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25 Jahre erstes Berliner Gesamtparlament: Am Montag gibt es hier einen Festakt, bei dem Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) spricht.
© picture-alliance/ dpa

25 Jahre Gesamtparlament für Berlin: Ein zäher Start trotz Freude und Genugtuung

Vor 25 Jahren trat das erste Gesamtberliner Abgeordnetenhaus zusammen. Die langjährige Korrespondentin des Tagesspiegels Brigitte Grunert erinnert sich an das historische Ereignis.

Es war ein feierlicher Moment, als sich das erste Gesamtberliner Abgeordnetenhaus am 11. Januar 1991 zu seiner konstituierenden Sitzung versammelte, 241 Mitglieder an der Zahl, unter ihnen 91 aus dem früheren Ost-Berlin. Dem großen Tag entsprach das Ambiente. Man tagte in der Nikolaikirche in Mitte, Berlins ältestem Gotteshaus, wo 1809 die erste von den Bürgern gewählte Stadtverordnetenversammlung feierlich vereidigt worden war. Und hier begeht nun das Parlament den 25. Jahrestag mit einem Festakt. Bundestagspräsident Norbert Lammert hält die Festrede.

Damals endeten nicht nur die Wahlperioden des am 29. Januar 1989 gewählten Abgeordnetenhauses West und der am 6 . Mai gewählten Stadtverordnetenversammlung Ost. Mehr noch: Hier erst wurde die Stadt auch staatsrechtlich wiedervereint. Per Abstimmung wurde die Landesverfassung von 1950, die nur in West-Berlin gelten konnte, auf Ost-Berlin übergeleitet. Deshalb war es ein historischer Tag.

Fünf Fraktionen im Abgeordnetenhaus

Mit „Freude und Genugtuung“ über die Einheit nach vier Jahrzehnten der Teilung eröffnete der Alterspräsident Klaus Franke (CDU, früher Senator) die Sitzung. Folgte sein Appell an alle Abgeordneten, aufeinander zuzugehen. Was die Teilung „an Entfremdung brachte, kann nur mit einer inneren Bereitschaft zur Einheit überwunden werden“. Klar, die Abgeordneten kamen aus zwei Welten, und das Ergebnis der ersten Gesamtberliner Wahl seit 1946 vom 2. Dezember 1990 war in Ost und West sehr unterschiedlich ausgefallen.

So brachte es die CDU im Westen auf 49, im Ostteil nur auf 25 Prozent, die PDS im Osten auf 23,6 und im Westen auf 1,1 Prozent. Die größte Annäherung verbuchte die SPD mit 29,5 Prozent im Westen und 32,1 Prozent im Osten. Fünf Fraktionen zählte das Abgeordnetenhaus und die vierköpfige Gruppe Neues Forum/Bürgerbewegung von Ost-Berlinern, die sich dem Bündnis 90/Grüne nicht anschloss.

Mit der Feierlichkeit war es in der Nikolaikirche allerdings bald vorbei. Staunend verfolgte unsereiner die stundenlangen Debatten über die parlamentarische Geschäftsordnung und die Verfassung. Ost-Berlin hatte sich im Sommer 1990 selbst eine Verfassung gegeben. Sie entsprach im Wesentlichen der West-Berliner, die dem Verfassungsentwurf der Stadtverordneten von anno 1948 entsprach, als die Stadt noch nicht geteilt war.

Auch hatten 1990 die Einheitsausschüsse beider Parlamente 1990 die Verfassung von 1950 für die Einheit passend gemacht. Und dennoch: Für etliche Ost-Berliner war der Beitritt zu dieser Verfassung keineswegs selbstverständlich. Sie sahen ihren Kampf für Freiheit und Demokratie von West-Kollegen nicht genug gewürdigt.

Erste Wahlperiode nach der Einheit

Die Fraktionschefinnen von Bündnis 90/Grüne und PDS, Renate Künast und Gesine Lötzsch, forderten eine neue Verfassung durch eine verfassunggebende Versammlung, bitte „basisdemokratisch“. Lötzsch passte der Beitritt nicht und Künast fand die West-Verfassung überholt, nicht mehr legitimiert, mochte der Staatsrechtler Klaus Finkelnburg (CDU) noch so beredt die Logik der Kontinuität erläutern. Sebastian Pflugbeil von der Vierergruppe des  Neuen Forums zeigte sich „schwer deprimiert über die Kaffeehaus-Atmosphäre“ dieser Debatte. Es sei mehr zu tun als die Ost-Verfassung in guter Erinnerung zu behalten.

Umstritten war auch die Frage, ob jetzt die erste Wahlperiode nach der Einheit begann oder die zwölfte seit dem 11. Januar 1951, als sich das erste Abgeordnetenhaus im Rathaus Schöneberg konstituiert hatte. Na ja, CDU und SPD sorgten mit ihrer großen Mehrheit dafür, dass es bei der zwölften blieb. Endlich wurde die Verfassung von 1950 per Akklamation angenommen. „Danke sehr, das war die eindeutige Mehrheit“, sagte der Alterspräsident, die Auszählung der Stimmen unterblieb.

Einhellig fiel auch die geheime Wahl der neuen Parlamentspräsidentin Hanna-Renate Laurien (CDU, früher Schulsenatorin und Bürgermeisterin) nicht aus. Sie erhielt 182 der 241 Stimmen. Noch bescheidener war das Ergebnis für die drei Vizepräsidenten: Marianne Brinckmeier, Ost-Berlins Oberbürgermeister Tino Schwierzina (beide SPD) und Reinhard Führer (CDU); 71 Stimmen waren ungültig, was am Kuddelmuddel beim Wahlverfahren lag. Sofort nach seiner Wahl trat Schwierzina als Oberbürgermeister zurück. An der Seite des Regierenden Bürgermeisters Walter Momper hatte Schwierzina rund sieben Monate die Regierungsgeschäfte von Senat und Magistrat geführt, kurz „Magisenat“ genannt.

3 von 15 Senatoren kamen aus dem Osten

Die Wahl des ersten Gesamtberliner Senats am 24. Januar war beinahe schon Routine im Rathaus Schöneberg, wo Senat und Abgeordnetenhaus noch eine Weile blieben. Eberhard Diepgen war nun nach seiner Zwangspause durch den rot-grünen Momper-Senat wieder Regierender Bürgermeister und konnte die Einheit mit seinem Senat der großen Koalition bis 2001 gestalten.

Von den 15 Senatoren seines ersten Gesamtberliner Senats kamen nur drei aus dem Osten: Christine Bergmann (SPD, Präsidentin der letzten Stadtverordnetenversammlung), Thomas Krüger (SPD, Innenstadtrat im Magistrat Schwierzina) und Peter Luther (CDU). Auch das Parlament hatte große Aufgaben für das Zusammenfügen beider Teile der Stadt zu erfüllen. Wie nebenbei wurde die Verfassung vom Parlament überarbeitet und 1995 per Volksabstimmung bestätigt.

Die Autorin war langjährige landespolitische Korrespondentin des Tagesspiegels.

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