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Suppengrün. Der Senat will mit Beratung Kantinen zu nachhaltigerem Umgang mit Lebensmitteln bewegen. Das bedeutet konkret: Weniger Fleisch, mehr Gemüse, mehr Regionales, keine Massentierhaltung, handwerkliche Arbeit, viel Bio. Foto: imago/Olaf Döring
© imago/Olaf Döring

Berliner Senat lasst Kantinen beraten: "Ein Veggie-Tag ist nicht genug"

Ein Lieblingskind des Verbraucherschutz-Senators: Die „Kantine Zukunft“ gibt nach einem Jahr Einblick in ihre Arbeit im Dienste der Berliner Gemeinschaftsverpflegung.

Dies ist die große Zeit der politischen Wenden, und die „Ernährungswende“, ein Lieblingsprojekt der Grünen, ist nicht die unwichtigste davon. Nicht überraschend spielt Berlin dabei eine große Rolle – man wird sagen dürfen, dass die korrekte Ernährung eins der Lieblingsthemen des grünen Justizsenators Dirk Behrendt ist, in dessen Zuständigkeit ja auch der Verbraucherschutz fällt.

Nach Vorbild des Kopenhagener „Madhus“ hat er vor gut einem Jahr das Projekt „Kantine Zukunft“ ins Leben gerufen, dessen Aufgabe es ist, die Berliner Kantinenbetreiber bei der gewünschten Umstellung auf ein Speisenangebot zu beraten, das den aktuellen Anforderungen entspricht: Weniger Fleisch, mehr Gemüse, mehr Regionales, keine Massentierhaltung, keine Verschwendung, handwerkliche Arbeit, viel Bio – eine „nachhaltige Transformation“ ist das Ziel.

Am Mittwoch wurde der aktuelle Stand in einer Video-Präsentation „statt des geplanten Kick-Off“ mit einer Podiumsdiskussion gezeigt – mittendrin Renate Künast von den Grünen, die zufrieden sagte, sie sei damals heftig angegangen worden für die Forderung nach einem Veggie-Tag in den öffentlichen Kantinen: „Heute würde ich sagen, das war falsch, ein Tag ist nicht genug“.

Keine Chance für traditionelle Kantinenkost

Ähnlich siegessicher gab sich auch Projektleiter Phillip Stierand, der den Anhängern traditioneller Kantinenkost wenig Hoffnung machte: „Man muss gar keine Gewohnheiten mehr brechen, denn irgendwann kommen alle aus dem Homeoffice zurück und finden einen komplett anderen Speiseplan vor“. Bio sei für ihn Indikator und Instrument, denn man könne sicher sein, dass dahinter eine zukunftsfähige Landwirtschaft stehe, die einen gewissen Standard erreiche. Vor allem Bio-Fleisch sei teuer, damit sinke der Fleisch-Anteil automatisch, „und damit haben wir den wichtigsten Hebel zum Klimaschutz schon gezogen“.

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Die großen und kleinen Kantinen, die schon zum Beratungsportfolio gehören, sind überwiegend trotz Corona in Betrieb, bei den Wasser-Betrieben, der BSR und in mehreren Kitas, überwiegend in der Innenstadt. Prinzipiell kann sich jeder Kantinenbetreiber Rat holen, der nicht mehr auf den alten Gleisen fahren will: „In vielen Kantinen finden wir Parallelwelten“, sagt Stephanie Ries, die Sprecherin des Projekts, „die sich seit 30, 40 Jahren nicht verändert haben“. Aber es gebe Lust auf Veränderung, und dabei wolle man helfen. Der Bedarf nach Austausch und Vernetzung sei groß, meint sie, und Corona habe keines falls zu einer Lethargie geführt, sondern diene als Anlass, noch einmal in Ruhe über Konzepte nachzudenken.

Auch im Blick: Die Verpflegung in Krankenhäusern

Eine spätere Stufe der Arbeit könne auch die Krankenhausverpflegung sein, ergänzte der Senator, der aus der Ferne ein Grußwort schickte, denn die sei oft „erbärmlich“, die Patienten hätten Besseres verdient. Heike Breidenich, die zuständige Abteilungsleiterin im Krankenhaus Havelhöhe, war damit sicher nicht gemeint. „Als wir das Fleisch reduziert haben“, schränkt sie ein, „gab es nicht überall Juhu-Rufe“. Sie bezifferte den Bio-Anteil in ihren Haus auf aktuelle 40 Prozent mit weiteren zehn Prozent Regionalprodukten; Ziel sei es, in fünf Jahren auf 100 Prozent zu kommen, was aber angesichts der extrem knappen Budgets 250 000 Euro zusätzlich kosten werde.

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Ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg liegt in Brandenburg – darin waren sich die Diskutanten einig. Er hoffe, sagte auch Senator Behrendt, dass das Projekt „den Brandenburger Bauern Rückenwind gibt, ihre Angebote auf den Berliner Markt auszurichten“, statt nur Billiges für den Weltmarkt oder Massen von Mais herzustellen. „Berlin muss Unruhe in Brandenburg schaffen“, sagte auch Renate Künast, als „Flaggschiff für die Ernährung des 21. Jahrhunderts“.

Ottmar Pohl-Hoffbauer, der als Alleinkoch täglich mehr als hundert Portionen beim Kita-Träger Mahalo in Mitte – vegetarisch – zubereitet, bekräftigte dies: Er verfüge über langjährige Kontakte zu Erzeugern im Umland, aber „es kann nicht jeder den selben Lieferanten haben“. Gelegentlich seien Eltern überrascht, weil er keine Monatspläne schreibe, aber das wolle er nicht, weil er nach dem aktuell verfügbaren Angebot koche.

Der Moabiter Bäcker Florian Domberger verwies schließlich auf die Bedeutung des Handwerks; wer es beherrsche, könne auf Hilfs- und Zusatzstoffe verzichten. Und es sei besonders wichtig, dies den Kunden zu erklären, „bis sie keine Fragen mehr haben“ . Er verwende zwar Bio-Produkte, sei aber selbst nicht zertifiziert, weil er die Bürokratie scheue und es für seine Kunden nicht von Bedeutung sei. „In erster Linie“ , das gab er der Runde mit, „muss das geiles Zeug sein“.

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