Ausstellung "Zuhause": Einblicke in Berliner Schlafzimmer
Eine Fotoausstellung in der Kommunalen Galerie in Wilmersdorf gewährt intime Einblicke in Berliner Schlafzimmer und private Refugien.
Ob schmales Kämmerchen voller Bücher, schicke Altbauwohnung mit Flamingolampen-Hingucker oder vollgestopftes Schlafzimmer mit Zwischendecke: Zuhause sieht für alle anders aus. Wo Berliner zuhause sind, zeigen Lara Wildes Fotos, die mit ihrem schummrigen Licht und den wenigen hellen Hervorhebungen fast wie Gemälde aussehen.
Mit der Serie „Exposed Landscapes“ – entblößte Landschaften – hat die Fotografin den dritten Platz beim Vonovia Award für Fotografie gemacht. Zusammen mit den Werken der anderen Preisträger und Shortlist-Kandidaten sind sie in der Kommunalen Galerie ausgestellt.
Zum zweiten Mal hat das Immobilienunternehmen Vonovia unter dem Motto „Zuhause“ einen Preis ausgelobt.
Für ihre Fotos hat Lara Wilde fremde Menschen über Facebook und Internetforen angeschrieben und gefragt, ob sie ihr Modell stehen wollen. Dabei wollte sie möglichst wenig anderes als die Adressen der Personen erfahren, um unvoreingenommen an die Besuche heranzugehen.
Eine wichtige Bedingung: Sie durften nicht aufräumen, bevor die Fotografin sie besuchte. Dann machte sie sich mit Kamera, Stativ und ein paar Lampen auf den Weg, in öffentlichen Verkehrsmitteln und mit leichtem Gepäck, und lichtete die Berlinerinnen und Berliner in ihren Wohnungen ab. Wobei sie mit dem Licht sehr sparsam umging: Nur wenige bedeutsame Gegenstände sind beleuchtet, die Personen stehen im Zentrum der Fotos.
Aufräumen verboten
Beinahe unheimlich sind die Aufnahmen mit den Protagonisten, die wegen der Langzeitbelichtung still in ihren eigenen vier Wänden sitzen und durch die Aufnahmetechnik wie gemalt aussehen. Mit angezogenen Beinen kauert eine kurzhaarige Frau auf ihrem Bett, auf einem anderen Bild spielt eine Frau im Nachthemd am dezent beleuchteten Klavier, ein weiteres zeigt einen Mann, der versonnen eine pinkfarbene Flamingo-Lampe betrachtet. Obwohl es ihre eigenen vier Wände sind, wirken die Personen nervös und verängstigt.
Das liege an der Stadt, meint Lara Wilde: Geht man vor die Tür, sei man hier ständig von Menschen umgeben. Das habe seine Folgen. „Gerade viele junge Menschen in Berlin verlieren die Fähigkeit, mit sich selbst allein zu sein“, sagt die Fotografin. Daher würden die unsicheren Blicke der Protagonisten rühren.
Es hätten sich während der Aufnahmen auch sehr tiefe Gespräche mit den Menschen ergeben, bei denen Lara Wilde ihre Models kennenlernen konnte. Dies ist auch in die Bildkomposition eingeflossen: Schlaglichtartig sind nur wenige Gegenstände in den Bildern stärker angestrahlt, die für die Geschichten der Fotografierten interessant sind, ein Klavier, ein Babybett, ein Terrarium. „Wohnungen sind ein wichtiger Teil der Persönlichkeit“, sagt Lara Wilde.
Die Fotografin hat die Serie genutzt, um nach einem längeren Auslandsaufenthalt die Berliner wieder besser kennenzulernen. Das Besondere an an den Bewohnern der Hauptstadt sei, dass man hier leicht Personen für so ein Projekt gewinnen könne, erzählt die Fotografin. Auch wenn manche die Idee nicht wirklich verstünden, machten sie doch gerne mit.
Für das Projekt ist sie quer durch die Stadt gefahren und hat Personen in kleinen Mietwohnungen und großen Mansarden porträtiert, in schmuddeligen Kämmerchen und stilvoll eingerichteten Altbauten. Zuhause ist für jeden anders, das zeigen auch Wildes Motive.
Fotoserien anderer Gewinner
Weitere Einblicke in den Mikrokosmos Zuhause gewähren bei der Ausstellung die Fotoserien der anderen Gewinner: Plattenbauten im Schweriner Stadtteil Dreesch, eine Großwohnsiedlung im Hamburger Norden oder die letzte Zeche Deutschlands. Ausstellungskurator Matthias Harder gefällt, dass alle ausgestellten Fotoserien reportagehaft die Geschichten der Fotografierten erzählen.
So ist Norman Hoppenheit, der Gewinner des ersten Preises, für die Fotoserie „Dreesch“ an den gleichnamigen Ort zurückgekehrt, an dem er seine frühe Kindheit verbrachte. Seine Bilder zeigen verloren wirkende Bewohner in der zunehmend verfallenden Schweriner Siedlung.
Paula Markert, die Gewinnerin des zweiten Preises, hat das enge Zuhause von rund 22.000 Hamburgern in der Großwohnsiedlung Steilshoop abgelichtet, wo die Bewohner trotz hoher Arbeitslosigkeit und sozialer Spannungen beim Kochen im Freien oder Musizieren im Gemeinschaftsraum Zusammenhalt leben.
Die Aufnahmen von Nachwuchspreisträgerin Nanna Heitmann dokumentieren das Leben der Arbeiter aus der Zeche Prosper Haniel. Das gemeinsame Schuften hat die Männer zusammengeschweißt und häufig ihre Gesundheit ruiniert. Mit dem Ende des Kohleabbaus, das zeigen die Bilder, verschwindet eine umweltschädliche Energiequelle, aber auch der Lebensmittelpunkt einer Gemeinschaft.
Die Ausstellung „Zuhause“ in der Kommunalen Galerie, Hohenzollerndamm 176, ist bis zum 21. April dienstags, donnerstags und freitags von 10 bis 17 Uhr, mittwochs von 10 bis 19 Uhr sowie sonntags von 11 bis 17 Uhr zu sehen. Der Eintritt ist frei. Am 17. März spricht Kurator Matthias Harder bei einer Diskussionsrunde mit den Preisträgern über das Thema Zuhause, am 7. April gibt es um 12 Uhr eine Kuratorenführung.
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