Berlin bekommt keine Massentests: Ein Versprechen im TV, das Müller nun nicht einhalten kann
Der Regierende Bürgermeister hatte baldige Corona-Tests für alle angekündigt – mit Gesundheitssenatorin und Amtsärzten war das nicht abgesprochen. Sein Vorschlag irritiert.
Unter Ärzten und Koalitionspolitikern dürfte es diese Woche deutlich unruhiger werden – auch wenn sich Landeschef Michael Müller am Dienstagabend darum bemühte, seine Ankündigung vom Montagabend in beruhigender Absicht zu präzisieren. Der Regierende Bürgermeister hatte kostenfreie Tests auf das Coronavirus für alle in Aussicht gestellt: Das zumindest blieb aus einem Interview hängen, das der SPD-Politiker am Montagabend dem Sender NTV gegeben hatte.
Nur einige Stunden zuvor teilte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (wie Müller in der SPD) im Gesundheitsausschuss des Abgeordnetenhauses mit, dass es vorerst keine kostenfreien Tests für alle geben werde. Was war passiert?
Unter Amtsärzten, in den Runden zur Pandemiebekämpfung und in der rot-rot-grünen Koalition ist zu hören: Müller habe zuvor mit keinem Wort angekündigt, was er im Fernsehen sagen würde. Senatorin Kalayci reagierte am Dienstag dennoch gekonnt: Mittelfristig schließe auch sie Corona-Tests für alle nicht aus, sagte Kalayci dem Tagesspiegel, sie sehe „keinen Dissens“ mit dem Regierenden Bürgermeister. Dieser habe bei NTV in die Zukunft gerichtet gesprochen. Jedenfalls habe man in Berlin „vorerst eine Teststrategie“, auf die man setze.
Tatsächlich wurden bislang vor allem Mitarbeiter in Kliniken und Heimen getestet, nun wurden Kitas und Schulen in den Fokus genommen. Müller hatte den Auftrag zur Teststrategie im Mai nicht der Gesundheits-, sondern der Wissenschaftsverwaltung unter Staatssekretär Steffen Krach (SPD) gegeben.
Charité-Experten testen in Kitas und Schulen
Schon das bewerteten einige Sozialdemokraten als De-facto-Demontage Kalaycis, die zuvor durchaus Ergebnisse – so die Corona-Ampel und die Covid-19-Notklinik auf dem Messegelände – lieferte; senatsintern plädierte Kalayci lange für mehr Entschlossenheit im Kampf gegen die Pandemie. Staatssekretär Krach trifft sich regelmäßig mit den Experten der landeseigenen Charité. Seit zwei Wochen nehmen Ärzte nun Nasen-Rachen-Abstriche bei 1000 Kindern und Jugendlichen, Lehrern und Erziehern aus je zwölf Kitas, Grund- und Oberschulen.
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Demnächst, kündigte Müller am Wochenende an, sollen sich alle Kita-Erzieher und Lehrer testen lassen können. Im Interview mit NTV sagte Müller nun, „Ich glaube, wir werden auch sehr bald diesen bayerischen Weg einschlagen“ – Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) hatte angekündigt, dass sich dort bald jeder – also auch ohne Symptome – auf das auch Sars-CoV-2 genannte Virus werde testen lassen können. Die Kosten wolle das Land übernehmen, wenn die Krankenkassen nicht zahlten.
„Wenn ein Bundesland anfängt und andere Bundesländer so wie wir eine Teststrategie haben, dann wird das eine Welle“, sagte Müller NTV. „Und die Tests werden günstiger, sie werden einfacher, es wird dann sowieso für viele Menschen ganz unproblematisch sein, sich testen lassen zu können.“
Viele Ärzte sind da skeptisch. Der Reinickendorfer Amtsarzt Patrick Larscheid sagte dem Tagesspiegel, der Vorstoß sei mit den Gesundheitsämtern nicht abgesprochen. Senatorin Kalayci habe recht, wenn sie – wie es im Gesundheitsausschuss geklungen habe – anlassloses „Wunschtesten“ ablehne.
Michael Müller: "Massenstests wird es nicht geben"
Nach der Aufregung am Dienstag teilte Senatschef Müller am späten Nachmittag mit: „Neben der gezielten Teststrategie der Charité ist Berlin auch auf dem Weg, immer mehr großflächige Tests für andere anzubieten und das weiter auszubauen – auch für Menschen, die keine Symptome vorweisen. So können sich seit dieser Woche alle Beschäftigten der Berliner Kitas testen lassen, ab Mitte Juli gilt das auch für Schulen.“
Insofern weite man das ohnehin gestartete Testen auch symptomfreier Berliner aus. „Wir schaffen damit vermehrt Angebote, damit sich Menschen freiwillig und kostenlos testen lassen können. Massentests wird es nicht geben, davon raten auch die Wissenschaftler ab“, sagte Müller. „Tests werden aber hoffentlich bald schneller und unkomplizierter und ohne großen Aufwand zur Verfügung stehen, sodass sich Bürger bei Bedarf testen lassen können.“
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Einfach nur viel testen „klingt gut“, hatte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) dazu mitgeteilt, sei „aber ohne systematisches Vorgehen nicht zielführend“. Und auch im Fachjournal „Deutsches Ärzteblatt“, immerhin von der Bundesärztekammer herausgegeben, wird aktuell vor zu viel Zuversicht bei Massentests gewarnt.
„Da kein Test 100-prozentig sicher ist, muss das dem Betroffenen mitzuteilende Testergebnis in seinem Kontext interpretiert werden.“ Je genauer das Risiko für Patienten eingeschätzt wird – Kontaktpersonen? Symptome? Vorerkrankungen? – desto besser lässt sich ein Testergebnis interpretieren.