Hans-Friedrich Müller, Diener vieler Herren: Ruhestand für die englische Stimme von Walter Momper
Das war's dann mit S-Bahn-Fahrten mit der Queen: Nach 31 Jahren in der Senatskanzlei und vielen Regierenden Bürgermeistern geht Hans-Friedrich Müller in den Ruhestand.
Er ist mit der Queen S-Bahn gefahren, war das englischsprachige Radio-Double von Walter Momper und kennt alle Gebote in seinem Beruf. Diplomatie, Loyalität, Verschwiegenheit: Für Hans-Friedrich Müller sind diese Attribute unabdingbar verknüpft mit seinen 31 Dienstjahren in der Senatskanzlei, von denen er die meisten als Referatsleiter im Presse- und Öffentlichkeitsamt wirkte. „Sonst wird man nicht froh“, sagt Müller, der sich Ende des Jahres in den Ruhestand verabschiedet. Und er kannte sie alle als Regierende: Eberhard Diepgen, Walter Momper, wieder Diepgen, Klaus Wowereit, Michael Müller.
Als der junge examinierte Lehrer für Englisch, Geografie, Politik noch ein paar weitere Semester Jura hinter sich hatte, lernte er 1984 den damaligen Senatssprecher Winfried Fest kennen. Fest war eine Institution im Westteil der Stadt, Redenschreiber für Willy Brandt, Klaus Schütz und Eberhard Diepgen, die „Edelfeder“ des Senats, die brillante Reden schrieb.
Hans-Friedrich Müller wurde Fests persönlicher Referent und lernte viel über den Umgang mit der Politik. Und dann kamen 1989 Walter Momper, eine rot-grüne Koalition und der Mauerfall. Müller arbeitete im damaligen Presseamt des Senats. „Aufregende Zeiten“, sagt er, damals Redakteur, dann Chef vom Dienst im Senatspresseamt.
Über Müller sagt er nichts
So aufregend, dass Momper keine Zeit hatte, die vielen Radioanfragen der neuseeländischen, australischen oder kanadischen Presse zu beantworten. Also bediente man sich eines „Tricks“: Hans-Friedrich Müller wurde im Äther zu Walter Momper, parlierte in fließendem Englisch und Momperschem Tonfall über die Zeit nach dem Mauerfall.
Als Klaus Haetzel, damals Leiter des Senatspresseamtes, 2000 in den Ruhestand ging, hinterließ er seinen Kollegen zehn Gebote für das Überleben im Senatspresseamt. Eines der wichtigsten lautet: „Gib niemals einem Vorgesetzten eine Unterlage in die Hand, ohne vorher davon eine Kopie gemacht zu haben.“ Oder: „Deine Aufgabe ist es nicht, Recht zu haben. Deine Aufgabe ist es, den Chef ins richtige Licht zu rücken.“ Die „Chefs“ aber kamen und gingen, je nach Wahlergebnis. „Nach jedem Regierungswechsel musste man sich den Sprachduktus des Regierenden aneignen“, erzählt Müller, dessen direkte Vorgesetzte die Senatssprecher waren.
Er lässt sich nicht hinreißen zu bewerten, wer der beste Regierende war. Momper und Diepgen seien „zugänglicher, hemdsärmeliger“ gewesen. Die seien mal im Büro vorbeigekommen, hätten sich auf den Tisch gesetzt und gefragt, was es denn so Neues gibt. Wowereit sei nach Amtsantritt gleich zwei Tage mit führenden Mitarbeitern in Klausur gegangen. Über Michael Müller sagt Hans-Friedrich Müller nichts.
"Das kann man nur mit Machtwillen schaffen"
Die Politiker, in welcher Funktion auch immer, seien letztlich alles nur Menschen, die ihre individuellen Schwächen hätten, sagt er. Die Mechanismen aber seien dieselben: „Sie haben Machtwillen, durch den sie auch in diese Funktion gekommen sind“, sagt Müller. Er habe bei allen bewundert, welche körperliche Kraft sie aufbringen konnten, um das Tagespensum zu erfüllen. „Das kann man nur mit Machtwillen schaffen.“
Eine der wichtigsten Aufgaben im heutigen Presse- und Öffentlichkeitsamt des Senats war und ist, Nachrichten zu sammeln, zu produzieren, Kommunikationskonzepte zu erarbeiten, Journalisten die Berichterstattung zu ermöglichen, zu organisieren und sich eng abzustimmen mit Sicherheitsbehörden oder Protokollabteilungen. Hans-Friedrich Müller erinnert sich an den Besuch der Queen 2004.
Souveräne und nie aufbrausende Art
Die Königin fuhr im Panoramawagen der S-Bahn mit Prinz Philip, dem Regierenden Wowereit und dem Abgeordnetenhauspräsidenten Momper von Berlin nach Potsdam. Wowereit zeigte Her Majesty die Aussicht, Momper zückte einen Berliner Stadtplan und sprach mit Prinz Philip auf Deutsch über die Stadt. „Die beiden haben sich blendend verstanden.“
Müller erinnert sich gern an solch schöne Momente. „Sie sehen einen glücklichen Menschen vor sich.“ In Journalistenkreisen war er durch seine souveräne und nie aufbrausende Art sehr geschätzt. Der gebürtige Hamburger hat viel vor in seiner „freien“ Zeit: Er wird weiter im Chor „Vokalkreis Reinbek“ singen, wo er seit 40 Jahren aktiv ist. Als Mitglied einer nautischen Familie wird er sich ehrenamtlich um die Patenschaft des Landes Berlin mit dem größten Schiff der Marine, dem Einsatzgruppenversorger Berlin, kümmern. Was man von ihm nicht erwarten darf, ist ein sicher interessantes Buch über „Sitten und Gebräuche“ Berliner Politiker. Denn: „Das Verschwiegenheits- und Mäßigungsgebot gilt über das Dienstende hinaus.“
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