Brandenburger Landtag: Ein Wisent als Politikum
Eigentlich sollte es um Elche gehen, doch im Landtag wurde über das tote Wisent diskutiert. Polen verurteilt die Abschuss-Genehmigung für das Wisent.
Brandenburgs Umweltminister Jörg Vogelsänger (SPD) hält Elche für gefährlicher im Straßenverkehr als Wildschweine. Jetzt sei ja gerade die Zeit des Wildwechsels, „jeder ist gut beraten, vorsichtig zu fahren“, sagte Vogelsänger am Mittwoch im Landtag. „Der Elch neigt dazu, den Straßenverkehr deutlich zu missachten und sich einfach auf die Straße zu stellen, was zu entsprechenden Konfliktsituationen führt.“ Insofern sehe er „doch eine deutlich höhere Gefährdungssituation durch den Elch als beim Wildschwein und anderen Tierarten“. Tatsächlich hatte es bereits schwere Verkehrsunfälle mit Elchen gegeben.
Am Mikrofon stand der Minister aber eigentlich wegen eines anderen Tiers. Die Grünen hatten in der Fragestunde den Abschuss eines Wisents – in ganz Europa streng geschützt – bei Lebus (Märkisch-Oderland) zum Thema gemacht. Vogelsänger bedauerte die Abschuss-Entscheidung der örtlichen Behörden, die mit angeblich aggressivem Verhalten begründet worden war. Er nehme dies zur Kenntnis. „Dennoch hätte ich mir eine andere Entscheidung aus Sicht das Artenschutzes gewünscht.“ Zudem hätte das Ministerium als oberste Naturschutz- und Jagdbehörde „beratend“ einbezogen oder die Hotline des Landesveteriäramtes angerufen werden können.
Nach seinen Worten sollten daraus Lehren gezogen werden. „Wenn zukünftig bei solchen Fällen mehr zum Telefon als zur Jagdwaffe gegriffen wird, dann ist schon viel erreicht“, so der Minister. „Konkret“ nannte er aber auch „Betäubungsgewehre und darin geübte Schützen“. Allerdings erwartet Vogelsänger, dass der Wisent ein Einzelfall bleiben wird. „Wir wollen Wisente hier auch nicht ansiedeln.“ Hingegen verwies Grünen-Fraktionschef Axel Vogel darauf, dass in Westpolen 400 Wisente leben und man ähnlich wie beim Wolf auch verstärkt mit einwandernden Wisenten rechnen müsse.
Polen verurteilt das Vorgehen
Aus Deutschland und Polen kam vielfach das gleiche Echo: Bestürzung, Kopfschütteln, Wut. Ein freilaufender Wisent, der eine streng geschützte Tierart ist, streift durch Ostbrandenburg und wird abgeschossen – und das auch noch per amtlichem Beschluss. Man habe sichergehen wollen, dass der Bulle keine Menschen gefährdet, hieß es zur Begründung nach dem Vorfall vor fast zwei Wochen.
Der Wisent ist zwar kein offizielles Symbol in Polen, doch hat er dort einen hohen Stellenwert. Er gilt als König der Wälder und wird von vielen Polen verehrt. Entsprechend emotional fielen die Reaktionen auf den Abschuss aus. Tierfreunde richteten sogar eine Facebook-Seite „zum Gedenken an den in Deutschland bestialisch ermordeten Wisent“ ein.
Thema in den Medien
Die Boulevardzeitung „Fakt“ titelte auf ihrem Online-Portal: „Er ging durch die Lebuser Wälder, wurde getötet. Schuld sind die Deutschen.“ Fast alle polnischen Medien berichteten und zeigten wenig Verständnis für den Abschuss.
Auch Politiker kommentierten den Fall. So fragte etwa ein Abgeordneter der nationalkonservativen Regierungspartei PiS auf Twitter: „Mit welcher Begründung wurde der Wisent aus Polen getötet?“ Und der Europaabgeordnete Janusz Wojciechowski, ebenfalls PiS, widmete dem Tier sogar ein Gedicht mit dem Titel: „Ach Wisent, wärst du doch im polnischen Dickicht geblieben“.
WWF und Peta erstatteten Anzeige
Wie aus einer Art Entschuldigungsschreiben des Landkreises Märkisch-Oderland, der selbst nicht an dem Abschuss beteiligt war, an die polnische Seite hervorgeht, wurde über mehrere Stunden versucht, das Tier von einer Siedlung fernzuhalten. Als es dann dunkel wurde, traf das Amt die für den ungebetenen Gast tödliche Entscheidung. „Wir bedauern den Ausgang dieses Ereignisses sehr und hoffen, dass sich hierdurch kein Schatten über unsere gemeinsamen Beziehungen legt“, heißt es in dem Schreiben des Landkreises, über das die „Märkische Oderzeitung“ berichtete.
Die Umweltorganisation WWF und auch die Tierschutzorganisation Peta erstatteten nach eigenen Angaben Anzeige gegen Amtsvertreter. Der Fall dürfte also weiter Kreise ziehen. (mit dpa)