Audiowalk zu deutsch-jüdischen Künstlern: Eine akustische Zeitreise rund um den Ku'damm
Studenten haben einen Audiowalk zu deutsch-jüdischen Künstlern entwickelt. Rund um den Ku'damm verschwimmen die Grenzen zwischen Fiktion und Realität.
So verträumt wie an diesem Abend hat Lea Ulrich wohl noch nie auf das Café Kranzler geblickt. Sie steht an der Kreuzung Kurfürstendamm/Joachimsthaler Straße, wird geblendet vom grellen Rot der Ampel, von den Scheinwerfern der vorbeirasenden Autos, gestreift von angetrunkenen Jugendlichen.
In ihr Ohr aber flötet eine junge, aufgedrehte Stimme: „Was sich hier entspann, waren Geschichten aus Tausendundeiner Nacht.“ Und dann läuft ein Film ab: Touristen verschwinden aus dem Blickfeld, Dramatiker, Dichter, Musiker erscheinen. Anfang des 20. Jahrhunderts haben sie sich hier die Hände geschüttelt, gemeinsam philosophiert, auf den Tischen getanzt und sind schließlich so etwas wie das Inventar des so genannten „Café Größenwahns“ geworden.
Akustische Ebenen verbinden sich
Das Rauschen der Autos, das penetrante Hupen drängt sich in den Hintergrund. Pferdegetrappel und Drehorgelmusik mischen sich unter den Geräuscheteppich. Abgetaucht in eine andere Welt steht sie dort, bis ein aggressives Hundegebell zu hören ist. Erstaunen. Doch kein Hund weit und breit. Fiktion und Realität - sie können so verblüffend nah beieinander liegen.
Nein, Lea Ulrich ist nicht verwirrt oder verrückt. Schuld an ihrer Geistesabwesenheit sind zwei simple Kopfhörer und ein Abspielgerät.
Studierende der Universität der Künste (UdK) haben diese Zeitreise in einen so genannten Audiowalk verpackt. Im vergangenen Jahr haben sie zu deutsch-jüdischen Künstlern recherchiert – von der Dichterin Else Lasker-Schüler über Erich Mühsam bis zu Valerie Marcu. Das Besondere: Ihre Wege trafen sich rund um die Berliner Gedächtniskirche. Anfang der 1900 bis 1930er Jahre war die literarische Bewegung im Café Größenwahn (später Kranzler) und im romanischen Café (heute steht hier das Europa-Center) zuhause. Aus den Begegnungen haben die Studenten kleine Hörspielstrecken geschrieben und sie auf und neben dem Ku’damm vertont.
"Was der Ku'damm doch für ein interessanter Ort war."
„Das war eine Detektivarbeit für uns“, sagt Studentin Juliane Stadelmann. Verschiedene akustische Ebenen sollen sich überlagern, Fantasie wecken und die Grenzen zwischen Gegenwart und Vergangenheit verschwimmen lassen, erklärt Paul Brodowksy, der das Projekt als Professor für Szenisches Schreiben umgesetzt hat.
Lea Ulrich ist die ganze Sache manchmal etwas zu verwirrend, erzählt sie und macht Halt vor einem Gebäude auf dem Ku’damm, in dem heute McDonald’s eine Filiale hat. An der Wand hängt eine Porzellantafel zur Erinnerung an das Lieblingslokal von Joseph Roth, das hier beheimatet war. Verblüffend sei der Rundgang aber in jedem Fall: „Was der Ku’damm doch einmal für ein interessanter Ort war.“
Der Rundgang im Internet: www.hipsterhoexter.de
Julia Bernewasser