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Schlange vor einem Wahllokal im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg.
© Georg Hilgemann/dpa

Chaos in Berliner Wahllokalen: Eine Einladung an jeden, das Ergebnis anzufechten

Die „Superwahl" wurde in Berlin unterschätzt. Die Pannen könnten zur Anfechtung der Wahl zum Abgeordnetenhaus führen. Sich wundern reicht nicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Julius Betschka

Die letzten Wähler:innen verließen die Berliner Wahllokale weit nach 19 Uhr. Da waren die ersten öffentlichen Hochrechnungen längst veröffentlicht. Es war die womöglich folgenschwere Konsequenz eines verhunzten Wahltages.

[Alle aktuellen Zwischenstände und Ergebnisse der Bundestagswahl 2021 finden Sie auf unserer interaktiven Seite zur Wahl.]

Doch, man hätte das ahnen können. Sechs Stimmen abzugeben, dauert länger, als zwei Kreuze zu setzen. Wenn in den Wahllokalen wegen der Corona-Abstände nur zwei Kabinen stehen, wählen eben weniger Menschen pro Stunde. Und in Berlin fand zeitgleich noch der Marathon mit Straßensperrungen statt, weshalb Mensch und Material verzögert an den Ort der Wahl kamen. Hätte, hätte man das mal anders organisiert...

Die Berliner Verantwortlichen hat es mal wieder kalt erwischt. Bei etwa gleichhoher Beteiligung wie bei vorangegangenen Wahlen bildeten sich lange Schlangen vor den Wahllokalen. In der Innenstadt betrug die Wartezeit mancherorts am Nachmittag mehr als drei Stunden. In einer mindestens zweistelligen Zahl von Wahllokalen waren irgendwann die Stimmzettel aus.

Die Landeswahlleitung hat dafür keine Erklärung

Die Landeswahlleitung konnte das nicht erklären, hatte man doch angeblich extra mehr Zettel als notwendig ausgeliefert. Die Transporter mit Nachschub kamen nicht durch wegen der Straßensperrungen. Und manche Wahllokale hatten einfach falsche Stimmzettel bekommen. Die Landeswahlleiterin ist für die Organisation der Wahlen zuständig.

In der Behörde scheint völlig unterschätzt worden zu sein, was die Berliner Superwahl mit Bezirks-, Abgeordnetenhaus- und Bundestagswahlen plus Volksentscheid bedeutet. Dabei gibt es natürlich keinen Anspruch darauf, dass man das Wählen mal eben auf dem Weg zum Brötchenholen miterledigen kann. Und natürlich ist es zumutbar, auch mal anzustehen.

Allerdings sollten demokratisch gewählte Regierungen sich verpflichtet fühlen, ihre Ab- oder Wiederwahl so niedrigschwellig wie möglich zu organisieren. Schlangen vor den Wahllokalen sind eigentlich ein gutes Zeichen, aber nicht, wenn sie auf die Desorganisation der politisch Verantwortlichen zurückzuführen sind.

Wenn Menschen nicht wählen können, weil keine Stimmzettel da sind, gefährdet das die Legitimation von Wahlen. Der Ablauf der Wahl in Berlin ist eine Einladung an jeden, sie anzufechten. Das bestätigte am Abend selbst die Landeswahlleitung. Voraussichtlich wird das Verfassungsgericht nun prüfen, ob die Fehler den Wahlausgang beeinflusst haben könnten.

Dass einige nicht wählen konnten, dass andere Ergebnisse sahen, bevor sie ihr Kreuz setzten, könnten Indizien dafür sein. Dann muss die Wahl wiederholt werden. Sich berlintypisch über die Zustände zu wundern, wird dann zu wenig sein.

Korrektur: Die Landeswahlleiterin ist formal nicht der Innenverwaltung unterstellt, sie ist eine eigenständige Institution, die ehrenamtlich tätig ist. Sie hat bei der Innenverwaltung ihre Geschäftsstelle. Wir bedauern den Fehler.

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