. Sie heben ihre Stimmen. Schon schlägt die Stunde der Moderatorin: Gaby Moor interveniert und schlägt vor, „einen Cut zu machen“. Sie ist routiniert, denn es ist der elfte Runde Tisch im Hortfoyer der Schumacher-Schule.
Eine Konstruktion aus den siebziger Jahren
Wie konnte das passieren? Wie kann eine Brandschutzsanierung sieben Jahre dauern? Die Kurzfassung, die Baustadtrat Florian Schmidt darlegen kann, handelt davon, „dass bei diesem Bautyp aus den späten siebziger Jahren die Innenkonstruktion mit den tragenden Elementen der Außenwände und der Dachkonstruktion ineinandergreift“. So wurde eine Komplettsanierung erforderlich und damit eine „dramatische“ Verteuerung. Da das Geld nicht da war, wurde alles in zwei Bauabschnitte aufgeteilt, damit zumindest die Sporthalle und ein Teil des Schulgebäudes zur Verfügung stünden.
Was aussah wie eine rasche Lösung, brachte keine Rettung, denn es kamen weitere Probleme dazu: Eine wichtige Firma ging 2014 insolvent, Leistungen mussten neu ausgeschrieben werden, dann war wieder mal das Geld alle: Baustopp. Man hangelte sich weiter mit dem Beantragen neuer Fördermittel, erstellte wieder mal eine „Ergänzungsunterlage“, und 2018 kam die nächste Insolvenz.
Insolvenzen, Kündigungen - ein "Scherbenhaufen"
Dann ging wieder alles von vorn los: Bestandsaufnahme der bisherigen Leistung, Neuausschreibung des Rests. Die neueren Hiobsbotschaften bestehen darin, dass 2019 eine Firma „aufgrund nicht erbrachter Mängelbeseitigung“ gekündigt werden musste. Der letzte große Schlag: Im September sah sich der Bezirk gezwungen, den Architekten zu kündigen.
„Wir brauchen nochmal Vertrauen und gute Energie. Es kann ja nicht immer nur Pechsträhnen geben“, versucht sich Schmidt mit einer Durchhalteparole.
Beim Runden Tisch stößt er damit auf wenig Wiederhall. „Ich habe das alles zu oft gehört“, sagt der beliebte Schulleiter, der für seine „Engelsgeduld“ geschätzt wird, aber auch die ist jetzt verbraucht: Seit Monaten war auf der Baustelle niemand mehr – eine Folge der Insolvenz. Dennoch muss er den Betrieb aufrecht erhalten und um kleine Erleichterungen kämpfen: Zum Alltag der Schule gehört, dass der Sportunterricht an vier verschiedene Orte ausgelagert ist.
Immerhin führten die desaströsen Erfahrungen dazu, dass die vom Bautyp her ähnliche Lenau-Schule in Kreuzberg abgerissen statt saniert wird.
Berichterstattung - unerwünscht
Warum aber fand all dies keinen Weg an die Öffentlichkeit? Es habe ein paar Versuche gegeben, aber immer habe die Verwaltung gedroht, dass es dann „noch länger“ dauern werde, berichten Eltern und Lehrer unisono. Als aber im September klar wurde, dass es 2020 wieder nichts wird mit dem ersten Bauabschnitt und es dann wohl insgesamt zwölf Jahre dauern wird, bis auch der zweite Bauabschnitt fertig ist – da reichte es Elternvertreterin Henrike Hüske: Zusammen mit zwei Müttern brachte sie an der Wilhelmstraße den Schriftzug „#BERKREUZBERG“ an – in den Zaun geflochten mit Stoffresten.
Sie legte auch einen Twitter- und einen Instagram-Account an, sie ging in die BVV. Das Ergebnis bisher: Baustadtrat Schmidt blockierte Hüskes Twitteraccount @berkreuzberg. Das hat sie ihm übel genommen. Dem Tagesspiegel sagte Schmidt, dass er das „bei einem Gespräch mit den Eltern“ klären werde.
Die Schule will am 18.12. um 15.30 Uhr mit einer Lichterkette rund um die Schule „den 7. Geburtstag der Baustelle feiern“.