Söder plant „Corona-Testoffensive“: In Bayern soll sich jeder kostenlos testen lassen können
Eine hohe Zahl von Tests gilt als ein wirksames Mittel, die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Bayern will die Untersuchungen nun massiv ausweiten.
Die bayerische Landesregierung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat eine „Corona-Testoffensive“ angekündigt. In Bayern soll sich künftig jeder auf das Coronavirus testen lassen können – ganz unabhängig davon, ob er Symptome hat.
Die Tests sollen „massiv“ ausgeweitet werden, wie Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) in München erklärte. Den Bürgern würden keine Kosten entstehen, wie eine Sprecherin des Ministeriums dem Tagesspiegel sagte. Bayern ist damit das erste Bundesland, dass dies anbieten wird.
„Ein Eckpunkt unseres Bayerischen Testkonzepts ist, dass alle Personen, die auf eine Infektion auf SARS-CoV-2 getestet werden wollen, Gewissheit darüber erhalten sollen, ob sie sich infiziert haben“, betonte Huml. „Allen Bürgerinnen und Bürgern Bayerns wird deshalb zeitnah angeboten, sich bei einem niedergelassenen Vertragsarzt auch ohne Symptome testen zu lassen.“ Die Kosten für einen Rachenabstrichtest (PCR-Test ) sind nicht unerheblich. Wer sich freiwillig testen lässt, muss mit 150 bis 300 Euro rechnen.
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Generell gilt: Im Kampf gegen das Virus sind inzwischen in ganz Deutschland Tests auch ohne akute Krankheitsanzeichen auf breiter Front möglich – besonders in sensiblen Bereichen wie Kliniken, Pflegeheimen, Schulen und Kitas.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte vor knapp drei Wochen eine Verordnung verkündet, die eine Reihe zusätzlicher Testmöglichkeiten auf Kassenkosten festlegt. Bis dahin gab es Tests auf Kassenkosten in der Regel nur bei Infektionsverdacht – also wenn man Symptome wie Fieber, Husten, Halsschmerzen oder Geruchs- und Geschmacksstörungen hatte.
Bayern ist nun das erste Bundesland, das künftig Tests für jedermann vorsieht. Wie das Gesundheitsministerium mitteilt, trägt bei Tests von Personen in sensiblen Bereichen in der Regel die Krankenkasse die Laborrechnung, nicht aber die Kosten für die Abstrichnahme. Diese werde im neuen Testkonzept der Freistaat übernehmen. Menschen mit Symptomen, bei denen ein Verdacht auf eine Covid-19-Erkrankung besteht, sollen in Bayern allerdings Vorrang haben.
Bei Patienten mit Symptomen oder Menschen, die eine Warnung durch die Corona-App erhalten haben, zahlten die Kassen grundsätzlich die Kosten vollständig, so das Gesundheitsministerium in München. Bei Menschen, die keine Symptome aufweisen, bestehe nur ein Anspruch auf Erstattung der Laborkosten durch die gesetzliche Kasse.
Hier werde Bayern nun die Lücke schließen, so dass „für die – auf Bundesebene nicht geregelte – Abstrichnahme durch Vertragsärzte eine Vergütung gewährt wird, die der Freistaat Bayern bezahlt", so das Gesundheitsministerium.
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Bereits vor einer Woche war in dem Bundesland mit seinen rund 13 Millionen Einwohnern bei den Corona-Tests die Millionenmarke überschritten worden. „Mittlerweile können wir mehr als 21.000 Tests pro Tag vornehmen“, sagte Ministerin Huml. Das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit sowie mehr als 50 private Laboren analysierten die PCR-Tests.
Ein Schwerpunkt der Testoffensive in Bayern soll auf Schlachthöfen und Fleischverarbeitungsbetrieben liegen. Ziel sei, „größeren Ausbruchsgeschehen wie in Gütersloh vorzubeugen“, sagte Gesundheitsministerin Huml. In 33 weiteren ausgewählten Fleischbetrieben, darunter neun Schlachthöfe, zwölf Zerlegebetriebe und zwölf Betriebe, die Fleisch- oder Wurstwaren herstellen, sollen die Mitarbeiter reihenweise getestet werden.
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„Dabei wollen wir auch herausfinden, ob die hohe körperliche Belastung oder die Arbeit bei ungünstigen Klimabedingungen mögliche weitere Risikofaktoren für eine Corona-Infektion darstellen“, sagte Huml. Bei den ersten umfassenden Corona-Reihentestungen von Mitarbeitern an 51 Schlachthöfen in Bayern waren nach Ministeriumsangaben insgesamt 110 Menschen positiv auf das Coronavirus getestet worden
Nach den Vorfällen bei Tönnies muss die Fleischindustrie in Nordrhein-Westfalen künftig Beschäftigte auf ihre Kosten mindestens zwei Mal pro Woche auf das Coronavirus testen lassen. Die neue Vorgabe gilt ab 1. Juli für Schlachthöfe, Zerlegebetriebe und fleischverarbeitende Betriebe mit mehr als 100 Beschäftigten, wie das Landesministerium für Arbeit und Gesundheit in Düsseldorf mitteilte.
Bundesgesundheitsminister Spahn ist für die Ausweitung von Corona-Tests in Deutschland offen, warnt aber vor einer Überbewertung der Ergebnisse. „Umfangreiches Testen ist sinnvoll, insbesondere um regionale Ausbrüche schnell einzudämmen. Dazu haben wir das Testkonzept des Bundes bereits vor Wochen angepasst“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Zusätzliche Testangebote durch die Länder könnten das ergänzen. „Allerdings ist ein Test immer nur eine Momentaufnahme. Er darf nicht in falscher Sicherheit wiegen.“